Interpellation „KESB im Thurgau; eine zielführende Umsetzung des Bundesrechts?

Das neue Kindes- und Erwachsenenschutzrecht ist nach fast 20-jähriger Vorbereitung am 1. Januar 2013 in Kraft getreten. Mit dem neuen Recht soll die Menschenwürde von Personen mit vorübergehenden oder dauernden Schwächezuständen und daraus resultierender Schutzbedürftigkeit gewährleistet- und das Selbstbestimmungsrecht soweit als möglich erhalten und gefördert werden. Der Vorsorgeauftrag und die Patientenverfügung, ein massgeschneidertes System von behördlichen Massnahmen und die Professionalisierung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) sind die zentralen Leitideen. Mit der Umsetzung des revidierten Vormundschafts-, bzw. Kindes- und Erwachsenenschutzgesetzes sind die Gemeinden nur noch für den Vollzug des Rechts zuständig, nicht mehr aber für die Anordnung von Massnahmen. Zumeist wurden Regionale Berufsbeistandschaften als Zweckverbände gegründet, um den Vollzug sicherzustellen. Nach dem Start wurden die KESB im ganzen Kanton mit Gefährdungsmeldungen eingedeckt. In der Folge wurden derart viele Massnahmen angeordnet, dass sich die Gemeinden gezwungen sahen, die Stellenetats der Berufsbeistandschaften zu erhöhen. Die Berufsbeistandschaften befinden sich regelrecht zwischen Hammer und Ambos. Die Gemeinden sind sehr zurückhaltend, die Stellenetats aufzustocken, obwohl sie gemäss § 78 der Verordnung des Obergerichts dazu verpflichtet sind, gleichzeitig sind die Beistände dazu verpflichtet (Art. 400 Abs. 1 ZGB) mit der erforderlichen Zeit, die Anordnungen der KESB durchzuführen. Tun sie dies nicht, haften sie. Der Grundsatz der Finanzpolitik „wer zahlt, befiehlt und wer befiehlt, zahlt“ gilt hier nicht. Hinzu kommt die personelle Ausgestaltung der KESB. Gewählte KESB-Mitglieder waren überfordert, wurden krank und verliessen unter grossen Kostenfolgen für den Steuerzahler das Amt. Ausserdem sind die Anordnungen der Massnahmen der KESB derart umschweifend und ausführlich, dass eine riesige Bürokratie produziert wird.

Dies und viele weitere Schwachpunkte in der neuen KESB-Regelung veranlassen mich zu folgenden Fragen:

  1. Ist die Einführung der neuen KESB und des Kindes- und Erwachsenenschutzrechtes nach Ansicht der Regierungsrates im Thurgau zufriedenstellend verlaufen?
  2. Wie hat sich die Zahl der angeordneten Massnahmen in den beiden Jahren vor und im ersten Jahr nach Einführung der KESB entwickelt? Wie begründet der Regierungsrat diese Entwicklung?
  3. Wie hoch war der Aufwand für die KESB inkl. Personalkosten im Jahr 2013?
  4. Erachtet es der Regierungsrat nicht auch als stossend, dass der Grundsatz „Wer zahlt, befiehlt und wer befiehlt, zahlt“ im Bereich der KESB nicht umgesetzt wird?
  5. Sieht der Regierungsrat das Problem, dass Regionale Berufsbeistandschaften in einer Sandwich-Funktion zwischen teilweise bürokratischen Anordnungen der KESB und zurückhaltendem Stellenetat der Gemeinden sind?
  6. Gedenkt der Regierungsrat Richtlinien zu erlassen, um sicher zu stellen, dass den Berufsbeistandschaften genügend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um die Arbeitsbelastung zu bewältigen? Wo sind die Grenzen der Belastung, Mandatszahl? Welche Vorgaben gelten (KOKES, Berufsverband SVBB)?
  7. Wie werden die Gemeinden unterstützt in der Ressourcengenerierung? Wäre es im Sinne einer Umsetzung der finanziellen Verantwortung aus einer Hand nicht konsequent, wenn die Berufsbeistandschaften dem Kanton angegliedert würden?
  8. Falls Nein, Ist der Regierungsrat bereit einen Fonds zu äufnen, um die Finanzierung und die Durchführung von behördlich angeordneten Kindesschutzmassnahmen mit Kostenfolge zu gewährleisten?
  9. Im Kanton Schaffhausen wurde eine Motion überwiesen, die die Kosten für die Fremdplazierungen zu 50 % dem Kanton auferlegt, weil die KESB Fremdplazierungen anordnet, auf die die Gemeinden keinen Einfluss haben. Würde der Kanton eine solche Regelung ebenfalls gutheissen?
  10. Wie beurteilt der Regierungsrat den Umstand, dass die KESB für Personen, die bereits durch einen öffentlichen Sozialdienst betreut und begleitet werden, zusätzlich eine Beistandschaft anordnet und damit der öffentlichen Verwaltung Doppelbetreuungen auflastet?
  11. Begrüsst der Regierungsrat die gängige Praxis, teure externe Berater für Abklärungen zuzuziehen, anstatt das Wissen lokaler Amtsträger zu nutzen (Horrende Spesen und Ansätze)?
  12. Die KESB-Entscheide, Erwägungen, Begründungen und Massnahmen sind derart bürokratisch und umfangreich abgefasst, dass massive Mehrkosten auf die öffentliche Hand zukommen. Wäre es nach Ansicht des Regierungsrates nicht möglich, weniger bürokratisch zu agieren, um dem ZGB zu entsprechen?
  13. Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass aufgrund der horrenden Anforderungen an private Mandatsträger immer weniger diese Aufgabe wahrnehmen, was zu massiven Mehrkosten für die öffentliche Hand führt?
  14. Legt der Regierungsrat in Zukunft mehr Wert darauf, Personal mit Praxiserfahrung im Vormundschafts- bzw. Kindes- und Erwachsenenschutzrecht für die KESB zu finden? Wird dabei auch auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis geschaut?

 

Dem Regierungsrat wird im Voraus für die Beantwortung der Fragen gedankt.

 

Weinfelden, 26. März 2013

 

Max Brunner


SVP Thurgau


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"Wenn Unrecht zu Recht wird, wird WIDERSTAND zur Pflicht!"
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