FRAUENFELD. Im Auftrag des Kantonsarztes haben die Schulen begonnen, den Masern-Impfstatus ihrer Schüler zu erfassen. Jetzt schreitet der kantonale Datenschützer ein: Solche Daten zu erheben, sei nur unter bestimmten Bedingungen legal.
Das Thurgauer Gesundheitsamt ist bei der Masern-Prävention aus Sicht des Datenschutzes zu weit gegangen: Das Amt hat die Schulen dazu aufgefordert, den Masern-Impfstatus der Schülerinnen und Schüler zu erfassen, damit im Fall eines Masernausbruchs die ungeimpften Kinder rasch nachgeimpft oder vom Unterricht ausgeschlossen werden können (Ausgabe vom 8. Oktober). Schulen dürfen Daten zum Impfstatus aber gar nicht einfach so auf Vorrat sammeln. Zu diesem Schluss kommt der kantonale Datenschützer Fritz Tanner.
Personendaten über den körperlichen Zustand seien besonders schützenswerte Daten, sagt Tanner auf Anfrage. Sie dürften nur dann bearbeitet werden, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht. Aus Sicht Tanners gibt es aber keine Gesetzesbestimmung, die es den Schulen erlauben würde, den Impfstatus der Schulkinder abzufragen. Ausserdem sei die Bearbeitung der Impfdaten für den Schulbetrieb nicht zwingend erforderlich. «Die Schule benötigt diese Daten für die eigene Zweckerfüllung nicht und darf diese deshalb weder einverlangen noch auswerten noch weiterleiten», hält Tanner fest. Auch für andere Staatsstellen sei die vorzeitige Erhebung nicht erforderlich, sagt der Datenschützer mit Hinweis auf das Prinzip der Verhältnismässigkeit.
Zweifel am Sinn der Erhebung
Tanner äussert auch Zweifel am Sinn einer solchen Datensammlung: «Der Impfstatus einer Schülerin oder eines Schülers kann sich durch eine neue Impfung rasch ändern.» So bestehe die Gefahr, dass zwischenzeitlich geimpfte Kinder in die falsche Gruppe eingeteilt werden – und beim Ausbruch einer Masernepidemie irrtümlich mit Kontaktverbot oder Schulausschluss belegt werden. Zudem sei es gar nicht nötig, den Impfstatus im voraus zu erheben, sagt Tanner. Bei einem Ausbruch von Masern an einer Schule lasse sich mit den heutigen Kommunikationsmitteln zwischen Schule und Eltern der Impfstatus innert nützlicher Frist ermitteln.
Will eine Schule den Impfstatus trotzdem erheben, ist das nur unter einer Bedingung möglich: «Die Eltern müssen ausdrücklich damit einverstanden sein, dass diese Daten bearbeitet werden.» Sie müssen also darauf aufmerksam gemacht werden, dass die Erhebung freiwillig ist und sie sich auch weigern können, den Impfstatus ihrer Kinder anzugeben. Ein Meldeformular des Gesundheitsamts, das ein Teil der Schulgemeinden bereits für die Erhebung des Impfstatus verwendet, erfüllt diese Voraussetzung nicht. «Ein offizieller Brief, der nicht auf die Freiwilligkeit hinweist, wirkt einschüchternd», sagt Tanner. Würden die Daten so erfasst, sei das widerrechtlich.
Schulen, die den Impfstatus bereits erfasst haben, ohne die Eltern auf die Freiwilligkeit der Angaben hinzuweisen, müssten die Daten in letzter Konsequenz schreddern. Schulen, die die Erhebung noch durchführen wollen, sollen beim Fragebogen ausdrücklich auf die Freiwilligkeit hinweisen, sagt Tanner.
Amt geht über die Bücher
Kantonsarzt Olivier Kappeler konnte gestern noch keine Angaben zum weitere Vorgehen machen. Er will das Thema mit Datenschützer Tanner diskutieren. Möglich sei, dass die Fragebögen umformuliert würden, um die Eltern ausdrücklich auf die Freiwilligkeit der Angaben hinzuweisen, sagt Kappeler. Möglich sei auch, dass auf eine weitere Erhebung verzichtet werde. Kappeler verweist darauf, dass die Idee zur Erfassung des Impfstatus nicht vom Kanton komme, sondern vom Bundesamt für Gesundheit. «Ich gehe davon aus, dass das Bundesamt die rechtlichen und datenschützerischen Aspekte geprüft hat.»
Der Verband der Schulgemeinden will die Situation mit dem Gesundheitsamt klären. «Wir wollen zusammen eine Lösung suchen, um dem Auftrag des Bundes gerecht zu werden», sagt Präsident Felix Züst.