Für die Masern-Bekämpfung nimmt der Kantonsarzt die Schulgemeinden in die Pflicht: Sie sollen wissen, welche Schulkinder gegen Masern geimpft sind und welche nicht. Damit könnten sie rasch reagieren, wenn in einer Klasse die Krankheit ausbricht.
FRAUENFELD. Bei der Masern-Bekämpfung macht der Thurgau Fortschritte. Um die 90 Prozent der Bevölkerung sind gegen die Krankheit geimpft. Vor fünf Jahren waren es noch knapp 80 Prozent. «Wir sind aber noch nicht dort, wo wir sein sollten», sagt Kantonsarzt Olivier Kappeler. Das vom Bundesamt für Gesundheit vorgegebene Ziel liegt bei über 95 Prozent. Erst dann könnten sich die Masern-Viren in der Schweiz nicht mehr ausbreiten. Im Moment läuft die Masern-Kampagne des Bundes auf Hochtouren. Werbespots und Plakate sollen die Bevölkerung sensibilisieren.
Im Ernstfall 72 Stunden Zeit
Zusammen mit den kantonsärztlichen Diensten sorgt das Bundesamt zudem mit neuen Massnahmen für den Fall vor, dass an Schulen oder Kindertagesstätten Masern ausbrechen. «Das Zeitfenster für eine Reaktion ist bei einem Masernausbruch klein», sagt Kantonsarzt Kappeler. Innerhalb von 72 Stunden können aber noch ungeimpfte Kinder geimpft werden. Dann wären sie vor der Krankheit geschützt. Ungeimpfte Kinder könnten für drei Wochen vom Unterricht ausgeschlossen werden, um eine Ansteckung zu verhindern.
Nach Ansicht von Kantonsarzt Kappeler sind 72 Stunden knapp, um herauszufinden, welche Kinder geimpft sind und welche nicht. Zusätzlich müssten dann noch die betroffenen Eltern informiert und gebeten werden, ihre Kinder zu impfen. Kappeler fordert deshalb die Schulgemeinden auf, den Impf-Status der Schülerinnen und Schüler im voraus festzustellen und die Daten permanent zu aktualisieren.
Das könnte über die Untersuchungen beim Schularzt oder mit einer Befragung der Eltern geschehen. «Diese Daten werden vertraulich behandelt, so wie das mit den Schulzeugnissen gemacht wird», sagt Kappeler. Sie könnten unter Verschluss bleiben, bis an der Schule tatsächlich ein Masern-Fall auftritt.
Schulen, die den Impf-Status ihrer Schüler nicht im voraus erheben lassen wollen, müssten im Fall eines Masern-Ausbruchs innert der 72-Stunden-Frist die nötigen Massnahmen sicherstellen, sagt Kappeler. Das dürfte besonders dann schwierig sein, wenn das Zeitfenster auf ein Wochenende fällt.
Nicht Aufgabe der Schulen?
Die Schulgemeinden waren zunächst alles andere als erfreut über diese Forderung des Kantonsarztes. Der Verband der Thurgauer Schulgemeinden stellte die Grundsatzfrage, wie weit die Schulen für solche Kampagnen eingespannt werden können. «Die Pflicht der Schulen darf nicht instrumentalisiert werden», stand in einem Beitrag der Verbandszeitschrift «Zytpunkt». Verbandspräsident Felix Züst erklärt auf Anfrage: «Es ist nicht Aufgabe der Schulgemeinden, für einen flächendeckenden Impfschutz zu sorgen.»
Das Problem scheint aber mehr kommunikativer Art gewesen zu sein. Die Schulgemeinden seien vom direktiven Auftreten des Kantonsarztes überfahren worden, sagt Züst. Inzwischen seien die offenen Fragen geklärt worden. Bei den schulärztlichen Untersuchungen werde auf den Impf-Status geachtet. Züst hält fest, dass nach wie vor die Eltern entscheiden, ob ihr Kind geimpft wird oder nicht.
Schulen und Kindertagesstätten sind im Fokus der Behörden, weil sie für das Masern-Virus ein ideales Tummelfeld sind. Das Virus ist hochansteckend und wird über Tröpfchen übertragen. «Gruppen mit engem Kontakt fördern die Verbreitung», sagt Kantonsarzt Kappeler. Es sei darum angezeigt, wenn solche Institutionen vorsorgen. «Masern sind keine harmlose Krankheit», sagt Kappeler. Die Erkrankung könne gravierende Komplikationen zur Folge haben.