2008 hat das Verfassungsgericht die Luxemburger Gesetzgebung über das elterliche Sorgerecht (autorité parentale) für verfassungswidrig erklärt, weil sie gegen das Gleichheitsprinzip verstößt. Im Falle eines unehelichen Kindes schreibt das Gesetz der Mutter das alleinige Sorgerecht zu, es sei denn beide Eltern sind sich einig, dass sie das gemeinsame Sorgerecht ausüben wollen, oder es liegt ein Gerichtsurteil vor, das das gemeinsame Sorgerecht anordnet.
Seit Jahren drängt die CSV, auch schon unter ihrem eigenen früheren Justizminister François Biltgen, auf eine Anpassung des Gesetzes. Nun ist die Reform des elterlichen Sorgerechts auf dem Instanzenweg, eingebettet in eine größere Reform des Familienrechts.
Aufkeimende Hoffnung
Damit es schneller geht, schlugen die Christlich-Sozialen vor, das elterliche Sorgerecht separat neu zu regeln. Vor kurzem hat die Oppositionspartei ihre Forderung wiederholt. Die Hoffnung keimte wieder auf, nachdem LSAP-Fraktionspräsident Alex Bodry bei der traditionellen parlamentarischen Rentrée seiner Partei eine mögliche Aufspaltung des Reformpakets in Aussicht gestellt hatte, sollte es sich als notwendig erweisen.
Die parlamentarische Arbeit an dem 312 Seiten starken Gesetzentwurf ist noch in ihren Anfängen. Die Vorsitzende des zuständigen Parlamentsausschusses, Viviane Loschetter (Déi Gréng), hält eine Abstimmung im Herbst 2017 für möglich.
Die Reform genieße absolute Priorität, sagte sie auf LW-Nachfrage. Den Vorschlag, das elterliche Sorgerecht aus dem Reformpaket herauszulösen, wehrte sie jedoch ab, mit dem Argument, das gemeinsame Sorgerecht werde bereits heute auch ohne gesetzliche Basis von den Gerichten appliziert. Die Reform in Einzelteile zu zerlegen, werde man nur dann in Erwägung ziehen, wenn sich herausstellen sollte, „dass wir in unserer parlamentarischen Arbeit nicht wie geplant voranschreiten“.
Auch der Vorsitzende der 2014 gegründeten Vereinigung „Elteren getrennt“, Romain Schroeder, drängt auf eine schnelle Anpassung der Gesetzgebung. Es reiche, die Artikel 302 und 378 des Code civil anzupassen, sagte er auf LW-Nachfrage.
Seit Jahren ein „vide juridique“
Die Ansicht Loschetters, das gemeinsame Sorgerecht werde auch ohne gesetzliche Basis von den Richtern appliziert, teilt er keineswegs. Auch heute noch würden Richter einem Elternteil das exklusive Sorgerecht zusprechen „oder die Sorgerechtsregelung kommt im Scheidungsurteil gar nicht vor, so dass Eltern, wenn sie das Sorgerecht haben, dies nicht beweisen können“, so Schroeder, der von einer unhaltbaren Situation sprach, bei der die Kinder die Leidtragenden seien.
Schroeder zufolge befinde man sich seit Jahren in einem „vide juridique“.
„Die einen sagen, wir können die Gesetzgebung nicht mehr anwenden, weil sie verfassungswidrig ist. Die anderen sagen, so lange die Gesetze nicht geändert wurden, müssen wir sie anwenden. Das ist ein Durcheinander sondergleichen“
, so Schroeder.
„Wir haben keine Gesetze, die uns sagen, was zu tun ist, wenn Gesetze verfassungswidrig sind.“
Die schriftliche Antwort von Premierminister Xavier Bettel an „Elteren getrennt“, wonach man das Problem im Rahmen der Verfassungsrevision lösen werde, stimmte die Vereinigung angesichts der noch ausstehenden Reform nicht wirklich zufrieden.
“Die Richtung stimmt”
In ihrer Grundausrichtung gehen die geplanten Änderungen Schroeder zufolge in die richtige Richtung. Die Vereinigung drängt aber auf eine obligatorische Schlichtung, weil sie der Ansicht ist, dass alle außergerichtlichen Mittel voll ausgeschöpft werden sollten, bevor Eltern vor den Richter treten.
Zudem ist sie der Ansicht, dass der Gesetzgeber die Kinderrechte fehlinterpretiert, wenn er Kindern ermöglicht, sich direkt an den Richter zu wenden, ihnen also ein Initiativrecht bezüglich des Sorgerechts gibt. „Kinder müssen gehört werden, aber es ist Aufgabe der Erwachsenen, sich zu einigen und die Kinder zu schützen“, so Schroeder.
(mig)