«Hier führte die Polizei mein Kind in Handschellen ab»


Die Mutter eines 13-Jährigen klagt an
«Hier führte die Polizei mein Kind in Handschellen ab»
Kevin wollte nicht ins Heim, sondern bei seiner Mutter bleiben. Die Behörden setzten sich mit Polizeigewalt durch.

Eine Mutter steht vor dem Bett ihres Sohnes. Seit über einem Jahr hat Kevin* (13) nicht mehr darin geschlafen. Er war nicht mehr daheim, seit Polizisten den damals Zwölfjährigen am 25. März 2013 in Handschellen abführten.

Anna Schmid* (39) sagt: «Es ist unfassbar, was mein Sohn und ich durchmachen müssen.»

Der Albtraum begann für die alleinerziehende Mutter vor zwei Jahren. Damals wurde Kevin der Primarschule verwiesen – er hatte den Unterricht gestört. «Er war unterfordert», sagt seine Mutter. Die damaligen Vormundschaftsbehörden beschlossen, Kevin in ein Heim einzuweisen.

«Sie haben weder mich noch ihn angehört»

Kurze Zeit später entzogen sie der Mutter die Obhut für ihren Sohn. Die Begründung: Sie habe nicht kooperiert. «Sie haben weder mich noch ihn angehört», sagt Anna Schmid.

Seitdem befänden sie sich in der Hand der Behörden – in einem Abwärtsstrudel, der nicht zu stoppen scheint. Seit zwei Jahren lebt Kevin in einem Schulheim, er war in fünf Pflegefamilien untergebracht. Dort verbringt er Wochenenden und Ferien.

Anna Schmid hat die Obhut über ihren Sohn nicht zurückbekommen – obwohl die Behörden ihr dies versprochen hatten. Sie versteht nicht, warum ihr Sohn nicht bei ihr leben darf.

Kevin schrieb Dutzende Briefe, an seinen Beistand, an die Behörden. «Wenn ich nach Hause darf wäre ich überglücklich und könnte wieder normal leben!»

Als Kevin im März 2013 ein paar Wochen zu Hause war, weil es keinen Schulplatz für ihn gab, kam die Polizei, um den Jungen ins Heim zu bringen. «Kevin sass auf diesem Bett», erinnert sich Anna Schmid.

Der Polizist habe ihren Sohn gefragt: «Kommst du mit ins Heim?» Kevins Antwort war «Nein» – und schon habe der Polizist die Handschellen gezückt.

«Ich habe gesagt: ‹Er geht doch mit!›» Doch der Polizist deutete das Nein als Widerstand. «Und hat ihn in Handschellen weggebracht.»

Kein Einzelfall

Bis heute kann Anna Schmid nicht glauben, dass so etwas in der Schweiz passiert. Sie ist nicht allein. Hunderte anderer Eltern kämpfen gegen die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB). Vergangene Woche wurde ein ähnlicher Fall publik: Die Polizei führte einen Achtjährigen aus der Schule ab und brachte ihn in eine Pflegefamilie.

Jugendliche in Handschellen – obwohl sie keine Straftat begangen haben? Bernhard Müller, stellvertretender Chef der Regionalpolizei Zofingen AG, die den Polizeieinsatz durchführte, will zum konkreten Fall keine Stellung nehmen. Generell achte die Polizei aber bei «Heimrückführungen darauf, dass Leute mit entsprechender Fachkompetenz» eingesetzt würden.

Die Gerichte im Kanton Aargau, die in dem Fall entschieden, sagen, ein polizeilicher Einsatz komme nur in Frage, «wenn eine Fremdplatzierung anderweitig nicht umsetzbar und der Beizug der Polizei zum Schutz des Kindes unausweichlich ist».

Behörden wollen Kontakt verbieten

Heute darf Anna Schmid Kevin pro Woche maximal zwei Stunden sehen. Mutter und Sohn sind verzweifelt. Die Behörden werfen Anna Schmid vor, sie würde ihren Sohn gegen die Fremdbetreuung «aufhetzen». Deshalb fordern sie eine Kontaktsperre.

Vielleicht kann Kevin an Weihnachten nach Hause kommen, für ein paar Tage. Es ist die Hoffnung, die Anna Schmid antreibt.

Doch sie ahnt: Der Kampf wird weitergehen, vielleicht so lange, bis Kevin 18 ist – und ihm keine Behörde mehr verbieten kann, bei seiner Mutter zu leben. Sie sagt: «Wir müssen diesen Wahnsinn stoppen.»

*Namen geändert


Blick.ch


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"Wenn Unrecht zu Recht wird, wird WIDERSTAND zur Pflicht!"
Veröffentlicht unter Allgemein, KESB - Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden, Widerstand