Gemeinsames Sorgerecht: Haltung des Bundesrates

“Wenn man davon ausgeht, dass die elterliche Sorge eben nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht ist , und wenn man davon ausgeht, dass Eltern Eltern bleiben, auch wenn sie sich trennen oder scheiden lassen, und dass sie auch Eltern des Kindes sind , wenn sie nicht miteinander verheiratet sind, dann ist klar, dass die elterliche Sorge sowohl der Mutter als auch dem Vater zusteht, und zwar unabhängig vom Zivilstand. Das ist der Inhalt dieser Gesetzesrevision.
Die gemeinsame elterliche Sorge soll in Zukunft die Regel sein, und zwar unabhängig vom Zivilstand der Eltern. Nur so wird die Gleichwertigkeit der Mutter-Kind- und der Vater-Kind-Beziehung anerkannt. [ … ]

Der Bundesrat ist der Ansicht, dass der Grundsatz der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Das gilt auch dann, wenn die Eltern geschieden oder nicht miteinander verheiratet sind. Indem wir den Grundsatz der gemeinsamen elterlichen Sorge neu ja auch im Achten Titel des Zivilgesetzbuches verankern, der den Wirkungen des Kindesverhältnisses gewidmet ist, bringen wir auch gesetzestechnisch zum Ausdruck, worum es geht: nicht um die Eltern, deren Trennung oder Scheidung, sondern um das Kind und um das Kindesverhältnis. [ … ] Das Ziel muss es sein, alles zu tun, um die Eltern an ihre gemeinsame Verantwortung für das Kind zu erinnern.

Mit der gemeinsamen elterlichen Sorge als Regelfall werden sich die Perspektive der Gerichte und der Kindesschutzbehörde sowie die Perspektive der Eltern in grundsätzli­ cher Art und Weise verändern. Die Gerichte respektive die Kindesschutzbehörden haben nicht mehr abzuklären, ob die Voraussetzungen für die gemeinsame elterliche Sorge gegeben sind, sondern allenfalls im Einzelfall, ob die Voraussetzungen für deren Entzug erfüllt sind. Dazu soll es nur kommen, wenn ein Elternteil nicht fähig ist, die Verantwortung für das Kind zu übernehmen, und ein Abrücken von der gemeinsamen elterlichen Sorge deshalb im Interesse des Kindes ist. Die Entscheidung über die elterliche Sorge soll nicht mehr für den Positionskampf zwischen den Eltern missbraucht werden können. Die gesetzliche Regel der gemeinsamen elterlichen Sorge für alle EItern bedeutet, dass den Eltern die gemeinsame Verantwortung für ihr Kind zugemutet wird und dass sie in Kinderbelangen nicht nur als kooperations- und kommunikationsfähig, sondern auch als kooperations- und kommunikationspflichtig erachtet werden. Den Eltern soll bewusst werden, dass mit der neuen Regelung Schwierigkeiten, die sie untereinander haben, nur ausnahmsweise zu einer Zuweisung der alleinigen elterlichen Sorge über das gemeinsame Kind führen. Das heisst, die elterliche Sorge ist nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht. Und wenn das Gericht feststellt, dass sich die Eltern nicht einig sind, kann es sie zu einem Mediationsversuch auffordern. [ … ] Dabei soll den Eltern klargemacht werden, dass eine Scheidung oder Trennung zwar das Ende der Beziehung der Eltern, nicht aber das Ende ihrer gemeinsamen Elternschaft bedeutet.”

"Wenn Unrecht zu Recht wird, wird WIDERSTAND zur Pflicht!"
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