Gemeinden stoppen Einwanderung auf eigene Faust

Die Luzerner Agglo-Gemeinde Emmen wird grösser und grösser. Eine SVP-Initiative will das Wachstum nun beschränken. Doch wie soll das gehen?

Emmen ist beliebt. Und das ist ein Problem – zumindest für Markus Schumacher (57). Gut 30’000 Menschen leben heute in der zweitgrössten Gemeinde des Kantons Luzern, zehn Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. «Wir wachsen viel zu schnell», sagt der Emmer SVP-Einwohnerrat.

Strassen, Schulhäuser, Veloparkplätze: Man komme mit der Infrastruktur gar nicht mehr hinterher, sagt Schumacher. «Die zusätzlichen Steuereinnahmen reichen dafür bei weitem nicht.» Zudem steigt in der Agglo-Gemeinde mit der Bevölkerung auch der Ausländeranteil.

Jeder dritte Einwohner von Emmen ist Ausländer, damit ist der Ausländeranteil heute schon so hoch wie in keiner anderen Luzerner Gemeinde. «In der Folge sind die Sozialausgaben bei uns viel höher als andernorts», sagt Schumacher. Auch aus diesem Grund schrieb die Gemeinde letztes Jahr ein Defizit von über zwölf Millionen Franken.

Nur noch rund 200 neue Einwohner pro Jahr

Für Schumacher ist klar: «Wir müssen dem jetzt einen Riegel schieben und endlich etwas tun!» Der Riegel ist eine Initiative, die die lokale SVP jüngst eingereicht hat. Sie will das Wachstum Emmens im Fünfjahresschnitt auf 0,7 Prozent pro Jahr beschränken. In Zukunft soll nur noch «gehobener Wohnraum» gefördert werden, heisst es in einem Brief des Initiativkomitees. Denn diejenigen, die sich den leisten können, sind die guten Steuerzahler.

Die nötigen Unterschriften für die Initiative habe man innert kürzester Zeit gesammelt, sagt Schumacher. Das Feedback aus der Bevölkerung sei mehrheitlich positiv. «Der Tenor ist: Endlich macht mal jemand etwas, erzählt der Einwohnerrat. Nächstes Jahr wird die Wachstums-Initiative zur Abstimmung kommen.

«Immer mehr Gemeinden haben die Nase voll»

Die Initiative hat auch starke Ähnlichkeit mit der gescheiterten Ecopop-Initiative, die das Bevölkerungswachstum aufgrund der Zuwanderung auf 0,2 Prozent der ständigen Wohnbevölkerung beschränken wollte. Vor allem aber erinnert sie an die Masseneinwanderungs-Initiative (MEI), die das Stimmvolk 2014 angenommen hat.

Die Emmer Initiative sei eine direkte Folge der MEI, sagt der Emmer Nationalrat Felix Müri (60). «In Bern will man die Zuwanderung nicht steuern, und man weigert sich, die MEI umzusetzen», regt er sich auf. Diejenigen, die das nun ausbaden müssten, seien die Gemeinden.

«Immer mehr von ihnen haben die Nase voll.»

So ist Emmen nicht die erste Gemeinde, in der eine Mini-MEI zur Debatte steht. Zwei Gemeinden weiter, in Hochdorf LU, hat die Bevölkerung schon 2015 die genau gleiche Initiative angenommen. Auch in Inwil LU wurde dieselbe Initiative lanciert, wegen eines heftigen Streits in der Gemeinde noch während der Sammelphase aber wieder zurückgezogen. Weitere Gemeinden ausserhalb des Kantons schielen interessiert nach Luzern und überlegen sich Ähnliches.

Umsetzung per Zonenplan – aber wie genau?

Doch wie soll eine Wachstumsbeschränkung überhaupt umgesetzt werden? 0,7 Prozent Wachstum, das wären nur noch gut 200 Personen, die pro Jahr noch nach Emmen kommen dürften. Über die Hälfte davon macht schon nur der Geburtenüberschuss aus.

Auf die Frage angesprochen, verweist Schumacher auf den Zonenplan. Mit Aus- und Umzonungen könnte das Wachstum gedrosselt werden. Wie genau? Ja, dieses Problem sei Sache des Gemeinderats, meinen Schumacher und Nationalrat Müri unisono. Die Exekutive sei schliesslich für die Umsetzung verantwortlich.

Eine Aussage, die Monique Frey (52) die Zornesröte ins Gesicht treibt. «Die Initianten wissen, dass ihre Initiative gar nicht umsetzbar ist», sagt die Präsidentin der Grünen Emmen. «Auszonungen kosten, weil man die Grundeigentümer entschädigen muss – und das kann sich die Gemeinde Emmen gar nicht leisten.»

Die CVP spricht gar von einer «Enteignung der Bevölkerung», sollten Auszonungen ins Auge gefasst werden. Für CVP-Präsidentin Marta Eschmann ist deshalb klar: «Die Initiative der SVP schiesst weit über das Ziel hinaus.»

«Die Initiative ist eine populistische Scheinlösung»

Deutliche Worte findet auch SP-Präsident Sigisbert Regli (61). «Die Initiative ist eine populistische Scheinlösung», sagt er. «Wir können uns schlicht nicht vorstellen, dass die SVP die Massnahmen, die zur Umsetzung der Initiative nötig wären, auch unterstützen würde.»

Die FDP bezweifelt zudem, dass man mit einer Begrenzung des Wachstums aus den roten Zahlen kommt. «Das Wachstum in Emmen kann nicht der ausschlaggebende Faktor für die Finanzsituation in Emmen sein», sagt Co-Parteipräsident Marius Göldi (33). Massnahmen hingegen, die tatsächlich greifen würden, habe die SVP allesamt abgeschmettert, doppelt Grünen-Politikerin Frey nach: «Sie lehnten eine Fusion mit Luzern ab, stellten sich immer gegen Steuererhöhungen und waren für die Abschaffung der Liegenschaftssteuer», zählt sie auf.

Hochdorf kämpft mit der Umsetzung

Obwohl alle Parteien ausser der SVP der Initiative kritisch gegenüberstehen: Frey erwartet einen harten Abstimmungskampf. «Leicht wird es bestimmt nicht. Aber die Erfahrungen aus Hochdorf liefern uns sicher schlagkräftige Argumente gegen die Initiative», sagt Frey.

Denn dort zeigt sich gerade, dass die Umsetzung der Initiative die Gemeinde tatsächlich vor grosse Probleme stellt. Bauprojekte werden wegen ihr ausgebremst – zum Unmut vieler. Nun steht zur Debatte: Will man eine buchstabengetreue Umsetzung – oder doch lieber eine Umsetzung light? Eine Frage, die bereits bei der Masseneinwanderungs-Initiative zum grossen Zankapfel geworden ist.

(Lea Hartmann und Martina Tomaschett)


Blick.ch


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