Kesb bereitet Marcos Rückkehr vor

Die Zeit ­auf dem Erziehungsschiff Salo­mon neigt sich für den Schmerkner Jugendlichen dem Ende entgegen. Nun wird eine Nachfolgelösung gesucht.

Für den Schmerkner Jugendlichen Marco ist Land in Sicht: Derzeit läuft die Suche nach einer Nachfolgelösung nach seiner monate­langen Odyssee auf dem Erziehungsschiff Salomon, die im Mai 2014 begann. Laut der Mutter des Jugendlichen findet morgen Donnerstag ein Gespräch mit dem Schmerkner Schuldirektor Thomas Pedrazzoli sowie dem Beistand des Jugendlichen statt, in welchem es um mögliche ­schulische Lösungen geht – die Schulpflicht des Jugend­lichen dauert noch bis Sommer. Vorgesehen ist weiter, dass der bald 16-jäh­rige Jugendliche nicht zu Hause bei der Mutter, sondern ­ im Rahmen des Nachbereitungsprogramms «Gleis 1» im zürche­rischen Rafz untergebracht sein wird, welches ebenfalls von der Stiftung Jugend­schiffe betrieben wird.

Mutter wie auch Sohn lehnen diese Option nach Angaben der Mutter kategorisch ab. «Mein Sohn hat keinen guten Draht zu den Schiffsleuten und ist dezidiert dagegen», sagt Jeanette K.

Schule lehnt Marco ab

Wie sich zeigt, verlief die bishe­rige Planung von Marcos Rückkehr nicht völlig reibungslos. ­Ende November brachten die Schiffs­verantwortlichen den Jugend­lichen eigens für einen Vorstellungsbesuch in einem Sonderschulheim in die Schweiz. Nach dem eineinhalbstündigen Gespräch entschied der Schul­leiter des Sonderschulheims ­Bad Sonder im ausserrhodischen Teufen, Thomas Schwemer, gegen ­ die Aufnahme des Jugendlichen. Begründung: Der Jugendliche zeige zu wenig Interesse.

Schwemer äussert sich auf Anfrage nicht zum konkreten Fall. Generell hält er fest, dass man ­ von einem Jugendlichen nicht erwarte, dass er sich an einem solchen Gespräch absolut «geschliffen» verhalte. Es sei klar, dass jugend­liche Anwärter für einen Platz in der Sonderschule für Verhaltensauffällige oftmals per se schwierig seien.

Wenn sich aber zeige, dass einer nicht lernen wolle, dann ­sehe man von einer Aufnahme ab. «Wir nehmen permanent Jugend­liche auf, die das klare Ziel haben, einen Schulabschluss zu erlangen und danach eine Lehrstelle zu finden», sagt Schwemer. Sei diese Voraussetzung nicht gegeben, so sei ein solcher Jugendlicher bei einer Einrichtung, die praxis­bezogen auf den Einstieg ins Erwerbs­leben vorbereite, wohl besser aufgehoben.

Aus Sicht der Mutter hätte Marco besser aufs Gespräch vorbereitet werden müssen. Die Anwesenheit von Kesb- und Schulvertretern hätten ihn eingeschüchtert, deshalb habe er sich im Gespräch sehr zurückhaltend geäussert.

Die Mutter kritisiert, dass für den Besuch in der Schweiz kein Schnuppertag in der Schule organisiert wurde. «Dann hätte er Gelegen­heit gehabt, sich zu bewähren», sagt Jeanette K. Ausserdem versteht sie nicht, dass für seinen Besuch in der Schweiz nicht Vorstellungstermine an verschiedenen Schulen organisiert wurden.

Sohn leidet an Fussdeformation

Auf ihr Drängen hin konnte ihr Sohn im Rahmen des Kurzaufenthalts schliesslich einen längst fälligen Arzttermin wahrnehmen.

Der Jugend­liche leidet an einer angeborenen Fussdeformation. Durch einen Unfall auf dem Schiff habe sich die Fehlstellung eines Zehs drastisch verschlimmert, sagt die Mutter. Aus ihrer Sicht ­ ist es irritierend, dass die Betreiber des Schiffs die Reise in die Schweiz zwecks ärztlicher Kon­trolle die längste Zeit ausschlossen, den Sohn aber nun für den einzigen Schulbesuch in die Schweiz brachten.

Die Schiffsleiter nehmen derzeit keine Stellung zu Medien­anfragen. (Zürichsee-Zeitung)


 

Keine Betriebsbewilligung

Jugendschiff muss aufhören

Das Jugendschiff Salomon muss diesen Sommer die Segel streichen: Das zuständige Berner Jugend­amt erteilt für die Zeit ab August 2016 definitiv keine neue Betriebsbewilligung, wie Sven Colijn, Leiter der Abteilung Aufsicht und Bewilligungen, auf Anfrage der ZSZ bestätigt.

Laut Colijn hatte das Amt der Stiftung Jugendschiffe bis Weihnachten eine Frist gewährt, um ein Gesuch für den Betrieb des Schiffs mit einem neuen Konzept einzureichen. Diese Frist habe die Stiftung ungenutzt verstreichen lassen.

Das kantonale Jugendamt sieht es als einen fundamentalen Mangel an, dass es das diesseits und jenseits des Atlantiks segelnde Jugendschiff von der Schweiz aus nicht beaufsichtigen kann.

Das Konzept Jugendschiff steht laut Colijn aber auch auf rechtlich wackliger Basis: Die Platzierung eines Jugendlichen komme de facto einer geschlossenen Massnahme gleich. Für den Betrieb einer geschlossenen Einrichtung ist eine Bewilligung des Bundesamtes für Justiz erforderlich, ­diese liege fürs Jugend­schiff nicht vor.

Freiheitsbeschränkende Massnahmen für Jugendliche seien ­ in einer speziellen Verordnung (FMJG) geregelt, um bei solch ein­schneidenden Eingriffen in die Freiheit der Jugendlichen sicher­zustellen, dass deren Grund­rechte gewährleistet sind. Die betroffenen Einrichtungen sind in der Verordnung namentlich erwähnt, sagt Colijn, das Jugend­schiff gehöre nicht dazu.

Dass die bestehende Bewilligung per 31. Juli 2016 ausläuft, hatte das kantonale Jugendamt bereits im Herbst 2014 mitgeteilt. Mit einer langen Frist wollte man der Stiftung den «geordneten Ausstieg» ermöglichen, wie es ­damals hiess. Für die Jugendlichen sollten adäquate Anschlusslösungen gefunden werden.

Bis zuletzt hatten sich die Betreiber des Jugendschiffs punkto Zukunft zuversichtlich gezeigt. Durch Medienberichte und stiftungseigene Publikationen konnte gar der Eindruck entstehen, das Jugendamt habe seine kritische Einschätzung inzwischen grundlegend geändert.

Zur jüngsten Bekräftigung des Jugendamtes, dass die Bewilligung ausläuft, wollte die Stiftung keine Stellung nehmen. Nach dem 11. Januar folge eine offizielle Stellungnahme, teilt Co-Leiter Mario Schmidli auf Anfrage mit. (ua)


Nachgefragt

Walter Grob, Leiter Kesb Linth

Die Stiftung Jugend­schiffe hat kein neues Konzept vorgelegt; die Bewilligung läuft Ende Juli 2016 aus. Was heisst das für die bestehende, von der Kesb Linth verfügte Platzierung von Marco?

Walter Grob: Wir gehen davon ­ aus, dass die Platzierung auf ­dem Jugend­schiff vor Ablauf der verbleibenden 30 Wochen beendet wird. Momentan laufen Ge­spräche mit der Schule Schme­ri­kon, ­dem Schulpsychologischen Dienst, dem Beistand und der Mutter betref­fend einer geeigneten Anschlusslösung.

Im Fall des Schmerkner Jugendlichen scheint der Schiffsaufenthalt nicht dazu motiviert zu haben, sich in einen schulischen Kontext einzufügen und auf einen Schulabschluss ­hinzuarbeiten.

Dieser Eindruck ist falsch. ­Das Ziel der Schiffsplatzierung ist ­ das Erlernen von grund­legen­dem Verhalten in einer sozialen ­Gruppe, wie Respekt, Umgangston, Verantwortung, Einhaltung von Regeln. Die meisten der Jugend­lichen an Bord hatten vor der Platzierung mehrere fehl­geschlagene Schulungsversuche hinter sich oder verweigerten ­ den Unterricht über längere Zeit. Durch die Wiederherstellung ­ der Schulungsbereitschaft auf dem Schiff Salomon steigt der Schulerfolg der meisten Jugend­lichen ge­gen­über ihren früheren Schulverweigerungen deutlich ­an. Zu Musterschülern werden sie ­damit aber noch nicht.

Lohnt es sich im vorliegenden Fall, das Schiffsprogramm noch wochenlang weiterzuführen?

Der Nutzen einer Massnahme wird laufend überprüft. Es gehört zum Auftrag des Beistands, eine Anpassung oder Aufhebung der Massnahme zu beantragen, wenn das mit der Massnahme verfolgte Ziel nicht oder nicht auf diesem Weg erreicht werden kann.

Der Jugendliche hat zu den ­ Vertretern der Stiftung Jugendschiffe keinen guten Draht. ­ Hält die Kesb daran fest, dass er ausgerechnet im stiftungs­eigenen Angebot «Gleis 1» nachbetreut werden muss?

Die zuständige Schulbehörde, der Schulpsychologische Dienst und der Beistand sind momentan daran, die Anschlusslösung zusammen mit dem Jugendlichen und der Mutter zu organisieren. Welche Wege offenstehen, hängt entscheidend von der Motivation des Jugendlichen ab. Während seines Schiffsaufenthalts hat er gelernt, dass der Erfolg von seiner Haltung und seiner eigenen Leistungsbereitschaft abhängt.

Kommt aus Sicht der Kesb ­ statt einer schulischen Lösung auch ein berufsvorbereitendes Programm infrage?

Bis zur Erfüllung seiner obligatorischen Schulpflicht im Sommer hat er nun Gelegenheit zu zeigen, ob und in welchem Mass eine weitere Investition in seine Ausbildung sinnvoll ist.

Das Interview wurde schriftlich geführt.


Zürichsee-Zeitung.ch


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