Knipsende Väter sind in der Schule unerwünscht


ADORF. Die Schule Aadorf verbietet Eltern, ihre Kinder im Schulzimmer zu filmen oder zu fotografieren. So soll verhindert werden, dass Bilder der Schüler unerlaubt im Internet landen. Die Reaktionen auf dieses Verbot gehen auseinander.

An Schulbesuchstagen will sich jeder Schüler von seiner besten Seite zeigen. Ungünstig, wenn unter den Augen der Eltern eine falsche Antwort herausrutscht. Noch ungünstiger ist es, wenn die Szene ungefragt im Internet landet und die ganze Welt Zugriff darauf hat. Unter anderem solche Fälle wollen die Aadorfer Schulbehörden nun vermeiden. Deshalb verbieten sie den Eltern ab dem neuen Schuljahr, jegliche Film- oder Fotoaufnahmen im Klassenzimmer zu machen.

Symptombekämpfung

Für Jürg Schenkel, Präsident der Schule Kreuzlingen, ist das lediglich Symptombekämpfung: «Ich möchte Aadorf nicht kritisieren, denke aber, dass ein generelles Verbot von Video- und Filmaufnahmen im Klassenzimmer nicht wirksam ist.»

Der Umgang mit den modernen Kommunikationsplattformen wie YouTube, Facebook oder WhatsApp sei komplex, und kaum jemand könne sich heute dagegen verwehren oder Inhalte kontrollieren. Umso wichtiger sei der präventive Gedanke. Die Eltern der Kreuzlinger Schüler unterschreiben eine Charta, welche sie auf die gesetzlichen Folgen bei Missbrauch von Fotos und Videos aufmerksam macht. «Ich appelliere deshalb daran, dass die Eltern rechtmässig mit Aufnahmen der Kinder umgehen.»

Pausenhof ist nicht betroffen

Bei der Primarschule Weinfelden gab es laut Präsident Thomas Wieland noch nie Anlass zu ähnlichen Massnahmen wie in Aadorf. «Man müsste dann ja auch den Kindern auf dem Schulplatz verbieten, andere Schüler zu fotografieren», sagt Wieland. Doch den Pausenhof schliesst auch Aadorf klar von der Regelung aus: «Das würde zu weit führen», sagt Schulpräsident Martin Köstli.

Aadorf ist die erste Schule im Kanton Thurgau, welche durch ein Film- und Fotografieverbot im Schulzimmer von sich reden macht. Er habe mit einigen Eltern über die Problematik gesprochen, dies habe ihn darin bekräftigt, das Verbot in die Hausordnung aufzunehmen. «Wir wollen den Lehrern somit den Rücken stärken, falls die Eltern mit Unverständnis reagieren», sagt Köstli.

Verhältnismässige Lösung

Die Ausgestaltung der Hausordnung ist Sache der Schulen. Erst wenn sie gegen übergeordnetes Recht verstossen, interveniert der Kanton. Dies sei hier nicht der Fall, sagt Marcel Volkart, Leiter vom Rechtsdienst des Departements für Erziehung und Kultur: «Es gibt keinen Rechtsanspruch auf Bilder oder Videos von Schülern im Schulzimmer. Die Lösung von Aadorf ist verhältnismässig.»

Der Rechtsdienst bietet in diesem Zusammenhang Weiterbildungen für die Schulen an. Immer wieder sei auch ein Thema, ob die Schule Klassenfotos im Internet veröffentlichen darf. «Wir vertreten die Ansicht, dass die Eltern ihr Einverständnis zur Veröffentlichung auf der Internetseite der Schule geben müssen», sagt Marcel Volkart. Die Schulen seien im Thurgau sensibilisiert.

«Es macht mich wütend»

Mit dem Thema moderne Medien beschäftigt sich auch Christina Bernold regelmässig. Sie ist Präsidentin des Elternvereins Frauenfeld und hat selbst Kinder im Schulalter: «Es macht mich wütend, dass wegen ein paar Eltern, die sich offenbar nicht richtig verhalten haben, jetzt alle gestraft werden.» Auch sie habe zu Beginn des letzten Schuljahres ihre Tochter ins Klassenzimmer begleitet und ein paar Fotos geknipst. Trotz vorhandenem Facebook-Konto würde sie aber nie Bilder ihrer Kinder online stellen: «Als Mutter muss ich doch mein Kind vor den Gefahren des Internets schützen. Wenn sie dann reif genug für eigene Entscheidungen sind, ist das etwas anderes.»

Ob das Aadorfer Verbot durchgesetzt werden kann und ob sich die Eltern daran halten werden, wird sich nach den Sommerferien zeigen.


Thurgauer Zeitung


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"Wenn Unrecht zu Recht wird, wird WIDERSTAND zur Pflicht!"
Veröffentlicht unter Allgemein, Kanton Thurgau