“Nach dem Aufstand des 17. Juni 1953 liess der Sekretär des Schriftstellerverbands in der Stalinallee Flugblätter verteilen auf denen zu lesen war, daß das Volk Das Vertrauen der Regierung verscherzt habe und es nur durch verdoppelte Arbeit Zurückerobern könne. Wäre es da Nicht doch einfacher, die Regierung Löste das Volk auf und Wählte ein anderes?” Quelle: nach dem Gedicht: Die Lösung. In: Buckower Elegien, 1953. Ausgewählte Werke in sechs Bänden. Dritter Band: Gedichte 1. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1997. S. 404
Die Lösung ist ein Gedicht des deutschen Dichters und Dramatikers Bertolt Brecht. Es ist Bestandteil der Sammlung Buckower Elegien.
Inhalt
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Gedicht nimmt Bezug auf den Aufstand des 17. Juni in der DDR und berichtet von Flugblättern, die anschließend in der Stalinallee in Ost-Berlin verteilt worden seien. Diese erhoben die Forderung, die Bevölkerung müsse ihre Arbeit verdoppeln, um das Vertrauen der Regierung zurückzugewinnen. Daraufhin stellt das Gedicht die Frage, ob es nicht einfacher wäre, die Regierung löse das Volk auf und wähle sich ein neues.
Hintergrund
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 17. Juni 1953 wurden in der DDR Arbeiterproteste, die sich zunächst gegen Normerhöhungen gerichtet hatten, unter Beteiligung sowjetischer Truppen gewaltsam niedergeschlagen. Brecht bekundete in einem kurzen, aus drei Sätzen bestehenden Brief an Walter Ulbricht seine Verbundenheit mit der SED. Beim Abdruck des Briefes im Neuen Deutschland vom 21. Juni 1953 ließ man den folgenden Satz entfallen:
- „Die große Aussprache mit den Massen über das Tempo des sozialistischen Aufbaus wird zu einer Sichtung und zu einer Sicherung der sozialistischen Errungenschaften führen.“[1]
Entstehung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Am 20. Juni 1953 erschien im Neuen Deutschland ein auch als Flugblatt verbreiteter Kommentar[2] des Sekretärs des Schriftstellerverbandes, Kurt Barthel[3](Autorenkürzel:Kuba), zum Aufstand der Bauarbeiter vom 17. Juni mit den Sätzen: "Schämt ihr euch auch so, wie ich mich schäme? Da werdet ihr sehr viel und sehr gut mauern und künftig sehr klug handeln müssen, ehe euch diese Schmach vergessen wird.....Zerstörte Häuser reparieren, das ist leicht. Zerstörtes Vertrauen wieder aufrichten ist sehr, sehr schwer."[4][5]
Hierauf reagierte Brecht noch im Sommer 1953 mit seinem im Sommerhaus in Buckow verfassten Gedicht Die Lösung; er reflektierte mit Mitteln der Lyrik über die Ereignisse des 17. Juni 1953. Die Überlegung, „die Regierung solle sich ein neues Volk wählen“, hatte Brecht bereits in den 1930er Jahren in seinem Fragment gebliebenen Tui-Roman thematisiert.[6]
Veröffentlichung
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Von den Buckower Elegien veröffentlichte Brecht zu Lebzeiten nur sechs; Die Lösung war nicht darunter. Das Gedicht wurde zuerst in der Zeitung Die Welt gedruckt (1959), dann in den ersten Buchausgaben der Buckower Elegien, die 1964 in Frankfurt am Main erschienen.[7] "Die Lösung" fand zu Lebzeiten Brechts keine Veröffentlichung.[8]Helene Weigel setzte nach hartnäckigem Insistieren im Jahr 1969 dessen Aufnahme in die Gedichte Ausgabe im Aufbau-Verlag durch.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Text und Lesung des Gedichts
- Text: Bertolt Brecht auf Wikiquote
- Markus Fischer (Bukarest/Bucureşti) „Hoch über dem See fliegt ein Bomber“ – Bertolt Brechts Buckower Elegien im Kontext der deutschen Lyrik der Nachkriegszeit
- Aktionen und Reaktionen der Schriftsteller und des Deutschen Schriftstellerverbandes auf der Informationsseite www.17juni53.de der Bundeszentrale für politische Bildung
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Bertolt Brecht: Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Suhrkamp, 1988–1999, Bd. 30 S. 178
- ↑ KuBa: Wie ich mich schäme! In: Neues Deutschland, 20. Juni 1953, S. 3; Auszüge aus dem auch als Flugblatt verbreiteten Artikel in Wie ich mich schäme, DER SPIEGEL 27/1953; Werner Mittenzwei: Das Leben des Bertolt Brecht oder der Umgang mit den Welträtseln. Suhrkamp, Frankfurt/M. 1989 II S. 533
- ↑ Wer war wer in der DDR. bundesstiftung-aufarbeitung.de
- ↑ mdr.de: Bertolt Brecht und der Volksaufstand von 1953 | MDR.DE. Abgerufen am 22. September 2024.
- ↑ Kaum zu ertragen. In: Der Spiegel. 19. November 1967, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 22. September 2024]).
- ↑ Jan Knopf (Hrsg.): Brecht-Handbuch. J.B.Metzler, Stuttgart 2001, Bd. 2 S. 416 f
- ↑ Erste Veröffentlichungen von Buckower Elegien:
- Sinn und Form, Heft 6, 1953 (Auswahl, ohne Die Lösung)
- Versuche 31, Heft 13, Der kaukasische Kreidekreis, Weite und Vielfalt der realistischen Schreibweise. Die Buckower Elegien. Suhrkamp, Berlin 1954 und Aufbau, Berlin 1954 (ohne Die Lösung)
- Die Welt druckte das Gedicht am 9. Dezember 1959 „an entlegener Stelle“.
- Gedichte im Exil, Buckower Elegien. Insel-Bücherei Nr. 810, Insel, Frankfurt am Main 1964
- Gedichte, Band VII, Buckower Elegien, Gedichte im Exil, Späte Gedichte, 1947–1956. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1964
- Gedichte, Bd. VII, 1948–1956, Buckower Elegien, In Sammlungen nicht enthaltene Gedichte, Gedichte und Lieder aus Stücken. Aufbau, Berlin und Weimar 1969
- ↑ Der Verrat der Intellektuellen. 9. Juli 2023, abgerufen am 23. September 2024 (deutsch).
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