Mehrheitswahlrecht gegen Verhältniswahlrecht

Darüber, mit welchem Wahlsystem eine gerechte Vertretung des Volkes, die Auswahl der besten VolksvertreterInnen sowie stabile politische Verhältnisse gewährleistet werden können, gehen die Meinungen auseinander. Grundsätzlich gibt es zwei Wahlsysteme, die beide sowohl Vorteile als auch Nachteile aufweisen:

Majorzsystem [Mehrheitswahlrecht]
Majorz, auch Majorzwahl oder Mehrheitswahl, bezeichnet in der Schweiz ein Wahlsystem, bei dem der Kandidat gewählt ist, der die Mehrheit der Stimmen erhält. Kandidaten treten als Einzelpersonen an, werden aber meisten von einer Partei nominiert und unterstützt.

Die Mehrheit der Stimmen wird unterschiedlich festgelegt:

  • Absolutes Mehr: Gewählt ist, wer die Hälfte der abgegebenen Stimmen plus eine erhält. Es gibt Wahlen, wie z.B. die Bundesratswahl durch die vereinigte Bundesversammlung, bei denen das absolute Mehr zwingend erreicht werden muss. Das bedeutet, es gibt so viele Wahlgänge, bis einer das absolute Mehr erreicht hat. Dabei scheidet nach jedem Wahlgang der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus. Es gibt andere Wahlen, z.B. Wahl des Ständerates, bei denen muss das absolute Mehr im ersten Wahlgang erreicht sein. Erreicht kein Ständerat das absolute Mehr, was meistens der Fall ist, so wird ein zweiter Wahlgang durchgeführt, bei dem das relative Mehr genügt.
  • Relatives Mehr: Gewählt ist, wer am meisten Stimmen erhält. Bei drei oder mehr Kandidaten kann man so auch mit weniger als 50% der Stimmen gewählt werden. Beispiel: Erhält Kandidat A 40% der Stimmen, Kandidat B 35% und Kandidat C 25%, so ist Kandidat A gewählt.
    Dieses System gilt z.B. bei den Nationalratswahlen in Kantonen, die nur einen Nationalrat stellen können (UR, OW, NW, GL, AI).
  • Qualifiziertes Mehr: Häufiger bei Abstimmungen als bei Wahlen kann ein qualifiziertes Mehr vorgeschrieben sein. Das heisst, es muss ein besonders festgelegter Stimmenanteil z.B. Zweidrittelmehrheit, erreicht werden.

Vorteil der Majorzwahl ist, dass in den gewählten Behörden eindeutige Mehrheiten herrschen (z.B. nur vier Parteien im Bundesrat anstelle von sieben theoretisch möglichen), die sich auf die Mehrheit der Wähler berufen können und so eine grosse Stabilität erreicht wird. Nachteil des Majorzwahl ist, dass kleine Parteien oft kaum eine Chance haben, gewählt zu werden.


Das absolute Mehr bei einer Wahl oder Abstimmung ist erreicht, wenn man mindestens die Hälfte der abgegebenen, gültigen Stimmen plus eine Stimme erhält. Dabei werden in Schweiz leere und ungültige Stimmen nicht zum Total der abgegebenen Stimmen hinzugerechnet. Bei einer ungeraden Anzahl gültiger Stimmen muss mindestens die nächst höhere Zahl der Hälfte erreicht werden.


Proporzsystem [Verhältniswahlrecht]
Proporz, auch Proporzwahl oder Verhältniswahl, bezeichnet in der Schweiz den bei den Nationalratswahlen geltende Wahlmechanismus. Dabei werden nicht Kandidierende direkt gewählt, sondern man wählt Listen (meist Parteien). Die zur Verfügung stehenden 200 Sitze des Nationalrates werden dann gemäss den Wähleranteilen der Listen auf die einzelnen Listen verteilt. Erhält also eine Liste beispielsweise 20% der Stimmen, so erhält die Liste 40 Sitze. Erst anschliessend werden die Sitze unter den Kandidaten, welche auf dieser Liste kandidieren, verteilt. Diejenigen Kandidaten, die innerhalb der Liste am meisten Stimmen erhalten haben, bekommen die Sitze.
Der Vorteil dieses Wahlsystems gegenüber der Mehrheitswahl (Majorzwahl) ist, dass auch kleinere Parteien Einzug ins Parlament erhalten und politisch mitwirken können.

In der Schweiz hat der Wähler zwei Möglichkeiten die vorgegeben Listen abzuändern:

  • Kumulieren: Kumulieren bedeutet, den gleichen Namen auf der gleichen Liste zweimal aufzuschreiben. Das heisst, dass der kumulierte Kandidat somit zwei Stimmen erhält. Man kann dabei auch mehrere Kandidatinnen und Kandidaten kumulieren.
  • Panaschieren: Panaschieren bedeutet, auf einer Liste einen Namen zu streichen und den Namen einer Kandidatin oder eines Kandidaten einer anderen Liste einzusetzen. Gleichzeitiges und mehrmaliges Panaschieren und Kumulieren sind erlaubt. Schreibt man aber einen fremden Kandidaten auf die Liste, so entzieht man der Liste eine Listenstimme und schwächt die Liste. Das heisst, die Liste erhält bei der Zuteilung der Sitze auf die Listen eine Stimme weniger, dafür erhält die ursprüngliche Liste des Kandidaten eine zusätzliche Listenstimme.

Bei den Schweizer Nationalratswahlen werden die Listen nicht schweizweit, sondern nach Kantonen (jeder Kanton und Halbkanton bildet einen Wahlkreis) gewählt. Das heisst, die 200 Sitze werden auf die Kantone im Verhältnis zu ihrer Wohnbevölkerung verteilt und jeder Kanton wählt nachher seine Sitze im Proporzwahlsystem. Jeder Kanton Wahlkreis (Kanton) hat dabei Anspruch auf mindestens einen Sitz. In den Kantonen GL, AI, OW, NW und UR ist keine Proporzwahl möglich, da diese nur je einen Volksvertreter haben. Dort wird die Majorzwahl angewendet.
Auch die meisten Kantons- und Gemeindeparlamente werden durch die Proporzwahl bestimmt.


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"Wenn Unrecht zu Recht wird, wird WIDERSTAND zur Pflicht!"
Veröffentlicht unter Allgemein, Gesetz, Politik, Staat