Verzweifelte Mutter macht Kindern Angst


Von Hans Ulrich Schaad.
Eine Mutter mit einer Gewehrattrappe hat vor der Primarschule Kappelenring für einen Schreckmoment gesorgt. Eltern sind verunsichert. Für die Mutter war die Aktion ein Hilferuf.

Mit diesem gebastelten Gewehr kreuzte die Mutter beim Schulhaus Hinterkappelen auf und sorgte für Aufregung. Bild: zvg

Aufregung am letzten Freitagmorgen vor der Primarschule im Kappelenring. Ein Mutter begleitete ihre Söhne in die Schule. Dabei hatte sie eine Gewehrattrappe. Dieser Auftritt löste bei vielen Kinder Angst aus. Nicht alle erkannten, dass es keine echte Waffe war. Eine Polizistin, die für Verkehrsunterricht anwesend war, alarmierte sofort ihre Kollegen.

Schon in ihrer Meldung war von einer Attrappe die Rede. Die Polizisten sprachen die Frau an und stellten die Waffe sicher. Sie nahmen sie auf den Posten mit, liessen sie noch am Vormittag laufen. Die Polizei klärt nun die Hintergründe des Vorfalls ab. Sie hat auch die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) informiert.

Am Montag brachten alle Kinder ein Schreiben nach Hause, unterschrieben von Wohlens Gemeindepräsident Bänz Müller (SPplus) und der Schulleitung. Darin wird der Vorfall kurz beschrieben und erwähnt, dass «zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung der anderen Schulkinder oder Lehrpersonen» bestanden habe. Es werden auch die Telefonnummern des Schulsozialarbeiters und der Erziehungsberatung Bern aufgeführt für den Fall, dass Verunsicherung bleibe.

Mit dieser Information geben sich nicht alle Eltern zufrieden. Der Vorfall beschäftigt sie. In verschiedenen Briefen und Mails an die Schulleitung, die dieser Zeitung vorliegen, geben sie sich besorgt. Die Mitteilung sei ungenügend.

Die Eltern erwarten zudem, dass der Vorfall im Unterricht thematisiert werde, man könne nicht zum Alltag zurückkehren. Sie fragen auch, was die Schule gedenke zu unternehmen, um weitere solche Situationen zu verhindern. Die Schulleitung schaue bei Problemen wie Mobbing zu wenig genau hin.

Fühlt sich im Stich gelassen

Die Mutter* hat sich bei der Berner Zeitung gemeldet und ihre Sicht der Dinge geschildert. Ihre beiden Söhne, vor allem der ältere (9), würden seit mehreren Jahren von Mitschülern gemobbt. Er werde auf dem Schulweg übel beleidigt und provoziert. Wenn er reagiere und sich wehre, komme es schon mal zu einer Schlägerei, wo er keine Hilfe von Kameraden erhält. Sie habe bei der Schulleitung interveniert, passiert sei aber nichts. Die Eltern seien verantwortlich für den Schulweg, sei ihr beschieden worden.

Das Fass zum Überlaufen gebracht habe ein Zwischenfall ein paar Tage zuvor. Ein Vater habe den Neunjährigen gepackt und ihm einen Tritt versetzt, erzählt die Frau. Eine Wunde sei deutlich sichtbar. «Ich werde den Mann anzeigen, dieses Verhalten ist inakzeptabel», sagt die Mutter. Die Hausärztin hat ihr geraten, sich bei der Kinderschutzgruppe des Inselspitals Bern wegen des Fusstritts zu melden.

Bodyguard für Söhne

Weil sie sich von der Schule im Stich gelassen fühlte, griff sie zum ungewöhnlichen Mittel des Begleitschutzes. Am Donnerstag kleidete sie sich in Lederkluft als Rockerlady. Für den Freitag bastelte sie sich aus einer Wasserpistole, Karton, Legos und Küchenutensilien die Attrappe. «Einigen habe ich gesagt, dass es eine Attrappe ist, einige haben es selber gemerkt, bei anderen ist es recht eingefahren

Das habe sie in Kauf genommen und trage damit die Konsequenzen. Es sei ihr nicht nur um die eigene Sache gegangen: «Mobbing ist ein Thema, aber viele schauen weg.» Die Täter kämen ungeschoren davon, die Problematik werde auf die Opferfamilien abgewälzt. Die Situation sei so schlimm geworden, dass sie mit der Familie aus Hinterkappelen wegziehen werde.

Hilferuf gehört

Die Schulleitung will zum Vorfall keine Stellung nehmen und verweist an Gemeindepräsident Müller. «Wir haben den Hilferuf verstanden. Wir kehren nicht einfach zur Tagesordnung zurück.» Die Frau kann mit einer Unterstützung in dieser schwierigen Situation rechnen. Der Sozialdienst und die Schulleitung seien gefordert und müssten der Sache auf den Grund gehen.

Die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde hat inzwischen eine Gefährdungsmeldung gemacht, ob die Mutter mit ihrer Aufgabe nicht überfordert sei. «Der Sozialdienst hat von der Kesb einen Abklärungsauftrag erhalten, welcher nun sehr schnell ausgeführt wird», sagt Müller. Auch ohne diesen Auftrag wäre der Sozialdienst aktiv geworden. Ob und wie die Schule auf den Vorfall reagiere liege in der Kompetenz der Schulleitung.

Die Mutter stellt einige Bemerkungen in der Gefährdungsmeldung infrage. So ist sie sich nicht bewusst, jemals ein echtes Hilfsangebot erhalten zu haben, obwohl sie ihre Verzweiflung wegen des Mobbings kundgetan hatte.

*Name der Redaktion bekannt (Berner Zeitung)


Bernerzeitung.ch


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"Wenn Unrecht zu Recht wird, wird WIDERSTAND zur Pflicht!"
Veröffentlicht unter Allgemein, KESB - Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden