ESCHENZ: Aufgrund eines KESB-Entscheides verlor Mutter ihr Kind – und war’s das?
Einer alleinerziehenden Mutter, 47, wohnhaft in Eschenz, nahm das KESB in Übereinkunft mit der Gemeinde ihr 9-jähriges Kind weg. Es bleibt ein bitterer Nachgeschmack.
Zu den Fakten, wie sie uns aus den Unterlagen von Gemeinde und jenen des Frauenfelder KESB (Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde) vorliegen und die komplexe Problematik um eine psychisch angeschlagene Kindsmutter in ihrer tragischen Überforderung präsentieren.
Bestehende Kindsgefährdung
Gemäss vorerwähnten Unterlagen und Protokollen, in die wir Einsicht haben, wurde federführend durch KESB Frauenfeld der Mutter Magdalena V., Eschenz, ihr Kind fremdplatziert ohne Nennung des neuen Aufenthaltsortes. Nun massen wir uns als Berichterstatter nicht an, diesen Fachentscheid des KESB samt involvierter Ämter zu kommentieren. Es haben Fachkräfte des Genres der Kindsbetreuung zu einem Fall entschieden, denen die Tragweite des Beschlusses zum Kindsentzug bewusst sein dürfte. Dazu enthalten wir uns folgerichtig jedweder Einmischung.
Augenschein genommen
Zudem haben wir journalistischer Sorgfaltspflicht folgend, die betroffene Kindsmutter aufgesucht und dabei eigene Eindrücke gewonnen. Das erlebte Bemühen des KESB Frauenfeld, uns von einer Berichterstattung abzubringen, gebiert darum Erstaunen. Verständnis kommt jedoch dort auf, wo das KESB das Argument erbringt, die gegenwärtige «nationale Stimmungsmache» gegen diese Institution sei so zeitaktuell wie total, womit jeder neue Negativbericht dieser in den Grundzügen hilfreich agierenden Sozialinstitution erheblich schade. In dem Punkt rennt das KESB bei uns offene Türen ein. Die Arbeit des KESB ist zu loben, Effizienz ist ausgewiesen, die Nützlichkeit belegt und somit alle Befürchtung unangebracht, wir könnten diese Positivaspekte negieren. Zudem hat der Schreibende im Hause der überforderten (Eigenaussage) Kindsmutter Augenschein genommen, sich die Schilderungen der Kindsmutter angehört. Konklusion: Ja, das Eingreifen des KESB war gerechtfertigt zum Wohle des Kindes als auch zu jenem der Mutter. Unverständnis für die (Abwehr) Haltung des KESB gegenüber dem angekündigten Artikel kommt im Gegenzug aber dort auf, wo auf nachhakende Recherchefragen ein kategorisches ‚Njet’ erfolgte unterm stereotypen Hinweis, man dürfe nichts dazu sagen. Natürlich soll hier zur Verteidigung des KESB nicht verschwiegen werden, dass zu einem hängigen Fall keine Auskunft erteilt wird. Was aber nicht im Sinne interpretiert werden darf, dass man seitens Ämter nun dazu übergeht, der zum Ziele der Öffentlichkeitsinformation korrekt anfragenden Presse nun gleich gar jede Antwort zu verweigern.
Heikle Fragen
Was nämlich nach wie vor ungeklärt erscheint, artikuliert sich in den Worten von Kindsmutter Magdalena V. so: «Ämter und KESB lassen mich am ausgestreckten Arm verhungern. Sie sagen mir sinngemäss, ich sei wegen meiner misslichen finanziellen Lage ja eh nicht imstande, mein Kind in geordneten Verhältnissen zu halten, negieren aber den wichtigen Aspekt: Ich hätte genügend Geld, würde man mir mein Recht auf Vorausalimentierung zugestehen, wie es jede andere Alleinerziehende nach Gesetz einfordert. Man missbraucht die Tatsache meines Geldmangels, um ein wirksames Zusatzargument für die Kindswegnahme zu erschaffen. Zuerst stellt man einen Zustand her, um ihn dann gegen mich zu verwenden – fair?»
Leiden unter Burnout
Magdalena V.: «Dasselbe, wenn ich auf mein Recht zu unentgeltlicher Prozessführung poche: mir fehlt das Geld für den Anwalt, also haben sie gegen mich rechtlichen Laien leichtes Spiel. Sie sagen zwar im selben Atemzug, ich könne jederzeit einen unentgeltlichen Anwalt haben, so dem gerichtlich zugestimmt würde; wissen aber genau, dass ich diese Zustimmung nie erhalte…!»
Rechtslage geregelt
Hier verwechselt Kindsmutter Magdalena V. in ihrem Unmut die Chronologie im Ablauf. Gegen die (bereits erfolgte) Kindswegnahme kann sie durchaus noch Rekurs einlegen und benötigt dafür auch noch keinen Anwalt. Zwei Zeilen verfasst am Küchentisch zu Händen des Gerichts genügen. Zur unentgeltlichen Prozessführung gibt es aber eine gesetzliche Zusatzhürde: das Gesuch um freie Anwaltsstellung muss die minime Chance auf Gewährung beinhalten, sonst sagt das Gericht Nein. Diese Klausel aber bricht ihr das Genick: kein Gericht wird ihr einen Gratis-Anwalt stellen, gefahrlaufend, der bringe ihr das Kind in ihre tristen (Wohn-)Verhältnisse und der Burnout-gequälten Mutter zurück. Magdalena V. in klarer Erkenntnis: «Das Gerede von der angeblich fairen Chance für mich ist unwahr. Man will mir mein Kind wegnehmen und tut es. Was aber wird nun aus mir? Ich bin hilflos, gepeinigt vom Burnout und ständiger Einsamkeit. Ist es unseren Sozialstellen egal, was mir zustösst, solange sie nur mein Kind haben?» In der Tat ein beachtenswertes Argument. Erscheint es doch als unbefriedigende Lösung, hierzu auf eine Lösung schlicht zu verzichten. Geht man z.B. analog zum Status eines Alkoholikers im ‚delirium tremens’ davon aus, es treffe ihn keine persönliche Schuld, da er ja ein kranker Mensch sei und Zuwendung brauche, so ist nicht zu erklären, warum man Magdalena V. in ihrem Burnout und Seelenleid über das weggenommene Kind, dieselbe Situationseinschätzung nicht zugestehen will. Ist hierzu im humanitären Kontext tatsächlich die ‚ultima ratio’ vertretbar, es genüge, der Frau das Kind wegzunehmen und gleichzeitig jede weitere Verpflichtung zu moralisch-gesundheitlicher Hilfeleistung ihr gegenüber, als bereits erfüllt anzusehen? Konklusion: Ein gelegentliches Flimmern von Güte steht uns allen ganz gut an, auch wenn wir oft meinen, wir hätten das Recht stets selbst zu entscheiden, wer diese Zuwendung verdient und wer nicht. Kindsmutter Magdalena V. ist gestrauchelt, gewiss, also sollte unser soziales Konstrukt ihr nun wieder auf die Beine helfen, statt ihr atlasschwer im Genick zu liegen.
Charly Pichler