Beat Rieder (CVP) ist ein Gegner des Stiefkind-Adoptionsrechts für Schwule. Im Interview fordert er ein Widerrufsrecht für betroffene Kinder.
Herr Rieder, hätten Sie Mühe damit, wenn eines Ihrer Kinder homosexuell wäre?
Nein, damit hätte ich keine Probleme. Ich kenne mehrere Homosexuelle und habe als Anwalt sogar Scheidungen durchgeführt, nach denen sich ein Partner anders orientiert hat. Ich bin an einer ehrlichen Auseinandersetzung mit dem Thema interessiert. Aber derzeit wird versucht, den homosexuellen Paaren durch die Hintertür alles zu ermöglichen, was biologisch nicht möglich ist.
Sie haben sich im Ständerat vergebens gegen das Stiefkind-Adoptionsrecht für Homosexuelle gewehrt. Was stört Sie daran?
Im Kern geht es für mich um die Diskussion: Sollen eingetragene Partnerschaften und faktische Lebensgemeinschaften die gleichen Privilegien geniessen wie die Ehe? Ich bin der Meinung: Nein. Die Ehe ist eine zentrale Institution unserer Gesellschaft. Auch biologisch ist es klar: Es braucht einen Mann und eine Frau, um Kinder zu kriegen. Was wir hier versuchen, ist, eine künstliche Welt aufzubauen, in der auch zwei Männer und zwei Frauen
Kinder haben dürfen.
Wir haben zwei Väter mit Leihmutterbabys porträtiert. Glauben Sie, dass diese Kinder aufgrund ihres Elternhauses Nachteile erleiden?
Ich will mich nicht auf die Diskussion einlassen, ob Homosexuelle bessere oder schlechtere Eltern sind. Tatsache ist, dass die Scheidungs- oder Trennungsquote in allen Lebensformen steigt und dass es viele vernachlässigte Kinder gibt. Man muss sich fragen, ob man da noch weitere konfliktreiche Konstellationen schaffen will. Prinzipiell lehne ich die Leihmutterschaft ab. Sie ist in der Schweiz verboten. Es darf nicht sein, dass dieses Verbot nun ausgehebelt wird.
Das Beispiel der beiden Männer zeigt doch gerade, dass homosexuelle Paare schon heute die Dienste von ausländischen Leihmüttern in Anspruch nehmen. Daran ändert sich mit der Stiefkind-Adoption nichts. Wenn schon, müssten Sie Strafen für solche Paare fordern.
Nein, ich bin nicht für Strafen. Es stimmt, dass es schon heute solche Fälle gibt und dass der leibliche Vater in der Schweiz teilweise anerkannt wird. Solange es sich um Ausnahmefälle handelt, stört mich das nicht. Aber es wäre falsch, seinem Partner auch noch zu erlauben, das Kind zu adoptieren. Dann können wir gerade zulassen, dass Homosexuelle fremde Kinder adoptieren dürfen. Es ist diese Salamitaktik, die mich stört.
Vom neuen Adoptionsrecht könnte beispielsweise auch eine lesbische Frau Gebrauch machen, deren Partnerin auf natürlichem Weg mit einem befreundeten Mann ein Kind gezeugt hat. Lehnen Sie die Stiefkind-Adoption in diesem Fall ebenfalls ab?
Ja. Es gibt keinen Grund, warum die Partnerin dieses Kind adoptieren sollte. Ausser, man will die eingetragene Partnerschaft auf die gleiche Stufe wie die Ehe stellen. Wenn man das will, soll man das ehrlich sagen und das Volk darüber abstimmen lassen. Ich hoffe langsam ernsthaft, dass die Initiative «Ehe für alle» an die Urne kommt. Dann wird die Diskussion geführt und ist danach gegessen.
Bundesrätin Simonetta Sommaruga betonte, das Kindeswohl stehe im Vordergrund: Beim Tod des leiblichen Elternteils seien Kinder von Schwulen und Lesben sonst rechtlich nicht abgesichert.
Die rechtliche Absicherung ist auch über Verträge und das Testament möglich. Eine Berücksichtigung des Kindeswohls würde meiner Ansicht nach zudem auch bedeuten, dass ein von Homosexuellen adoptiertes Kind bei Erreichen der Volljährigkeit den Entscheid widerrufen könnte. Es kann doch nicht sein, dass jemand einen nicht biologischen Vater anerkennen muss, falls er dieses Familienbild ablehnt.
Viele europäische Länder erlauben Schwulen und Lesben die Stiefkind-Adoption bereits, manche sogar die gemeinschaftliche Adoption. Glauben Sie, dass sich diese Entwicklung hierzulande noch aufhalten lässt?
Nein, mit dem Entscheid von heute lässt sich diese Entwicklung wohl leider nicht mehr aufhalten. Ich gehe davon aus, dass der Nationalrat die Vorlage ebenfalls durchwinken wird. Aber wir müssen uns einfach bewusst sein: das ist eine sehr europäisch-zentrierte Ansicht: Viele Kulturen haben ganz ein anderes Familienverständnis. Das wird künftig noch grosse Reibereien geben.
(Von J. Büchi)