1,5 Jahre Baby-Auszeit für Mama und Papa?


Aline Trede (Grüne) verlangt einen Elternurlaub nach schwedischem Vorbild. Die Forderung stösst auf Kritik – auch wenn immer mehr Parteien über solche Modelle nachdenken.

Kommt in Schweden ein Baby zur Welt, erhalten Mutter und Vater zusammen 480 Tage Elternzeit. Sie können diesen Urlaub untereinander aufteilen, um sich ganz auf die Betreuung ihres Nachwuchses zu konzentrieren – mindestens 60 Tage muss der Vater beziehen. Anders in der Schweiz: Frauen erhalten hierzulande einen Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen oder umgerechnet 98 Tagen. Einen Vaterschaftsurlaub gibt es nicht.
Wenn vom Arbeitgeber nicht anders vorgesehen, kann ein Mann nach der Geburt seines Kindes lediglich einen Tag freinehmen – wie auch zum Zügeln oder bei einem Todesfall in der Familie.

Geht es nach der grünen Nationalrätin Aline Trede, soll sich das ändern: In der Wintersession will sie einen Vorstoss einreichen, der eine 1,5-jährige Elternzeit verlangt, wobei mindestens ein halbes Jahr vom Vater bezogen werden soll. «Nur so kann wahre Gleichstellung erreicht und das Potenzial der Frauen in der Wirtschaft ausgeschöpft werden», ist sie überzeugt. Finanziert werden soll die Elternzeit, wie der heutige Mutterschaftsurlaub, über die Erwerbsersatzordnung. Wie viel die Umstellung kosten würde, ist unklar. Berechnungen aus dem Jahr 2010 gehen davon aus, dass schon ein halbjähriger Elternurlaub 1,1 Milliarden Franken kosten würde.

Elternurlaub wird mehrheitsfähiger

Trede glaubt, dass sich eine Elternzeit trotz der hohen Kosten unter dem Strich lohnen würde. «Wenn die Frauen Familie und Beruf besser vereinbaren könnten, blieben sie nach der Geburt ihres Kindes eher im Beruf.» Zudem entspreche die Forderung einem gesellschaftlichen Bedürfnis: «Die meisten jungen Väter wollen nicht nur am Wochenende für ihre Kinder da sein.»

Tatsächlich scheint das Thema Elternurlaub immer mehr Menschen unter den Nägeln zu brennen. Die Jugendsession hat sich diesen Monat symbolisch dafür ausgesprochen, den heutigen Mutterschaftsurlaub in eine sechsmonatige Elternzeit umzuwandeln. Ein kürzlich erschienener Bericht der Eidgenössischen Kommission für Frauenfragen (EKF) kommt zudem zum Schluss, dass die Forderung auch in National- und Ständerat mehrheitsfähiger geworden ist: Laut einer Umfrage der EKF sehen Parteien bis weit ins bürgerliche Lager Handlungsbedarf – nur die SVP lehnt die Idee eines Elternurlaubs grundsätzlich ab. In der Vergangenheit waren Vorstösse zum Thema im Parlament stets chancenlos geblieben.

Mutterschaftsurlaub aufteilen?

Martin Candinas (CVP) kämpft im Parlament für einen zweiwöchigen bezahlten Vaterschaftsurlaub. Er ist überzeugt: «Frischgebackene Eltern brauchen Zeit für die Umstellung nach der Geburt eines Kindes. Diese Zeit sollten wir den Familien geben, nicht zuletzt auch weil die Rollenteilung zwischen Mutter und Vater heute vielfach eine andere ist als früher.» Die Forderung nach einer 1,5-jährigen Elternzeit lehnt er trotzdem klar ab. Sie sei «extrem und illusorisch». Das einzig Positive daran sei, dass der Vorstoss gemässigteren Anliegen wie seinem zum Durchbruch verhelfen könnte.

Das Gegenteil befürchtet Andrea Caroni (FDP). Er verlangt in einer Motion, dass der heutige 14-wöchige Mutterschaftsurlaub flexibel auf Mutter und Vater aufgeteilt wird – kostenneutral. «Wenn Aline Trede das Wort Elternzeit nun mit fast zweijährigen Ferien in Verbindung bringt, schadet das der Sache.» Eine solche Umverteilung gehe zudem zulasten der Kinderlosen. «Das darf nicht sein.»

Trede weist die Kritik ihrer Ratskollegen zurück: «Schweden zeigt, dass das Modell funktioniert.» Um ein zeitgemässes Familienleben führen zu können, brauche ein Paar mehr als zwei Wochen Vaterschafts- oder einen aufgeteilten Mutterschaftsurlaub. «Grundsätzlich wäre aber jeder noch so kleine Fortschritt in der Sache begrüssenswert.»

Von J. Büchi


20 Minuten.ch


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