«Aus Verzweiflung» Kind nicht dem Vater zur Betreuung überlassen

Weil er sie und ihre Kinder schlecht behandelte, verweigerte eine Oberländerin dem getrennt lebenden Vater des einen Kindes zweimal die Betreuung seines Mädchens. Das sei teilweise nachvollziehbar, sagte eine Richterin, bestätigte aber dennoch eine Bestrafung der Frau.

Von Ernst Hilfiker

Es ist eine Auseinandersetzung, wie sie zum Alltag vieler getrennter Paare mit Kindern gehört: Der eine Elternteil überbringt dem anderen ein Kind nicht zur behördlich angeordneten Besuchszeit. Doch nur äusserst selten enden solche Episoden in der Schweiz dann vor Gericht – so, wie am Freitag am Bezirksgericht Hinwil.

Zweimal Tochter nicht abgeliefert

Dort hatte sich eine 44-jährige Oberländerin vor einer Einzelrichterin zu verantworten. Die Beschuldigte war von der Staatsanwaltschaft zu einer Busse von 300 Franken sowie einer bedingten Geldstrafe von 900 Franken verurteilt worden. Tatbestand: mehrfaches Entziehen von Minderjährigen.

Die Frau hatte im Spätsommer 2018 zweimal ihre damals eindreiviertel Jahre alte Tochter nicht dem getrennt lebenden Vater zur Betreuung gebracht. Damit verstiess sie gegen eine Auflage der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb). Die Kesb hatte angeordnet, dass sich Mutter und Vater abwechselnd um das kleine Mädchen kümmern und dazu fixe Betreuungszeiten festgelegt.

«Hohe Gewalt»

Die Frau focht vor Gericht nun das Urteil der Staatsanwaltschaft an. «Ich wollte keine Straftat begehen, ich habe aus Verzweiflung gehandelt», erklärte die Frau am Prozess. Aus Verzweiflung über die «hohe psychische und physische Gewalt» vonseiten des Vaters, die sie bei vorherigen Kindsübergaben erlebt habe. Und diese Gewalt «kann ich als Mutter nicht über mich ergehen lassen».

«Es ist schwierig, was alles passiert ist.»
Die Frau zu ihrem Verhältnis zum Vater des gemeinamen Kindes

Der Vater habe sie und ihr anderes Kind mehrfach gedemütigt und jenes Kind sehr grob behandelt: «einfach wirklich nicht lustige Sachen» seien da geschehen. All das führte dazu, dass die Frau heute Angst vor dem Mann hat – und darum auch Angst um das Wohlergehen ihrer gemeinsamen, kleinen Tochter, wenn sie bei ihm ist. Die Mutter hat deshalb gegen die Besuchsregelung der Kesb rekurriert; ein Entscheid steht noch aus. Seit den zwei eingeklagten Vorfällen habe sie sich wieder an die Besuchsregelung gehalten.

«Es ist schwierig, was alles passiert ist», fasste die Frau die Lage zusammen. Dass sie als kümmernde Mutter aber dafür nun büssen solle, das sei «unfair». Sie verlangte deshalb einen Freispruch.

Rechtlich ein klarer Fall

Die 44-Jährige stiess auf eine verständnisvolle Richterin. «Diese Ängste einer Mutter sind ein Stück weit gut nachvollziehbar», sagte die Juristin. Doch die Angst und die anerkanntermassen schwierige Lage der Frau «reicht in rechtlicher Sicht nicht», um eine Art Notwehrhandlung geltend zu machen und somit dem Vater bewusst die Ausübung der alternierenden Obhut zu verweigern.

Die Rechtslage war also klar, und der Schuldspruch wurde bestätigt. Allerdings erkannte das Gericht nicht auf mehrfaches, sondern nur einfaches Entziehen von Minderjährigen und sah von einer Busse ab. Es bleibt somit bei der bedingten Geldstrafe. Zu zahlen sind folglich «nur» mindestens 1660 Franken Verfahrenskosten – ein nicht unbedeutender Posten für die Mutter, die laut ihren Angaben finanziell jeweils gerade so über die Runden kommt.


Zueriost.ch


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