Der Fall Hagenbuch droht überall


FRAUENFELD. Dass die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde ein Kind in einem Heim plaziert und die bisherige Wohngemeinde dafür zahlen muss, kommt auch im Thurgau vor. In Sirnach etwa macht ein solcher Fall ein Steuerprozent aus.

Das ist das Horrorszenario jedes Gemeindeammanns: Eine Familie verursacht so viele Sozialkosten, dass die Gemeinde die Steuern erhöhen muss. Das droht im Zürcher Hagenbuch. Dort denkt der Gemeinderat über eine Steuererhöhung nach, um die Kosten einer achtköpfigen Familie aus Eritrea zu finanzieren. Vier Kinder leben in Heimen, der Rest der Familie bekommt sozialpädagogische Begleitung. Laut Medienberichten kostet das die Gemeinde 700 000 Franken im Jahr. Dagegen kann sie sich nicht wehren, weil die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde die Massnahmen angeordnet hat.

Günstigere Lösung angestrebt

Ein Fall Hagenbuch kann sich auch in einer Thurgauer Gemeinde ereignen. Auch hier ist es so, dass die Gemeinden ausführen und bezahlen müssen, was die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) anordnen. «Wir bemühen uns, vernünftige Lösungen zu finden», sagt Andreas Hildebrand, Präsident der Kesb Arbon. Wo gleichwertige Betreuungen günstiger zu haben sind, ordne seine Behörde die günstigere Variante an. Die Kesb müssen aber im Interesse der zu schützenden Person handeln. «Es kann durchaus einmal geschehen, dass die Kesb zulasten einer finanzschwachen Gemeinde drei Heimplazierungen anordnen müssen», sagt Hildebrand. Das könne etwa passieren, wenn Kinder psychisch in so schlechter Verfassung sind, dass sie in einem spezialisierten Heim untergebracht werden müssen.

Die Kesb arbeiten auch mit gewinnorientierten Sozialfirmen zusammen. Das sind einerseits Plazierungsorganisationen, die rasch den richtigen Platz für ein Kind finden, das aus seiner Familie genommen werden muss. Andererseits übernehmen Sozialfirmen auch familientherapeutische Begleitungen. Hierfür kämen auch Angebote kantonaler Institutionen in Frage, die aber ebenfalls nicht gratis arbeiten, sagt Hildebrand. Er verstehe, wenn die Gemeinden keine Freude haben, wenn die Kesb eine teure Massnahme anordnen, die sie dann bezahlen müssen. Dies sei aber im heutigen System so vorgesehen.

Bisher nicht unverhältnismässig

Auch Kurt Baumann, Präsident des Verbands der Thurgauer Gemeinden, geht davon aus, dass ein Fall Hagenbuch im Thurgau passieren kann. Bisher habe er keinen Hinweis, dass eine Kesb im Thurgau unverhältnismässige Entscheide getroffen hätte. «Plazierungen in Institutionen sind aber ein Thema», sagt Baumann. In seiner Gemeinde Sirnach habe er einen Fall, dessen Kosten nahezu ein Steuerprozent ausmachten. Das wären 135 000 Franken. «Mehrere solcher Fälle mag es auch in einer mittleren Gemeinde nicht leiden», sagt Baumann. Er appelliert an die Kesb, auf die finanziellen Auswirkungen ihrer Entscheide zu achten.


Thurgauerzeitung.ch


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