Barbara Hamm-Schulte, die Präsidentin der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde des Kantons Solothurn, ist bereits seit Anfang Woche nicht mehr im Amt. Für den Kanton kam ihr Rücktritt nicht ganz überraschend.
Die Informationen in der Medienmitteilung der Solothurner Staatskanzlei sind eher spärlich. Barbara Hamm-Schulte, die Präsidentin der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Region Solothurn, tritt von ihrem Amt zurück. Die Pionierphase sei nach dem Start der Behörde abgeschlossen, die Präsidentin nehme diesen Meilenstein zum Anlass, sich beruflich neu zu orientieren. Was im Communiqué nicht steht: Barbara Hamm-Schulte (Jahrgang 1969) ist per sofort zurückgetreten.
Bereits vor Wochenfrist hat sie ihr Büro in Solothurn verlassen. Im Sommer 2012 hatte sie das Präsidium der KESB Region Solothurn angetreten. Am 1. Januar 2013, zusammen mit dem Inkrafttreten des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts startete sie mit ihrem Team operativ. In der KESB Region Solothurn arbeiten aktuell 20 Personen. Zusammen decken sie knapp 15 volle (teilweise befristete) Stellen ab.
Kritik der Gemeinden
Der vermeintlich eilige Abgang im Präsidium kommt für verschiedene Beobachter nicht unerwartet. Seitdem das neue Gesetz gilt, steht die KESB in der Kritik. Gerade der restriktive Informationsfluss der Auskünfte sorgte bei Einwohnergemeinden zu Unverständnis. An einer Tagung im November bezeichnete Hamm-Schulte das Spannungsfeld zwischen den Gemeinden und den KESB als sehr gross. Auch die Professionalisierung, sehr lange Abklärungsverfahren und der fehlende Einbezug betroffener Kinder und Erwachsener sorgten für Kritik. Wenn sie jemandem erklären müsse, was sie beruflich mache, werde sie regelmässig bemitleidet, berichtete Hamm-Schulte an einer Veranstaltung im Oktober. Barbara Hamm-Schulte war am Mittwoch für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Ganz überraschend kam der Rücktritt auch für Claudia Hänzi nicht. Sie ist die Chefin im kantonalen Amt für soziale Sicherheit ASO. «Ich habe mit Barbara Hamm-Schulte ein offenes Verhältnis gepflegt», sagt Hänzi. Der nun erfolgte Rücktritt sei im Vorfeld miteinander abgesprochen worden. Dabei sei man gemeinsam zum Schluss gelangt, dass ein weiteres operatives Ausüben der Präsidialfunktion der Interessenlage nicht gerecht werde. «Immerhin ermöglicht diese Funktion weitreichende Entscheide für Menschen in schwierigen Lebenslagen und Einblicke in sehr sensible Bereiche. Durch ein unmittelbares Niederlegen des Amtes konnten diese Kompetenzen an die Vizepräsidenten übergehen.» Nach Meinung beider Parteien sei dies im Sinne des Systems und der Rechtsordnung.
Stillschweigen über Abgang
Ab sofort übernimmt die erste Vizepräsidentin Barbara Gloor Estermann die Leitung der KESB Solothurn interimistisch. Die Leitung der Entscheidkammer 1 übernimmt der zweite Vizepräsident Stefan Armenti. Die Suche nach einer Nachfolge für Hamm-Schulte startet im Januar 2015.
Über die weiteren Modalitäten habe man Stillschweigen vereinbart. Offen bleibt damit die Frage nach der Kündigungsfrist und einer allfälligen Abfindung. Gemäss Meinrad Engesser vom kantonalen Personalamt beträgt die Kündigungsfrist in aller Regel drei Monate. Eine Ausnahme gibt es bei hohen Beamten. Allerdings bestehe die Möglichkeit, dass individuelle gegenseitige Vereinbarungen getroffen werden. Ebenfalls im Gesamtarbeitsvertrag des Staatspersonals geregelt sind die Abgangsentschädigungen. Berücksichtigt werden dort unter anderem die Dauer der Anstellung, das Alter und der Grund für die Kündigung.
«Bestimmungen sind praxisfremd»
Barbara Hamm-Schulte dürfe als Präsidentin auf eine erfolgreiche Pionier-Phase zurückblicken, sagt ASO-Chefin Claudia Hänzi «Bis die Behörde arbeiten kann, braucht es viele Entscheidungen.» Sie habe Prozesse entwickelt, die Dossierübernahme begleitet und Personalentscheide getroffen. Nun trete die KESB in die Konsolidierungsphase: Der Geschäftsgang werde optimiert und beschleunigt.
«Die Verfahrensdauer ist schweizweit ein Problem», sagt Hänzi. Viel Aufbauarbeit musste geleistet und Pendenzen mussten übernommen werden. Auch der oft beklagte Austausch mit den Einwohnerkontrolldiensten der Gemeinden sei kein kantonales, sondern ein schweizweites Problem. Viele Gemeinden wünschen sich mehr Informationen. «Die Bundesbestimmungen stimmen nicht mit dem Praxisbedürfnis überein», so Hänzi. Die Bestimmungen seien gut gemeint im Sinne des Persönlichkeitsschutzes, jedoch praxisfremd. Man arbeite laufend daran, den Informationsfluss im Rahmen des Möglichen zu optimieren. Man wolle so offen wie möglich kommunizieren, könne sich jedoch nicht über gesetzliche Bestimmungen hinwegsetzen.
Gute Zusammenarbeit gepflegt
Für Hansruedi Waiz, Leiter des Sozialdienstes Mittlerer und Unterer Leberberg (SDMUL), ist der Rücktritt keine Überraschung. Er hat eng mit Barbara Hamm-Schulte zusammengearbeitet. Der Kindes- und Erwachsenenschutz sei ein schwieriges Terrain. «Die Behörden sind ständig in der Kritik, sie können es kaum jemandem recht machen», benennt er Schwierigkeiten. Er kritisiert die unsachliche Art und Weise, wie die Diskussion in der Öffentlichkeit über die KESB und und soziale Themen allgemein geführt wird. Es sei verwunderlich, wie viele Halbwahrheiten verbreitet würden. Die Zusammenarbeit mit den KESB schätzt er als sehr gut ein. «Die Fachbehörden setzen sich stark ein.»
Eine gute Zusammenarbeit mit der KESB Region Solothurn pflege auch die Sozialregion Biberist-Bucheggberg-Lohn-Ammannsegg, sagt deren Leiterin Marlies Jeker. «Es wäre zu kurz gegriffen, wenn man die anfänglich sicher sehr grossen Probleme allein der KESB-Leitung zuschreiben würde. Inzwischen hat sich die Situation bereits deutlich verbessert.» Die KESB sei eine junge Organisation in der Aufbauphase. «Sie muss neue Gesetze umsetzen und mit sehr knappen personellen Ressourcen auskommen.»
Von Christof Ramser (az Solothurner Zeitung)