Seit der Revision des Zivilgesetzbuchs vom 1. Juli 2014 können Eltern das gemeinsame Sorgerecht mit einer einfachen Erklärung beantragen. Früher mussten sie dafür einen gemeinsamen Antrag mit schriftlicher Regelung der Unterhaltskosten und Betreuungszeiten einreichen.
Die damit verbundene Bürokratie kostete nicht nur Zeit, sondern auch rund 200 Franken. «Früher war die Bearbeitung eines Antrags tatsächlich mit einigem administrativem Aufwand verbunden», hat Michael Allgäuer, Präsident der Stadtzürcher Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb), am Freitag vor den Medien gesagt. «Dafür haben wir jetzt mit den einseitigen Anträgen wiederum mehr zu tun.» Gemeint ist, dass neu auch nur ein Elternteil einen Antrag auf gemeinsames Sorgerecht stellen kann. Dies setzt voraus, dass der andere Elternteil meist nichts vom gemeinsamen Sorgerecht hält. In solchen Fällen muss die Kesb intervenieren. Im zweiten Halbjahr 2014 gingen bei der Kesb der Stadt Zürich 62 solcher einseitigen Anträge ein. 14 davon wurden bisher erledigt, abgewiesen wurde keiner.
Die gemeinsame elterliche Sorge wird laut Allgäuer immer mehr zum Normalfall. So sei der Anteil unverheirateter Eltern mit einem gemeinsamen Sorgerecht seit 2009 von 67 Prozent auf 80 Prozent in der zweiten Hälfte des Jahres 2014 gestiegen. Von einer erhöhten Zunahme seit der Neuregelung könne man aber nicht sprechen. Die neue Reglementierung des gemeinsamen Sorgerechts findet Allgäuer sinnvoll: «Durch die Vereinfachung werden mehr Erklärungen eingereicht. Vor allem für Väter ist der einseitige Antrag ein echter Gewinn.» Denn diese konnten bisher das gemeinsame Sorgerecht nur erwirken, wenn die Mutter damit einverstanden war.
Gemäss Neuregelung werden bei getrennten Eltern im Streitfall weder die Höhe der Unterhaltskosten noch die Dauer der Kindesbetreuung bestimmt. Die Unterhaltskosten werden vom Gericht festgesetzt, die Kesb reguliert die Betreuungszeiten. Zudem, so betonte Allgäuer, könne die ideale gemeinsame elterliche Sorge von getrennten Eltern nicht allein durch die Behörde gewährleistet werden. Vielmehr brauche es Eltern, die ihre Konflikte zum Wohle des Kindes zurückstellen können.
Das gemeinsame Sorgerecht regelt die Entscheide über wesentliche Kinderbelange, die von beiden Elternteilen gemeinsam getroffen werden müssen. Dazu gehören etwa medizinische Belange und Ausbildungsfragen. Bei alltäglichen Angelegenheiten kann der betreuende Elternteil alleine entscheiden.
Die Kesb verzeichnete im Übrigen eine Zunahme der Massnahmen für Erwachsene während der letzten vier Jahre. Auch was die Anordnungen und Placierungen bei Minderjährigen betrifft, ist die Tendenz steigend. Die Jahresbilanz fällt allerdings positiv aus; alle neuen Anträge sowie 6 Prozent der Altlasten konnten erledigt werden. Jedoch seien die Arbeitsbelastung der Kesb-Mitarbeiter und deren psychische Beanspruchung sehr hoch, sagte Allgäuer. (ced)