Eine Umfrage zeigt: Getrennte Eltern, die ihre Kinder abwechselnd bei sich zuhause betreuen, sind zufriedener als jene, deren Nachwuchs nur bei einem Elternteil lebt.
von Marco Lüssi
Das Portal Singlemitkind.ch, das getrennte Eltern bei der Partnersuche unterstützt, hat seine User nach dem Familienmodell befragt, das sie leben – und danach, wie zufrieden sie damit sind. Als häufigste Lebensform ging aus der Umfrage mit rund 350 Teilnehmern das sogenannte Residenzmodell hervor: Die Kinder leben dauerhaft beim einen Elternteil, der andere hat Besuchsrecht.
Gleichzeitig ist es jedoch jenes Modell, bei dem die Zufriedenheitsrate mit 60 Prozent am geringsten ist. Gründe dafür gebe es bei beiden Elternteilen, sagt Sandro Principe, Mitgründer von Singlemitkind.ch: «Die Person, bei der die Kinder leben, glaubt oft, die ganze Verantwortung allein schultern zu müssen, und fühlt sich vom Ex-Partner im Stich gelassen.» Zudem bleibe diesem Elternteil wegen der Kinderbetreuungsaufgaben wenig Freizeit.
Wer sich abwechselt, ist zufriedener
Der Elternteil, der seine Kinder nur an Besuchstagen sieht, halte es oft für unbefriedigend, dass er im Alltag zu wenig Zeit mit seinem Nachwuchs verbringen kann und zu wenig Einfluss auf dessen Erziehung habe.
Glücklicher sind jene Eltern, deren Kinder abwechslungsweise beim einen und beim anderen Elternteil leben: Mit diesem Wechselmodell sind gemäss der Umfrage fast 90 Prozent der Betroffenen zufrieden. Principe: «Bei diesem Modell fühlen sich beide Teile als vollwertige Eltern, können viel Zeit mit ihren Kindern verbringen und haben dennoch Zeit für sich.»
Hinzu komme, dass getrennte Eltern, die sich auf ein solches Modell einigen könnten, tendenziell ein gutes Verhältnis zueinander hätten, was sich an sich schon positiv auswirke. «Umsetzbar ist das Modell aber nur, wenn beide Elternteile so nahe voneinander entfernt leben, dass die Kinder trotz wechselndem Wohnort dieselbe Schule besuchen können.»
Das Nestmodell als Luxusvariante
Eine ebenso hohe Zufriedenheitsrate wie das Wechselmodell erzielt das Nestmodell: Die Kinder leben dauerhaft in einer Familienwohnung, während Vater und Mutter je noch über eine eigene Wohnung verfügen. Jeder Elternteil zieht immer dann in die Familienwohnung, wenn er mit der Kinderbetreuung an der Reihe ist.
Häufig ist das Nestmodell jedoch nicht – nur vier Prozent der Befragten leben es. Die Gründe dafür könnten finanzieller Natur sein. Principe: «Dieses Modell muss man sich leisten können, da die Eltern dafür die Miete für drei Haushalte aufbringen müssen.»
«Kindern geht es gut, wenn Eltern zufrieden sind»
Mit welchem Modell die betroffenen Kinder am zufriedensten sind, hat die Umfrage nicht erfasst. Für Oliver Hunziker, Präsident des Vereins verantwortungsvoller Väter und Mütter VeV, ist jedoch klar: «Den Kindern geht es dann gut, wenn ihre Eltern mit ihrer Lebenssituation zufrieden sind.» Dass es für Trennungskinder das Beste sei, wenn sie abwechselnd bei beiden Elternteilen leben, würden auch zahlreiche wissenschaftliche Studien beweisen. «Dies ist in den meisten Fällen selbst dann umsetzbar, wenn die Eltern kein besonders gutes Verhältnis zueinander haben oder wenn ein Elternteil Vollzeit arbeitet.»
Die Einführung des gemeinsamen Sorgerechts im Regelfall helfe entscheidend mit, vom Residenzmodell wegzukommen, das in der Schweiz noch immer zu verbreitet sei –«obwohl es meist für beide Elternteile unbefriedigend ist». Das Nestmodell hingegen sieht Hunziker als kurzfristige Lösung für die erste Zeit nach der Trennung. «Längerfristig ist es zu teuer, und sobald ein Elternteil mit einem neuen Partner zusammenlebt, ist es nicht mehr praktikabel.»