Hagenbuch will ein Zeichen setzen. Die Stimmbürger der Zürcher Gemeinde lehnten das Budget 2015 ab. Sie protestieren dagegen, dass Sozialbehörden Massnahmen anordnen und die Gemeinden bezahlen.
Im zürcherischen Hagenbuch entlud sich am Mittwochabend der Volkszorn. Die Hagenbucher wiesen eine Erhöhung des Steuerfusses und das Budget 2015 zurück. Die Stimmbürger wollten ein Zeichen setzen gegen ausufernde Sozialkosten. Am Ende stand der Gemeinderat ohne Budget da. Eine Suppe, die sich Gemeindepräsidentin Therese Schläpfer, SVP, selbst eingebrockt hatte.
Kosten laufen aus dem Ruder
Das 1084-Seelen-Dorf, das an der Grenze zum Kanton Thurgau zwischen Frauenfeld und Aadorf liegt, war in diesem Sommer schweizweit in die Schlagzeilen geraten. Eine Zeitung titelte «Sozial-Irrsinn in Hagenbuch». Gemeindepräsidentin Therese Schläpfer kritisierte in den vergangenen Wochen in verschiedenen Medien, dass die Sozialkosten der Gemeinde aus dem Ruder laufen würden, weil diese für die Heimkosten von Kindern einer Flüchtlingsfamilie aufkomme müsse. Schläpfer stösst sauer auf, dass die neu eingeführten Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb), ohne Zustimmung der Gemeinden Massnahmen anordnen können, die deren Budget belasten.
Vor drei Jahren zog in Hagenbuch eine Flüchtlingsfamilie aus Eritrea zu. Die Integration misslang. Inzwischen leben vier der sieben Kinder im Heim. Zunächst war von monatlich 60 000 Franken die Rede, die die Gemeinde für die Heimaufenthalte aufbringen muss. Mittlerweile räumt Therese Schläpfer ein: Für einen Heimaufenthalt sowie die sozialtherapeutische Betreuung der Familie kommt der Kanton auf. Hagenbuch muss für drei Kinder die Heimkosten bezahlen, das sind monatlich 30 000 oder jährlich 360 000 Franken. Dies entspricht gut der Hälfte des Defizits von 717 000 Franken, das im Budget 2015 mit einer Entnahme aus dem Eigenkapital gedeckt werden soll.
Zu schaffen machen dem Dorf, in dem Arbeiter und Bauern leben, nicht nur die steigenden Kosten im Sozialbereich, sondern auch, dass mit dem neuen Finanzausgleich im Kanton Zürich weniger Geld von der Metropole aufs Land fliesst.
150 Stimmbürger waren am Mittwoch zur Budgetversammlung gekommen. Einen solchen Andrang hatte Hagenbuch noch nie erlebt. Gleich zu Beginn der sehr emotional geführten Diskussion rief ein Votant die Hagenbucher auf, das Budget abzulehnen: «Wir müssen ein Zeichen setzen gegen die hohen Kosten im Sozialwesen.» Ein anderer verlangte: «Wir müssen Widerstand leisten. Diese Kosten dürfen wir nicht akzeptieren.» Die Wortmeldungen zeigten, dass es den Dorfbewohnern, deren Durchschnittseinkommen bei 54 897 Franken liegt, nicht behagt, dass die Gemeinde für einen Heimplatz mehr Geld ausgibt, als einer Familie zum Leben zur Verfügung steht.
«Haben wir normalen Steuerzahler mal einen Engpass, müssen wir jedem Rappen nachlaufen», klagte eine Frau. Mehrfach wurden die von der Kesb angeordneten Massnahmen hinterfragt. Es müsse doch möglich sein, günstigere Lösungen zu finden. Die Kinder könnten ja auch von einer Pflegefamilie betreut werden. Die Votanten betonten, bei der Ablehnung des Budgets gehe es nicht um die Erhöhung des Steuerfusses. Auch habe man nichts gegen Asylbewerber, der Protest richte sich gegen zu hohe Sozialausgaben und die Bevormundung durch die Sozialbehörden.
Gemeinderat blockiert
Gemeindepräsidentin Therese Schläpfer appellierte vergebens an die Anwesenden, das Budget anzunehmen. Lösungen müssten über den politischen Weg gefunden werden. Auch Stimmen, die mahnten, mit der Ablehnung des Budgets werde der Gemeinderat blockiert, drangen nicht durch. Ebenso das Argument, dass Hagenbuch jahrelang vom Finanzausgleich profitiert hat, Schulden tilgen und Steuern senken konnte. Im Moment steht die Gemeinde mit einem Eigenkapital in Höhe von 5 Mio. Franken besser da als manch andere.
Thema im Kantonsparlament
Die Gemeindepräsidentin machte darauf aufmerksam, dass die Zürcher SVP ein Massnahmenpaket verabschiedet habe, das den Gemeinden mehr Mitsprache im Sozialwesen einräumen möchte. Nicht zur Sprache kam, dass das Kantonsparlament bereits beschlossen hat, den Gemeinden mit hohen Sozialkosten zu helfen. Die Linke setzte durch, dass eine Vorlage ausgearbeitet wird, wie die Fürsorge im Kanton gerechter verteilt werden kann.
Dass eine SVP-Kantonsrätin den Mut der Hagenbucher Gemeindepräsidentin lobte, die hohen Kosten im Sozialwesen ans Licht gebracht zu haben, erntete, wie der «Tages-Anzeiger» berichtete, Unverständnis. Die Aussagen besagter Gemeindepräsidentin hätten sich als falsch erwiesen, die Sache sei eine Mogelpackung gewesen, monierte ein SP-Kantonsrat aus Winterthur.