FRAUENFELD ⋅ Ein Thurgauer Vater kämpft bis vor Bundesgericht darum, seinen Sohn nach der Trennung annähernd gleichberechtigt betreuen zu dürfen. Er bekommt zwar teilweise recht. Entschieden ist aber noch nichts.
«Sie ist eine gute Mutter», sagt Georg T. (41) über die Frau, die bald seine Ex-Frau sein wird. Dabei ist er bis vor Bundesgericht gezogen in diesem Trennungsstreit. Nicht gegen sie. Sondern, weil er mehr Zeit mit seinem Sohn verbringen wolle. «Ich möchte ihn aufwachsen sehen.» Raphael (Name geändert) ist jetzt 9 Jahre alt, bald beginnt die Pubertät und damit die Ablösung von den Eltern. «Die Zeit läuft uns davon», befürchtet Georg T.
Seit zwei Jahren beschäftigt der Fall die Gerichte. Das Bezirksgericht Kreuzlingen hat entschieden, dass Raphael jedes zweite Wochenende beim Vater verbringt und jeden Mittwoch bei ihm übernachtet. Doch Georg T. will kein Wochenend-Papa sein und ruft das Obergericht an. Er beantragt alternierende Obhut. Er fordere keine 50-zu-50-Regelung. Aber: «Ich möchte meinen Sohn auch im Alltag erleben.»
Der Vater hat sich vorbereitet
Die Voraussetzungen dafür hat er bereits geschaffen: Er hat seine Arbeit so organisiert, dass er einen Teil davon zu Hause erledigen kann. Und er könnte sein Arbeitspensum noch reduzieren. Ausserdem wohnen die Eltern nahe beieinander. Vor dem Obergericht in Frauenfeld blitzt Georg T. ab. Er zieht den Fall weiter und bekommt vor dem Bundesgericht teilweise recht. Das Obergericht muss jetzt nochmals prüfen, ob die alternierende Obhut sich mit dem Wohl des Kindes verträgt.
Entschieden ist also noch nichts. «Das Bundesgericht hat das Gleichgewicht wieder hergestellt», sagt Georg T. Jetzt könnten alle Beteiligten die Sache nochmals ruhig angehen. Die Besonnenheit habe während des bisherigen Rechtsstreits mitunter gefehlt, gibt Georg T. zu. «Das gilt nicht nur für die anderen, sondern auch für mich.»
Weniger Streit ums Geld
Marcel Enzler ist Präsident der Kinderschutzorganisation Schweiz mit Sitz im Embrach. Er ist ein engagierter Verfechter der alternierenden Obhut. «Beide Eltern sind gleich wichtig», das ist für ihn der grösste Vorteil. Die Kinder kämen daher kaum in einen Loyalitätskonflikt.
Wenn Eltern sich die Obhut teilen, entfielen auch gegenseitige Unterhaltsansprüche, erklärt Enzler. «Damit ist der leidige Kampf ums Geld vorbei.» Die Schweizer Gerichte würden aber dem Zeitgeist hinterherhinken, kritisiert er. «Sträubt sich ein Elternteil, dann wird die alternierende Obhut bisher kaum umgesetzt.»
Die Weinfelder Kesb-Präsidentin Claudia Semadeni kennt aus ihrem privaten Umfeld Fälle, in denen die alternierende Obhut funktioniert. Sie sagt: «Es klappt, wenn die Eltern ein Team sind.»
(Von Ida Sandl) 😉