Die SVP hat am Mittwoch einen Vorstoss für mehr Mitsprache der Gemeinden angekündigt. Die KESB im Thurgau seien bürokratisch und verursachten den Gemeinden hohe Kosten.
Das Familiendrama in Flaach sei tragisch, habe mit seiner Interpellation aber nichts zu tun. Deshalb wolle er in der Diskussion nicht darauf eingehen, sagte SVP-Kantonsrat Max Brunner, Amtsleiter der Berufsbeistandschaft Weinfelden.
Trotzdem kam es am Mittwoch im Grossen Rat zu einer zweistündigen, teils emotionalen Debatte über die Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB), welche im Thurgau seit zwei Jahren in Kraft sind. Brunners Parteikollege Hermann Lei, Weinfelden, benützte den Fall Flaach für einen Rundumschlag gegen das «sozialistische Vormundschaftsgesetz».
Es sei in hohem Masse zynisch, aus dem Drama von Flaach politisches Kapital zu schlagen und die KESB im Thurgau zu verunglimpfen, sagte Alex Frei von der CVP Eschlikon. Die unsachlichen Vorwürfe seien ungerecht. Die KESB im Thurgau hätten in den ersten zwei Jahren gut gearbeitet und seien lernfähig, sagte Justizdirektor Claudius Graf-Schelling.
«Vergessen Sie nicht: Auch richtige Entscheide können in einer Tragödie enden», mahnte Graf. Ausserdem habe es auch im Thurgau viele tragische Fälle gegeben. «Man denke nur an Verdingkinder, Zwangssterilisationen oder die Missbrauchsfälle im ehemaligen Heim St. Iddazell des Klosters Fischingen», sagte Graf.
«Wer zahlt, hat nichts zu sagen»
Brunner kritisierte in seiner Interpellation «KESB im Thurgau: eine zielführende Umsetzung des Bundesrechts?» vor allem die hohen Kosten, welche die KESB durch ihre Anordnungen den Gemeinden verursachten. Es sei stossend, dass der Grundsatz «Wer zahlt, befiehlt» hier nicht gelte.
Die Berufsbeistandschaften seien in einer Sandwich-Funktion zwischen teilweise bürokratischen Anweisungen der KESB und dem zurückhaltenden Stellenetat der Gemeinden. Die SVP wolle dies ändern und werde einen Vorstoss einreichen, sagte Lei. Die Gemeinden sollten nicht nur eine Anhörungsmöglichkeit, sondern ein Mitspracherecht haben.
Hohe Kosten für Fremdplatzierungen
Zwar gebe es seit der Einführung der KESB keine Zunahme von Fremdplatzierungen. Trotzdem würden betroffene Gemeinden durch hohe Kosten belastet. Mit 5000 Franken pro Monat müssten sich die Gemeinden an den Kosten für die Fremdplatzierung eines Kindes beteiligen. Eine einzige Familie könne eine Gemeinde in arge finanzielle Bedrängnis bringen.
Die Frage sei, ob schutzbedürftige Kinder und Erwachsene besser geschützt und betreut seien, weil sie nach Einführung der KESB nicht mehr von Laien, sondern von Fachleuten begleitet würden, sagte Max Vögeli (FDP), Gemeindepräsident von Weinfelden. Es brauche kreative Lösungsansätze, keine sture Paragraphenreiterei. Es sei nicht einzusehen, weshalb Gemeinden bei wichtigen Entscheiden nicht mitreden dürften.
Fallzahlen steigen seit Jahren
Zu reden gab im Thurgauer Kantonsparlament auch der Anstieg der Fallzahlen im Kindes- und Erwachsenenschutz. Ende 2013 gab es laut der Regierung im Kanton Thurgau 3890 Massnahmen. Zwar seien diese wegen des Systemwechsels nicht direkt vergleichbar mit den Zahlen der Vorjahre.
Wenn man die Fallzahlen trotzdem vergleiche, zeige sich, dass sich der Trend seit der Einführung der KESB lediglich fortsetze und der Anstieg kontinuierlich sei. Im Jahr 2010 gab es 2210 laufende Massnahmen, Ende 2011 waren es 2973 und Ende 2012 liefen insgesamt 3364 Massnahmen.