ST.GALLEN. Das Bundesgericht wird über die Rechtmässigkeit der Vaterschaft von zwei Männern eines in den USA von einer Leihmutter ausgetragenen Kindes entscheiden müssen. Das Bundesamt für Justiz hat ein Urteil des St.Galler Verwaltungsgerichts angefochten. Die Väter reagierten enttäuscht.
Das Bundesamt für Justiz (BJ) fordert, dass die kalifornische Geburtsurkunde mit den beiden Männern als Väter nicht anerkannt wird. Im Zivilstandsregister sei nur jener der beiden in eingetragener Partnerschaft lebenden Männer einzutragen, welcher der Samenspender und damit der biologische Vater des Kindes sei, fordert das Bundesamt in seiner Eingabe ans Bundesgericht.
Um das in der Bundesverfassung verankerte Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung umfassend zu garantieren, seien zudem die Leihmutter und deren Ehemann, die zum Zeitpunkt der Geburt der rechtliche Vater des Kindes war, sowie der Hinweis auf die anonyme Eizellenspende einzutragen, schreibt das BJ in einer Mitteilung vom Freitag weiter.
Zwei Männer als Väter anerkannt
Das St.Galler Verwaltungsgericht hatte die zwei Männer in einem vor einem Monat gefällten Urteil als Elternpaar eines in den USA gezeugten Leihmutter-Kindes anerkannt, obwohl Leihmutterschaft in der Schweiz eigentlich verboten ist. Die beiden in eingetragener Partnerschaft in der Schweiz lebenden, im Kanton St.Gallen heimatberechtigten Männer hatten das kantonale Amt für Bürgerrecht und Zivilstand zunächst vergeblich um Anerkennung einer kalifornischen Geburtsurkunde ersucht. Das war nicht bereit gewesen, die beiden Männer als Väter einzutragen.
Gemäss der Geburtsurkunde sind die beiden Männer die Eltern eines Kindes, das in den USA von einer Leihmutter ausgetragen worden ist. Das Kind war mittels künstlicher Befruchtung der Eizelle einer anonymen Spenderin mit dem Sperma eines der beiden Partner gezeugt worden.
Wohl des Kindes
Die Geburtsurkunde stützte sich auf ein kalifornisches Gerichtsurteil, wonach die Leihmutter und ihr Ehemann weder ihre Elternrechte ausübten noch ihren Elternpflichten nachkommen wollten. Das st.gallische Departement des Innern schützte den Rekurs der beiden Männer und ordnete ihre Eintragung als Väter im schweizerischen Personenregister an.
Das Verwaltungsgericht hiess die Beschwerde des BJ dagegen teilweise gut. Zusätzlich zu den Informationen zum rechtlichen Kindesverhältnis muss auch die genetische Abstimmung des Kindes im Register festgehalten werden, forderte es. Der Entscheid des Departementes des Innern hob das Gericht aber nicht auf. Im Urteil vom 19. August wurde die Anerkennung der beiden Männer als Väter bestätigt.
Begründet wurde der Entscheid des Verwaltungsgerichts mit dem Wohl des Kindes. Das Kind lebe bei seinen beiden Vätern in der Schweiz. Diese Ausgangslage verlange im Interesse des Kindeswohls und im Interesse einer einheitlichen und klaren Rechtslage eine Anerkennung des Kindesverhältnisses zu den beiden Männern.
Schweiz soll liberalen Umgang finden
Die Beschwerde sei schwer verständlich, weil das BJ im vorinstanzlichen Verfahren selber die Anerkennung der rechtlichen Elternschaft beider Väter beantragt habe, heisst es in einer von den Rechtsanwältinnen veröffentlichten Stellungnahme der Väter. Der Umstand der Leihmutterschaft sei von der Bundesbehörde nicht als Verstoss gegen den Ordre public beanstandet worden.
Weiter sei unbestritten, dass es dem Kind bei den Vätern gut gehe und dieses in einem liebevollen Umfeld aufwachse. Auch die von den Behörden eigens für dieses Verfahren eingesetzte Beiständin befürworte die Anerkennung der beiden Väter.
Die beiden Väter wollten nicht an die Öffentlichkeit treten, um ihr Kind und ihr Privatleben vor einem Medienrummel zu schützen. Sie äusserten aber den Wunsch, dass die Schweiz einen liberalen Umgang mit modernen Familienformen finde. Es gebe in der Schweiz bereits heute viele Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern sowie Familien, die durch reproduktionstechnische Verfahren entstanden seien. Diese Kinder entwickelten sich gleich gut wie Kinder, die auf natürlichem Weg gezeugt wurden. Diese Realitäten sollte das Recht anerkennen, schreiben die Anwältinnen.
BJ handelt “realitätsfremd”
Die Schweizer LGBT-Dachverbände Pink Cross, Regenbogenfamilien und Transgender Network Switzerland hoffen, dass der Fall beim Bundesgericht rasch behandelt wird und eine eindeutige Rechtsprechung im Interesse des Kindes getroffen wird.
Es sei realitätsfremd, dass das BJ der fachlichen Beurteilung der zuständigen Beiständin sowie dem Urteil des Verwaltungsgerichs, das Kindesverhältnis im Interesse des Kindeswohls anzuerkennen, widerspreche.
«Wir bedauern den Umstand, dass die Lebensrealität des Kindes nicht anerkannt wurde und sich die Familie deshalb weiterhin in einem rechtlichen Vakuum befindet», wird Maria von Känel, Geschäftsführerin des Dachverbandes Regenbogenfamilien Schweiz, zitiert.