Was ist die Pauschalbesteuerung?
Ausländische Millionärinnen und Millionäre können auf kantonaler wie auf eidgenössischer Ebene von der Pauschalbesteuerung profitieren. Voraussetzung dafür ist, dass sie in der Schweiz keine Erwerbstätigkeit ausüben. Statt dem effektiven Einkommen und Vermögen werden sie pauschal aufgrund ihrer mutmasslichen Lebenshaltungskosten besteuert (Aufwandbesteuerung). Konkret müssen sie bloss einen Pauschalbetrag als Einkommen versteuern. Auf diesem Betrag wird ihnen der jeweilige ordentliche Steuersatz verrechnet. Bisher galt in der Regel der fünffache Mietwert ihrer Wohnung oder der doppelte Pensionspreis als Pauschaleinkommen. Mit der auf Bundesebene beschlossenen Revision vom September 2012 gilt neu der siebenfache Mietwert resp. der dreifache Pensionspreis sowie ein Mindesteinkommen von 400‘000 Franken; zudem ist in den Kantonen mindestens das Zehnfache des Pauschaleinkommens als Vermögen zu versteuern.
Wer profitiert von der Pauschalbesteuerung?
2012 profitierten gemäss einer Zusammenstellung der Finanzdirektorenkonferenz 5‘634 Multimillionäre von diesem Steuerprivileg. In den letzten Jahren hat ihre Zahl massiv zugenommen, 2006 wurden erst 3‘772 Pauschalbesteuerte gezählt. Grundsätzlich stellt es das Steuerharmonisierungsgesetz (StHG) den Kantonen frei, ob sie die Pauschalbesteuerung gesetzlich zulassen oder nicht. Seit dem Erlass des StHG im Jahr 1990 haben alle Kantone diese Steuerform zumindest auf Gesetzesebene eingeführt. Im Februar 2009 hat der Kanton Zürich eine Volksinitiative der Alternativen Liste mit 52.9% Ja angenommen und die Pauschalbesteuerung wieder abgeschafft. Die Kantone Schaffhausen (2011), Appenzell Ausserrhoden, Baselland und Baselstadt (2012) sind ihm gefolgt.
Hochburgen der Pauschalbesteuerung in der Welschschweiz und im Tessin
Als erster Kanton hat die Waadt schon 1862 die Pauschalbesteuerung als Tourismus-Fördermassnahme eingeführt, 1928 folgte Genf, 1934 der Bund. 1990, beim Erlass des StHG, kannte jedoch nur eine Minderheit welscher und Tourismus-Kantone dieses Steuer-Regime. Auch 2005 verzeichneten gemäss Bundesstatistik 11 von 23 Kantonen keine(n) einzige(n) Pauschalbesteuerte(n). Hochburgen der Pauschalbesteuerung sind Wallis, Waadt, Genf, Tessin und Graubünden: auf sie entfielen 2012 rund vier Fünftel aller Begünstigten. In diesen Kantonen macht der Steuerertrag der Pauschalbesteuerten auch über 1% der Steuereinnahmen aus.
Was bringt die Pauschalbesteuerung ein?
Im Schnitt zahlte ein Pauschalbesteuerter 2010 an Bund, Kanton und Gemeinden rund 123‘000 Franken Steuern. Zum Teil deutlich unter diesen Werten liegen Wallis und Tessin sowie eine Mehrzahl der Deutschschweizer Kantone. Die Pauschalbesteuerung erbrachte 2010 gemäss Finanzdirektorenkonferenz (FDK) total 668 Mio Franken. Gemessen an den 121.5 Milliarden Franken Steuereinnahmen von Bund, Kanton und Gemeinden sind das gerade mal 0.55%; gemessen an den Gesamteinnahmen auf allen drei Staatsebenen erbringt die Pauschalbesteuerung 0.36%.
Von Charlie Chaplin zu den Schein-Erwerbslosen
Ursprünglich war die Pauschalbesteuerung vor allem vermögenden Rentnerinnen und Rentnern vorbehalten, die ihren Lebensabend in der Schweiz verbrachten („Lex Chaplin“). Mit der Einführung der Personenfreizügigkeit wurden die Altersgrenzen fallengelassen. 2005 waren im Kanton Zürich über zwei Drittel jünger als 65 Jahre. Statt pensionierter Grössen aus Film, Musik und Sport machen immer mehr Business-Nomaden und „Schein-Erwerbslose“ vom Pauschalsteuer-Privileg Gebrauch. Bei ihnen ist es mehr als zweifelhaft, dass sie in der Schweiz keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, managen sie doch offensichtlich über hiesige Holding- und Verwaltungsgesellschaften ihre weltweiten Konzerne. Krassestes Beispiel ist der russische Oligarch Viktor Vekselberg (Renova-Holding und massgebliche Beteiligungen an Sulzer, OC Oerlikon und Züblin).
Zürich beweist: es geht auch ohne
Nach der Annahme der AL-Initiative im Februar 2009 setzte der Regierungsrat allen Pauschalbesteuerten eine Frist bis Ende 2010. Weniger als die Hälfte – 92 von 201 – Pauschalbesteuerten sind weggezogen, davon 26 ins Ausland. Über 70 Prozent zogen in andere Kantone, davon 22 in den Kanton Schwyz, 13 nach Graubünden, 6 in den Kanton Zug und 5 nach St.Gallen.
In ihren Villen wohnen jetzt regulär Steuerzahlende, die in der Regel mehr einbringen, und die Verbliebenen zahlen jetzt nach ordentlichem Steuertarif. Wie Medienberichte belegen, weinen ihnen die Finanzvorstände der betroffenen Gemeinden keine Träne nach.
Im März 2012 hat die Finanzdirektion erste Zahlen vorgelegt. 2008 zahlten die 201 Pauschalbesteuerten an Bund, Kanton und Gemeinden 25.8 Mio Franken. 2010 fielen davon wegen der inzwischen 97 Wegzügen 12.2 Mio Franken weg. Die Verbliebenen zahlten jedoch 13.8 Mio Franken mehr Steuern. Damit resultierten trotz der Wegzüge Einnahmen von 27.4 Mio Franken (+1.6 Mio Franken). Dem Vernehmen nach ist seit dieser Bilanz ein weiterer grosser Steuerzahler weggezogen, womit die Bilanz leicht negativ würde. Allerdings sind die Steuerdaten von 2012 noch provisorisch und dürften bei der definitiven Veranlagung eher nach oben korrigiert werden. Zudem sind die Steuern der Personen, die in die verlassenen Villen und Apartments eingezogen sind, nicht berücksichtigt.
Obwohl Baselland schweizweit den vierthöchsten Grenzsteuersatz für hohe Einkommen kennt, ist auch dort bloss die Hälfte der Pauschalbesteuerten weggezogen. Auch in Schaffhausen zeigte sich 2014 eine fifty-fifty-Bilanz, allerdings mit dreimal mehr Einnahmen als vorher.
Eines ist klar: der lauthals angedrohte Massenexodus und die befürchteten Steuerausfälle sind ausgeblieben. Selbst Bundesrätin Wider-Schlumpf erklärte am 6. Mai 2014 im Nationalrat: „Es ist sehr schwierig, anhand der beiden Erfahrungen in Basel-Landschaft und in Zürich zu sagen, dass es wirklich zu Mindereinnahmen kommt oder eben nicht. Ich möchte mich da auch nicht auf die Äste hinauslassen.“
Gegen den interkantonalen Steuer-Tourismus
Bei Abschaffung der Pauschalbesteuerung in einzelnen Kantonen droht teilweise eine Abwanderung in andere Kantone, die von gewissen Finanzdirektoren offen gefördert wird. Mit der landesweiten Abschaffung kann diesem Steuer-Tourismus ein für allemal ein Riegel geschoben werden.
Pauschalsteuer-Abschaffen -JA!