Ein Fall für die Kesb Bezirk Hinwil – Wenn ein schizophrener Mann sein Bauland verkauft

Ein nicht urteilsfähiger Mann veräussert sein Grundstück im Zürcher Oberland. Sein Beistand kümmert sich um den Verkauf. Dazu lässt er die Offerten über das Treuhandbüro abwickeln, das er einst mitgegründet hat. Den Zuschlag erhält dann die Firma, die er bis vor fünf Jahren geleitet hat. Ist das in Ordnung?

Es handelt sich um eine komplizierte Geschichte. Eine ohne Konklusion. Doch sie verdeutlicht, wie schwierig es manchmal sein kann, die richtige Entscheidung zu treffen. Oder überhaupt zu beurteilen, was richtig und was falsch ist. Die Hauptrolle spielt Eugen Iten, eine angesehene Person in der Zürcher Oberländer Gesellschaft: Ehemaliger Mietrichter am Bezirksgericht Hinwil, SVP-Mann, Mitbegründer einer Treuhandfirma, ehemaliger Geschäftsführer einer grossen Baugenossenschaft der Region und Mitglied in etlichen auf Immobilien und Gewerbe spezialisierten Verbänden in der Umgebung.

Iten ist aber nicht nur gut vernetzt, der 75-Jährige engagiert sich auch für weniger privilegierte Menschen. So fungiert er seit vielen Jahren als Beistand eines psychisch kranken Mannes, der als nicht urteils- und handlungsfähig gilt. Die sogenannte umfassende Beistandschaft war früher als Vormundschaft bekannt.

Offerten über Treuhandfirma abgewickelt

Dieser Mann, nennen wir ihn Ralf Hunziker*, hat bis vor Kurzem ein grosses Stück Bauland an zentraler Lage im Zürcher Oberland besessen. Dieses wurde nun verkauft – und zwar an jene Baugenossenschaft, die Eugen Iten bis vor fünf Jahren noch leitete. Doch mit seinem Abgang als Geschäftsführer 2014 hatte Iten seine Verbindungen zur Baugenossenschaft nicht vollständig gekappt. Die Treuhandfirma, die er einst selbst mitgegründet hat und bei der er nach wie vor als «Konsulent» aufgeführt ist, verwaltet noch heute die Liegenschaften der Baugenossenschaft. Zwischen den beiden Firmen besteht also ein Mandatsverhältnis.

Und hier kommt nun die Krux. Als Beistand kümmert sich Eugen Iten im Auftrag der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde um alle Angelegenheiten der Personensorge, der Vermögenssorge und des Rechtsverkehrs von Ralf Hunziker. Dazu gehört auch die Abwicklung eines Baulandverkaufs. Hunzikers Grundstück wurde Mitte 2017 auf der Immobilienplattform Homegate zum Verkauf ausgeschrieben. Die Offerten der interessierten Firmen gingen allerdings nicht bei Eugen Iten persönlich, sondern beim Treuhandbüro ein, bei dem er noch angestellt war.

«Als Beistand des Baulandbesitzers steht er auf der Seite des Verkäufers, als ehemaliger Treuhänder der Baugenossenschaft steht er aber gleichzeitig auch auf der Seite des Käufers.»

Peter Breitschmid, Jurist mit Lehrstuhl für Privatrecht an der Universität Zürich

Die Redaktion weiss von einer grossen Baufirma aus der Region, die mit ihrer Offerte über 14 Millionen Franken erfolglos blieb. Den Zuschlag für das Grundstück erhielt die Baugenossenschaft. Auf die Frage, ob er die Offerten selbst gesichtet hat, sagt Eugen Iten: «Als Beistand vertrete ich meinen Klienten und habe für ihn zu entscheiden. Selbstverständlich habe ich daher Einblick in sämtliche Belange, die meinen Klienten betreffen.»

Peter Breitschmid, Jurist mit Lehrstuhl an der Universität Zürich, spricht von einer «heiklen Konstellation». Er hat sich auf Kindes- und Erwachsenenschutz spezialisiert. Dass der Ex-Chef einer Firma als Beistand eines nicht handlungsfähigen Menschen Bauland an seine ehemaligen Kollegen verkaufe, lege den Verdacht eines sogenannten Insichgeschäfts nahe. «Als Beistand des Baulandbesitzers steht er auf der Seite des Verkäufers, als Angestellter des für die Baugenossenschaft zuständigen Treuhandbüros steht er aber gleichzeitig auch auf der Seite des Käufers.»

Zwei Bedingungen

Für Grundstückgeschäfte eines Beistands verlangt das Gesetz grundsätzlich immer die Zustimmung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb). Sie überprüft, ob der Baulandverkauf im besten Interesse der betroffenen Person ist. Sie gibt auch die Kriterien für die Vergabe vor. Laut Breitschmid kommt es hie und da vor, dass die Kesb ein Insichgeschäft absegnet.

Im vorliegenden Fall müssten aus seiner Sicht aber mindestens zwei Bedingungen erfüllt worden sein: Der Beistand Eugen Iten sei verpflichtet, die Behörde über seine Rolle in dieser besonderen Konstellation zu informieren. «Wurde dies unterlassen und unterscheidet sich der Kaufpreis erheblich vom Markpreis, droht dem Beistand haftungsmässig beträchtlicher Ärger.» Die Kesb müsse zudem eine fachkundige Schätzung durch wirklich unabhängige Dritte veranlasst haben.

Geschäft mehrmals untersucht

Ob dies tatsächlich so stattgefunden hat, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Sowohl Eugen Iten als auch die Kesb berufen sich auf ihre Schweigepflicht und ihr Amtsgeheimnis, Details zum konkreten Fall geben sie keine preis. Offenbar hat die Behörde das Geschäft vor der Zustimmung aber mehrmals untersucht.

«Massgebend beim Verkaufsprozess war ausschliesslich das Wohl meines Klienten.»

Eugen Iten, Beistand

Dass der Grund dafür der Verdacht auf ein Insichgeschäft gewesen ist, bestreitet Iten. «Die Kesb musste den Fall nicht wegen eines möglichen Interessenkonflikts dreimal prüfen.» Persönlich profitiere er gar nicht vom Verkauf: insbesondere nicht auf finanzielle Weise. «Massgebend beim Verkaufsprozess war ausschliesslich das Wohl meines Klienten.»

Die Kesb stelle beim Landverkauf eines Verbeiständeten hohe Anforderungen. Daraus lasse sich ableiten, dass ein Verkauf nur dann möglich sei, wenn dieser offensichtlich im Interesse des Verbeiständeten erfolge.

Doppelter Geschäftsführer

«Eugen Iten ist seit Anfang Jahr nicht mehr bei uns angestellt und seit dem 13. Januar 2012 nicht mehr beteiligt», sagt Manuel Bühlmann, Geschäftsführer des Treuhandbüros. Er ist gleichzeitig auch Geschäftsführer der Baugenossenschaft. Eugen Iten erhalte entsprechend seit dem 1. Januar dieses Jahres keinen Lohn mehr und werde nur noch für Einzelfragen von langjährigen Kunden persönlich angefragt.

Dass die Offerten für den Baulandverkauf über das Treuhandbüro eingereicht wurden, sei unproblematisch. Er selbst habe sich zudem völlig aus dem Geschäft rausgehalten und bei der Baugenossenschaft bezüglich solchen strategischen Entscheiden keinerlei Entscheidungsbefugnisse, sagt Bühlmann.

Anfechtbarer Entscheid

Wie sich der Baulandverkauf von Ralf Hunziker genau abgespielt hat, bleibt geheim. Marta Friedrich, Präsidentin der Kesb Bezirk Hinwil, beantwortet nur allgemeine Fragen (siehe Interview). Das Szenario für einen Grundstückverkauf eines Beistands läuft folgendermassen ab: Der Beistand muss zunächst einen Antrag bei der Kesb einreichen, in dem er begründet, weshalb das Geschäft im Interesse der betroffenen Person ist. Für die Prüfung des Geschäfts werden interne – oder bei Bedarf auch externe – Fachpersonen beigezogen.

Eine aus drei Kesb-Mitgliedern zusammengesetzte interdisziplinäre Kollegialbehörde fällt schliesslich einen Entscheid über die Zustimmung oder Ablehnung des Grundstücksverkaufs des Beistandes. Dieser wird der betroffenen Person direkt zugestellt und ist von ihr anfechtbar. Sollte die betroffene Person mit den Handlungen des Beistands nicht einverstanden sein, kann sie sich jederzeit an die Kesb wenden.

«Die Baugenossenschaft hat mit gezinkten Karten gespielt.»

Ralf Hunziker*, ehemaliger Besitzer des Baulands

Doch so einfach ist es im konkreten Fall dann doch nicht, wie ein Telefongespräch mit Ralf Hunziker zeigt. Er erzählt ausgiebig von seiner Familie, seinem Grundstück und seiner Krankheit. Zunächst spricht er noch ruhig und sicher, wirkt unauffällig.

Als sich das Gespräch seinem Beistand widmet, wird Ralf Hunziker plötzlich sprunghaft. Er sei ein Guter, der Eugen Iten, schon über 25 Jahre kümmere er sich um ihn, sagt er zunächst. Auf den Landverkauf angesprochen, wechselt Hunziker dann aber den Tonfall. Er müsse das Grundstück verkaufen, weil ihm das Geld ausgehe. «Das Heim kostet mich 5000 Franken im Monat Iten ziehe ihn über den Tisch, sagt er erregt. Er habe ihn nicht darüber informiert, an wen er das Bauland verkaufe. «Die Baugenossenschaft hat mit gezinkten Karten gespielt.» Iten mache hier ganz klar ein Insidergeschäft.

Einsprachefrist verstreichen lassen

Die Kesb habe den Fall auch wegen des Verdachts auf Interessenkonflikt dreimal überprüft, sagt Hunziker. Schliesslich sei die Behörde aber zum Schluss gekommen, ein Verkauf sei in seinem Interesse. Ob das wirklich stimme, wisse er nicht. «Eigentlich will ich gar nicht verkaufen.» Er habe die Einsprachefrist gegen das Urteil der Kesb aber leider verstreichen lassen. Seine Pflegemutter und Eugen Iten hätten Druck auf ihn ausgeübt.

«Der Eugen weiss schon, was er macht.»

Ralf Hunziker*, ehemaliger Besitzer des Baulands

Ralf Hunziker leidet an Schizophrenie. Laut seinem Arzt ist sein Gesundheitszustand seit Jahren immer wieder und aktuell erneut ausgeprägt instabil. Mit den gegen ihn erhobenen Vorwürfen konfrontiert, betont auch Eugen Iten, sein Klient sei urteilsunfähig. «Wie man sich auf angebliche Aussagen von ihm berufen kann, ist für mich gelinde gesagt nicht nachvollziehbar.»

Dass sich Hunziker selbst nicht sicher ist, was er will, zeigt sich exemplarisch am Ende des Telefongesprächs: «Wenn Sie mir da noch raus helfen können, dann tun Sie es bitte», fleht er zunächst. Dann überlegt er eine Weile. «Nein, lieber doch nicht. So ist es sicher am besten für mich. Der Eugen weiss schon, was er macht.»

*Name der Redaktion bekannt.

(von Tanja Bircher)


Frau Friedrich**, Mann X ist der Beistand von Mann Y, der nicht urteilsfähig ist. Er besitzt ein grosses Stück Bauland, das zum Verkauf steht. Der Zuschlag geht an die Firma, zu der der Beistand Mann X ein Mandatsverhältnis pflegt. Handelt es sich hier um eine Interessenskollision?

Marta Friedrich: Die Interessenskollision zwischen Beistand und der betroffenen Person ist dann gegeben, wenn die Interessen der Betroffenen und des Beistands im Widerspruch zueinander stehen. Der Anwendungsfall ist in der Praxis gar nicht so selten. Vor allem in den Konstellationen, wo Angehörige eine Beistandschaft führen, kann es zu Geschäften mit einer Interessenkollision kommen. Klassisches Anwendungsbeispiel ist die gleichzeitige Beteiligung an der gleichen Erbschaft. Die Kesb überprüft jeweils im Einzelfall, ob eine Interessenskollision vorliegt. Wird eine solche bejaht, ernennt die Kesb einen Ersatzbeistand oder regelt diese Angelegenheit selber.

Wie überprüft die Kesb, dass Mann Y dieses Bauland wirklich verkaufen will?
Ist die betroffene Person nicht urteilsfähig, so ist die Feststellung ihres Willens erschwert oder gar nicht möglich. Genau darum bedarf ja die betroffene Person einer Unterstützung, die ihre Interessen wahrnimmt und vertritt. Die Kesb überprüft in allen Fällen, ob die Interessen der betroffenen Person bestmöglich gewahrt werden. Dort, wo die Einstellung der betroffenen Person nicht in Erfahrung gebracht werden kann, muss sie vom mutmasslichen Willen der betroffenen Person ausgehen.

Wie verhindert die Kesb, dass Mann Y von seinem Beistand Mann X beeinflusst wird?
Ohne Anlass von aussen überprüft die Kesb mindestens alle zwei Jahre die Handlungen des Beistands im Rahmen der Rechenschaftsprüfung. Sie greift ein, sollte sich in diesem Rahmen zeigen, dass die Ausübung der Vertretung nicht korrekt oder nicht angemessen ausgeübt wurde. Die Kesb wird darüber hinaus immer auf Anlass hin aktiv, also dann, wenn ihr etwas zugetragen wird, das überprüft werden muss. Sowohl die betroffene Person selbst als auch jede andere Person, die Hinweise auf ein Handeln, das nicht im Sinne der betroffenen Person ist, feststellt, ist berechtigt an die Kesb zu gelangen und dies zu melden.

Was kann die Kesb unternehmen?
Sollte die Kesb herausfinden, dass ein Beistand seinen Auftrag nicht im Sinne der betroffenen Person erfüllt, so greift sie korrigierend ein bis hin zur Überprüfung der Eignung des Beistands, sagt Kesb-Präsidentin Marta Friedrich. Es ist weniger die Frage, ob die Kesb Möglichkeiten hat, auf eine solche Situation zu reagieren, sondern, ob sie davon erfährt.

**Marta Friedrich ist die Präsidentin der Kesb Bezirk Hinwil.


Zueriost.ch


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