Der neue Kindes und Erwachsenenschutz sei Schuld daran, dass kleine Gemeinden vor finanziellen Problemen stehen – die Behörden wehren sich.
Die Kosten für die Sonderschulung in Fischenthal sind seit der Rechnung 2012 bis zum Voranschlag 2014 um rund eine halbe Million gestiegen. Verglichen mit dem Voranschlag 2013 mussten für das laufende Jahr in der Sozialen Wohlfahrt knapp 160’000 Franken mehr veranschlagt werden. Frappant ist vor allem der Anstieg im Bereich der Jugend. Dort musste der Gemeinderat 380’000 Franken mehr veranschlagen, als noch im Vorjahr. Zahlen, die auch an der Gemeindeversammlung von Fischenthal nicht gut angekommen sind und für Diskussionen gesorgt haben (wir berichteten).
Wie die «NZZ am Sonntag» in ihrer Ausgabe vom 24. August 2014 schreibt, sei der neue Kindes und Erwachsenenschutz Schuld an dieser Situation, die viele kleine Gemeinden vor grosse finanzielle Probleme stellen könnte. Insbesondere die gestiegene Anzahl an Heimplatzierungen führte zu kaum mehr tragbaren Kosten.
Jörg Kündig, Präsident des Zürcher Gemeindepräsidentenverbandes und Gemeindepräsident von Gossau, bestätigt gegenüber der NZZ am Sonntag die prekäre Situation: «Wir machen uns generell Sorgen über das Kostenniveau der Platzierungen.» Schwierig werde es insbesondere bei kleineren Gemeinden, die eine grosse Anzahl schwerer Fälle aufweisen, sagt Kündig weiter.
Als Landgemeinde mit günstigem, abgelegenem Wohnraum sei Fischenthal gerade für Familien mit schwierigen Verhältnissen attraktiv, weiss der Fischenthaler Gemeindeschreiber Roger Winter. In der Zwischenzeit machen die Kosten für Soziales und Sonderschulung bereits rund 87 Prozent der Steuereinnahmen aus, heisst es in der «NZZ am Sonntag» weiter. Fischenthal sei finanziell am Limit, da könne bereits eine Familie sämtliche Sparbemühungen zunichte machen, sagt Winter weiter.
Neues Gesetz in Arbeit
Beim Gemeindepräsidentenverband ist man überzeugt, das Problem seien die immer teurer werdenden Massnahmen. Eine Familienbegleitung koste rund 150 Franken pro Stunde, eine Heimplatzierung über 100’000 Franken jährlich. Kündig spricht ausserdem von einer steigenden «Anordnungfreudigkeit».
Seit vergangenem Jahr entscheiden die regionalen Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden über die zu treffenden Massnahmen. Die finanzielle Last tragen zum grössten Teil die Gemeinden.
Bei den Behörden wehrt man sich gegen diesen Vorwurf. Gegenüber der NZZ am Sonntag sagt Ruedi Winet, Präsident der Zürcher Kesb-Präsidienvereinigung, er gehe nicht davon aus, dass im Kanton Zürich die Kosten der Massnahmen infolge der Professionalisierung am Steigen seien.
Auch André Woodtli, Chef des kantonalen Amtes für Jugend- und Berufsberatung, stellt der KESB ein gutes Zeugnis aus. Man sei sehr sensibel in der Frage der finanziellen Auswirkungen ihrer Massnahmen, doch schliesslich sollte das Wohl des Kindes im Mittelpunkt stehen und finanzielle Überlegungen dürften da keine Rolle spielen.
Doch Winet versteht den Aufschrei der Gemeinden. Es sei «nicht mehr zeitgemäss», dass die Gemeinden die Lasten solcher Massnahmen selber schultern müssten. Abhilfe soll das neue Jugendheimgesetz bringen, dass zurzeit beim Kanton in Arbeit ist.
Eines der zwei zur Vernehmlassung eingegebenen Modelle sehe eine Kantonalisierung der Kosten vor. Die Gemeinden würden sich mit einem Beitrag pro Einwohner beteiligen. Auf dieses Gesetzt hofft man auch in Fischenthal, doch gegenüber der «NZZ am Sonntag» sagt «ein Behördenmitglied» nur: «Die Kosten bleiben am Steuerzahler hängen.» Am Grundproblem ändere das nichts.
500’000 Fr. Sozialhilfe:
Grossfamilie stürzt Zürcher Gemeinde in den Ruin
ZÜRICH – Eine kleine Zürcher Gemeinde kämpft gegen den Bankrott: Die Sozialkosten für eine Grossfamilie laufen aus dem Ruder.
Nachdem kürzlich eine Grossfamilie zugezogen ist, herrscht in einer kleinen Zürcher Gemeinde Finanz-Alarm. Es geht um eine einzige Familie, aber die Gemeinde, die nicht genannt werden will, ist finanziell am Anschlag!
Die Mutter sei völlig überfordert, berichtet die «NZZ am Sonntag». Sie braucht nicht nur allgemeine Sozialhilfe. Für ihre Kinder braucht es «mehrere Heimplatzierungen».
Die Folgen: Der Gemeinde entstehen Kosten von rund einer halben Million Franken jährlich. Dies bei Steuereinnahmen von gerade mal zwei Millionen. Damit droht allen arbeitenden Einwohnern eine Steuererhöung.
Das ist kein Einzelfall. In einer anderen kleinen Zürcher Gemeinde, Fischenthal, machen, so die «NZZ am Sonntag», «die Kosten für Soziales und Sonderschulung inzwischen schon 87 Prozent der Steuereinnahmen aus».
Gemeindeschreiber Roger Winter klagt, der Zuzug einer einzigen Familie habe kürzlich sämtliche Sparbemühungen wieder zunichte gemacht: «Wir sind finanziell am Limit.»
Die Gemeinden fühlen sich im Stich gelassen. Die Lösung könnte das neue kantonale Jugendheimgesetz bringen, das derzeit ausgearbeitet wird. Mit diesem würde der Kanton an den Kosten beteiligt.