Gemeinde Wald: Notbudget

Die Walder wollen nicht mehr Steuern zahlen. Nach einer hitzigen Diskussion um Prioritäten, Mut und Strategie schickten die Stimmbürger das Budget samt Steuerfusserhöhung bachab.

Tumultartige Szenen ereignen sich im «Schwert»­Saal in Wald, als die Stimmbürger über den Rückweisungsantrag zum Budget abstimmen. Rufe schallen durch den Raum. Der Zeitpunkt, sich zu äussern, ist sichtlich schlecht, denn zahlreiche Hände sind erhoben, die Stimmenzähler gehen durch die Reihen. «Wollen Sie sich zum Geschäft noch äussern? Wenn ja, dann kommen Sie nach vorn», sagt Gemeindepräsident Ernst Kocher (SVP). Die Stimmbürger verneinen. Viele der 194 erschienenen Stimmberechtigten erheben nochmals ihre Hände. «Für was stimmen wir jetzt ab, für die Rückweisung oder für die Genehmigung des Budgets?», fragt ein Bürger im Publikum. Die Augen vieler Walder verdrehen sich, sie nehmen genervt die Hände runter. Kocher erklärt dreimal die Abstimmungsregeln, bevor es weitergeht. Was sich am Dienstagabend im «Schwert»­Saal in Wald abspielt, ist weniger ein Abstimmungskrimi als viel mehr eine Komödie. Das Resultat der Walder Gemeindeversammlung hat jedoch einschneidende Folgen. Das Stimmvolk weist das Budget 2017 samt Steuerfusserhöhung von 119 auf 122 Prozent und den Stellenplan mit 101 zu 77 Stimmen zurück.

Weitere Verschuldung

Im Vorfeld versucht Finanzvorstand Urs Cathrein (FDP), den Stimmbürgern das Budget und den Steuerfuss schmackhaft zu machen. «Damit wir unsere Investitionen von 8,5 Millionen Franken abdecken können, oh­ ne uns weiter zu verschulden, müssen wir den Steuerfuss anheben.» Bei einem Steuerfuss von 122 Prozent rechnet der Gemeinderat mit einem Gewinn von 107 000 Franken, bei einem gleichbleibenden Steuerfuss von 119 Prozent mit einem Minus von 350 000 Franken. «Der höhere Steuerfuss würde uns in zwei Jahren helfen. Dann würden wir mehr aus dem Finanzausgleich erhalten», so Cathrein.

Für die Walder mache diese Erhöhung nicht viel aus. «Eine Einzelperson mit einem steuerbaren Einkommen von 60 000 Franken muss mit 85 Franken mehr Steuerabgaben rechnen.» Ein Ehepaar mit 100 000 Franken Einkommen zahle etwa 150 Franken mehr. Markus Stalder (SVP), Vizepräsident der Rechnungsprüfungskommission (RPK), empfiehlt, das Budget anzunehmen. «Welche andere Gemeinde in der Region bietet ein Hallenbad und ein Freibad, ein Wandergebiet, Naherholungsgebiet und vergleichbares Sport­ und Freizeitangebot?», fragt er. All diese Vorzüge bedeuten auch Kosten. Der Aufwand von Wald sei grösser als bei einer Gemeinde im Flachland. «Was ist uns dieser Luxus Wert, müssen wir uns fragen», sagt Stalder. Es brauche nun mutige Entscheide und unkonventionelle Lösungen.

Mutig sein

An dieses Votum knüpft Stefan Schweingruber, Präsident der FDP Wald, an. «Die Einnahmen durch höhere Steuern zu erhöhen, ist der bequemste Weg. Wir müssen mutig sein und einen anderen Weg wählen.» Die Gemeinde müsse Prioritäten setzen und eine Zehnjahresplanung erstellen. «Ist ein Unterflursystem für die Abfallsammlung wirklich nötig, braucht es drei SchulsozialarbeiterDas Projekt «Walder Online Chronik» für 65 000 Franken sei schön und gut, «aber nur, wenn man es sich leisten kann», sagt Schweingruber. Es fehle eine klare Planung. Der FDP­ Mann spricht sich gegen die Annahme des höheren Steuerfusses aus. Gleich tun es ihm Franz Holenstein aus Neuthal und Silvia Schoch Keller aus Raad. Sie bemängeln, dass die Gemeinde zu viele Leute anstelle.

Einige Rückweisungsanträge

Gabriella Meyer, Präsidentin des Unternehmerclubs Wald, fordert vom Gemeinderat eine Darstellung aller Kosten, die in den nächsten zehn Jahren auf die Gemeinde zukommen werden, und beantragt, den Steuerfuss von 122 Prozent abzulehnen. Andreas Honegger verlangt ebenso, dass der Steuerfuss und das Budget zurückgewiesen werden. «Mir fehlen die Strategie des Gemeinderats und die Priorisierung der Projekte», sagt Andreas Kindlimann. Nach einer mehr als einstündigen Debatte sagt das Stimmvolk Nein zum Budget und dem höheren Steuerfuss. Der Gemeinderat hat bis im März Zeit, einen neuen Voranschlag auszuarbeiten. Bis dahin tritt ein Notbudget in Kraft. Besser ergeht es den restlichen drei Anträgen. Das Stimmvolk gibt allen grünes Licht. Es bewilligt den Gegenvorschlag des Gemeinderats zum Weiterbetrieb der Kinderkrippe durch den Verein Nokimuz. Der Verein erhält nun jährlich einen Zustupf über 20 000 Franken und eine maximale Defizitgarantie von 35 000 Franken pro Jahr. Ein Ja gibt es auch für den Projektierungskredit für die Sanierung und Erweiterung des Kindergartens Jonastrasse von 220 000 Franken. Der Verkauf des Mehrfamilienhauses an der Binzholzstrasse 12 für 1,65 Millionen Franken wird ebenso besiegelt. «Wer garantiert uns, dass wir hier wohnen bleiben können?», gibt Werni Schaufelberger, der seit 30 Jahren in der Liegenschaft lebt, zu bedenken. Stadler von der RPK versucht, zu entwarnen: «Ich kenne den Käufer, er ist ein Maler aus Grüningen und hat schon zwei Liegenschaften in Laupen und Wald gekauft und renoviert. Ich bin überzeugt, dass er das Haus nicht abreissen wird.»

(Von Sibylle Egloff)


PDF mit freundlicher Genehmigung der © Zürcher Oberland Medien AG

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Veröffentlicht unter Allgemein, Einkommensteuer, Finanzen, Gesetz, Politik, Staat, Widerstand
One comment on “Gemeinde Wald: Notbudget
  1. WIDERSTAND sagt:

    Sehr geehrter Gemeinderat Wald,

    Ein Notbudget ist doch gar nicht so schlimm… :-)
    Es gibt nämlich in diesem Land sehr viele Menschen die einfach mit einem NOTBUDGET zu leben haben! Tatsächlich ist es aber allerhöchste Zeit zu sparen! Jeder Privathaushalt hat sein Budget und wenn ich z.b nicht mehr Geld zur Verfügung habe, so kann ich auch nicht mehr Geld ausgeben (Natürlich ohne Kredit und Verschuldung)! Ich erwarte daher als einfacher Bürger – Selbstverständlich von der Gemeinde Wald – Für heute und für die Zukunft, einen sorgfältigen und verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergelder! Ehrlichkeit und Transparenz über die effektiven und wahren Kosten. Wir haben in der Vergangenheit schon über viele Geschäfte abgestimmt, obwohl wir eigentlich gar kein Geld dafür zu Verfügung hätten. Dieses verhalten ist be­denk­lich und besorgniserregend.

    Hochachtungsvoll

    Jean-Pierre Morf