Was in anderen Ländern schlicht unvorstellbar ist, ist in der Schweiz Gerichtsalltag: Laien walten als Richter. In fast allen Schweizer Kantonen sind sie am Werk, bestrebt, den gesunden Menschenverstand in die Gerichtssäle zu bringen. Ihre Wertschätzung ist hoch, ihre Besoldung ordentlich. Doch taugen sie für ihre Aufgaben?
«Meine Erfahrungen mit Laienrichtern sind recht gut», sagt der Aargauer Oberrichter Hansjörg Geissmann, «wenn sie sich ihrer Grenzen bewusst sind.» Der Gerichtspräsident – immer ein Jurist – müsse den Laien aber in jedem Fall die Rechtslage erläutern, «denn im fachlichen Bereich wissen sie zu Beginn ihrer Karriere meist wenig».
Im Kanton Zürich (mit Ausnahme der Stadt) werden die Ehescheidungen oft von Laien durchgeführt, die als Einzelrichter amten. Brauchen sie fachlichen Rat, stehen ihnen juristische Mitarbeiter zur Seite, die allerdings in der Regel über wenig praktische Erfahrung verfügen.
Im Aargau wurde Werner Ferrari (siehe auch Beobachter Nr. 5) wegen mehrfachen Mordes verurteilt – von einem Bezirksgericht, das mehrheitlich mit Laien besetzt war.
Auch im Kanton Thurgau weist man Laien juristisch höchst anspruchsvolle Aufgaben zu. Hier sind sie am Obergericht tätig. Das Obergericht ist die Rekursinstanz; es entscheidet, ob die Urteile der Bezirksgerichte juristisch hieb- und stichfest sind. Der Präsident des Obergerichts, Thomas Zweidler, ist darüber nicht sehr glücklich: «Persönlich bin ich der Ansicht, dass es sinnvoll ist, Laienrichter an Bezirksgerichten einzusetzen, nicht aber am Obergericht.»