Verleger und Journalist Bruno Hug hat sich dem Kampf gegen die Kesb verschrieben. Dafür sind ihm fast alle Mittel recht. Jetzt soll ihn eine Klage stoppen.
Sie ist fast überall aus den Schlagzeilen verschwunden: die Kritik an den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb). Nicht so am Obersee. Dort liefert sich Bruno Hug, Verleger und Chefredaktor der Wochenzeitung «Obersee Nachrichten» (ON), seit anderthalb Jahren einen Kleinkrieg mit der Behörde. In fast jeder Ausgabe berichtet sein Blatt über die Kesb. Immer negativ. Meist kommentierend. Selten ausgewogen.
Angefangen hat alles im September 2014 mit einem Bericht über den «Carlos vom Obersee», einen heute 16-Jährigen, den die ON Marco nennen. Marco war von der Kesb Linth zu einem Aufenthalt auf einem Therapieschiff verknurrt worden, was 160’000 Franken pro Jahr kostete. «Luxus» nannte Hug das.
Seither hat er sich regelrecht in den Fall verbissen. In zwanzig Ausgaben berichtete Hug über Marco. Dabei schlug er sich voll und ganz auf die Seite des Jungen und seiner Mutter. Sie liess er seitenweise über ihr Unglück klagen. Die Gegenseite kam kaum je zu Wort. Dass die Schiffsplatzierung von zwei Gerichten gestützt wurde, weil zuvor alle Versuche gescheitert waren, den Jugendlichen in den Schulunterricht zu schicken, das war Hug bloss ein paar Zeilen wert. Dass Fachleute den Kesb-Entscheid vernünftig und massvoll finden, verschwiegen die ON. Stattdessen forderte Hug den Rücktritt des Kesb-Leiters Walter Grob.
Was treibt diesen Mann an? Wer ist dieser Verleger, der die Kesb das Fürchten lehrt? Der seine Kritik so weit trieb, dass ihn die Kesb Linth und die Stadt Rapperswil-Jona nun wegen Persönlichkeitsverletzung vor Gericht ziehen?
Hugs Meinung hat Gewicht
Bruno Hug ist ein Phänomen in der Schweizer Medienlandschaft. Die ON hatte er 1981 gegründet; die wöchentlich erscheinende Gratiszeitung hat eine Auflage von gut 69’000 Exemplaren. Ende 1999 verkaufte Hug das Blatt dem Verlag Somedia, der unter anderem die Tageszeitung «Südostschweiz» herausgibt. Er blieb aber Verleger und Chefredaktor.
Damit ist Hug nicht gerade ein grosser Fisch in der Schweizer Medienlandschaft; Schreibende anderer Zeitungen belächeln ihn gern. Sein Blatt ist bunt, die Berichte einseitig, die Sprache oft hemdsärmlig. Das gängige journalistische Prinzip, erst einmal beide Seiten mit ihren besten Argumenten zu Wort kommen zu lassen, ist Hugs Sache nicht. Er nennt das, was er macht, «anwaltschaftlichen Journalismus». Und doch findet Hug regional und zuweilen sogar national Beachtung. Mehr noch: Am Obersee hat Hugs Meinung ein nicht zu unterschätzendes Gewicht. Wer in sein Schussfeld gerät, hat ein Problem.
Bruno Hug (61) empfängt den TA in seiner Redaktion. Die Zeitung residiert in einem historischen Gebäude am Hauptplatz von Rapperswil. Hug, ein schmaler Mann mit spitzbübischem Lachen, sprüht vor Energie. Über seine Arbeit spricht er wortreich und leidenschaftlich – besonders wenn es um sein momentanes Hauptthema geht, die Kesb, redet er sich zuweilen richtig in Rage. Dann sagt er Sätze wie: «Was dieser Staat zulässt, das vertrage ich nicht. Wenn das nicht ändert, bleibe ich noch lange Redaktor.»
Die vielen Berichte über den Schiffsjungen haben dazu geführt, dass die ON zu einer Art inoffizieller Anlaufstelle für Menschen geworden sind, die mit den Kesb im Clinch liegen. «Ich bekomme immer wieder Hilferufe, sogar aus Zürich», sagt Hug. Über gut ein halbes Dutzend Fälle haben er und ON-Redaktor Mario Aldrovandi berichtet, «aber ich habe sicher noch zehn weitere Fälle, über die ich nichts schreibe», so Hug.
Fast immer verfolgen die zwei Journalisten in ihren Artikeln dasselbe Schema: Die Betroffenen dürfen wortreich klagen, die Kesb wird scharf kritisiert, ihre Argumente, so sie denn Eingang in den Bericht finden, werden zerpflückt. Fakten, die nicht ins Bild passen, wischen Hug und Aldrovandi beiseite. So sagt Hug zu den Gerichtsentscheiden über Marco: «Es ist nicht an mir, Gerichtsurteile zu bewerten. Ich habe nur über deren Folgen berichtet.» Generell gelte: «Wenn wir eine Situation unkorrekt finden, stellen wir das dar.»
Walter Grob, Leiter der Kesb Linth, kritisiert Hug dafür scharf: «Vieles, was die ON publizieren, ist reine Behauptung.» Das Problem sei, dass die Kesb nicht gegenhalten könne, weil sie dem Amtsgeheimnis unterstehe. Noch schlimmer aber findet Grob, dass sich Hug aktiv einmische: «Das ist nicht mehr seriös.» So hat der Verleger selbst eine Gefährdungsmeldung eingereicht, weil sich Marco auf dem Schiff gemobbt fühlte. Anderen Kesb-Betroffenen zahlt Hug schon mal einen Anwalt.
Den Vorwurf, unseriös zu sein, weist Hug von sich: «Alles, worüber wir berichten, ist bestens dokumentiert.» Sich einzumischen, findet Hug hingegen selbstverständlich: «Die Medien sind die vierte Gewalt im Staat. Ich sehe mich als Anwalt von Leuten, die sich selbst nicht wehren können.» Walter Grob kann Hugs Tun wenig Positives abgewinnen; mit der «öffentlichen Zurschaustellung» der Betroffenen erziele er mehr Schaden als Nutzen: «Er bestärkt sie in ihrem Widerstand, obwohl es besser wäre, sie würden sich helfen lassen.» Auf die Entscheide der Kesb hätten die Interventionen Hugs ohnehin keinen Einfluss.
Knallhart, aber auch engagiert
Die Kesb sind keineswegs die einzigen Behörden, die von der Zeitung angeschossen werden. Nahezu jede Exekutive in den Gemeinden rund um den Obersee hat schon Bekanntschaft mit der spitzen Feder Hugs und seiner Redaktoren gemacht. Aktuell mischt er sich lustvoll in den Wahlkampf ein. Zu spüren bekam das Peter Müller, Kandidat für das Amt des Gemeindepräsidenten in Uznach. Müller ist Militärhistoriker, sein Spezialgebiet ist die Rüstungsproduktion in Deutschland im Ersten und im Zweiten Weltkrieg. Sein Verlag verkauft Bilder und Texte zum Thema. ON-Journalist Aldrovandi rückte Müller deshalb in den Dunstkreis der Nazis – ohne Müller zu Wort kommen zu lassen.
Kein Wunder, eckt Hug in der Region an. Er selbst gilt als schwierig, rücksichtslos, egoistisch und selbstherrlich. Seine Recherchemethoden sind berüchtigt. Viele Politiker fürchten Hug insgeheim – was sich auch daran zeigt, das kaum jemand den Verleger offen kritisieren mag. Einer der wenigen, die zu ihrer Kritik stehen, ist Erich Zoller, der Stadtpräsident von Rapperswil-Jona. Zoller hat vor seiner Wahl im März 2011 unter dem Titel «Mail-Terror» ein Recherchemail von Hug veröffentlicht. Darin befragt der Verleger den Stadtpräsidenten in spe im Ton eines Richters. So will Hug zum Beispiel wissen, warum Zoller ihm zwei Tage zuvor auf ein Mail keine Antwort gab, und fragt: «Wo waren Sie am Mittwochmorgen? Sind Sie bereit, das zu belegen?» Für den Fall, dass Zoller nicht antworte, werde er, Hug, dessen Parteipräsidenten informieren.
Hug sei, so sagt Zoller, ein knallharter Geschäftsmann, der einen extremen Instinkt dafür habe, was sich verkaufen lasse. Auf der anderen Seite müsse man anerkennen: «Er hat einiges getan, was gut war für die Stadt.» So war Hug 24 Jahre lang Präsident der Lakers, unter ihm schaffte der Eishockeyclub den Aufstieg in die oberste Liga, unter ihm wurde die Eishalle gebaut. Auch war er massgeblich an der Fusion von Rapperswil mit dem benachbarten Jona beteiligt; grossen Einfluss hat er auch in der Frage, wie das Schloss Rapperswil künftig gestaltet und genutzt werden soll.
Hug weiss um die Kritik. Er nimmt sie gelassen, betont lieber, was er erreiche und erreicht habe. Wo nötig, engagiere er sich. «Ich habe zum Glück die Möglichkeit, Bedürftigen zu helfen», sagt er.
Im Fall der Kesb Linth hat er den Bogen nun allerdings überspannt. Die Stadt Rapperswil-Jona und die Kesb Linth wollen rechtlich gegen ihn vorgehen. Vorerst steht eine Verhandlung vor der Schlichtungsbehörde an; bringt sie nichts, wird sich Hug wegen Persönlichkeitsverletzung vor Gericht verantworten müssen. «Wir wollen erreichen, dass die missbräuchliche Berichterstattung aufhört», sagt Stadtpräsident Zoller. Stadt und Kesb stützen sich auf einen Bericht, den die Kesb selbst bei der Aufsichtsbehörde des Kantons St. Gallen verlangt hat. Dieser kam zum Schluss, die Kesb habe in allen Fällen, die die ON kritisierten, verantwortungsvoll und korrekt gehandelt.
Hug sieht dem Verfahren gelassen entgegen. Er fühle sich nicht angeklagt, sagt er. Und: «Von unseren Berichten nehmen wir nichts zurück.»
(Tages-Anzeiger)