Der ehemalige Amtsarzt von Rapperswil wollte dem achtjährigen Marco* helfen, der von der Kesb mitgenommen wurde. Jetzt äussert er schwere Kritik an der Behörde.
Bernd Lagemann ist ehemaliger Amtsarzt von Rapperswil und betreute die Familie von Denise Keller, deren Sohn am 7. Februar von der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Linth (Kesb) mitgenommen wurde. Laut der Mutter begründete die Kesb ihr Vorgehen damit, dass sie zu 100 Prozent arbeite und sich deshalb nicht um ihren Sohn kümmern könne. Seither weiss sie nicht, wo ihr Sohn ist. Keller hatte sich an Lagemann gewandt, weil es zum Streit um das Besucherrecht mit dem Vater gekommen war.
Für Lagemann war klar, dass die Besuche des Vaters dem Sohn geschadet haben. «Das äusserte der Knabe nicht nur direkt, sondern es gab nach Vaterbesuchen auch eindeutige psychische und körperliche Anzeichen», sagte Lagemann zu den «Obersee-Nachrichten». Für ihn war sofort klar, dass die Besuche ein Ende haben mussten. Doch die Kesb habe seine Diagnose nicht anerkannt. Mehr noch: Die zuständige Frau habe behauptet, er sei gar kein Arzt.
Kesb beschwert sich beim Vorgesetzten
Sie habe die Vaterbesuche einfach weiterlaufen lassen. Damit habe sie ihre Kompetenzen überschritten, sagt der ehemalige Amtsarzt. Verzweifelt habe er dann versucht, eine Stelle zu finden, die der Kesb übergeordnet ist. «Ich wollte mitteilen, dass die Kesb-Leiterin ihre Kompetenzen überschreitet.» Doch weder das Sozial- und Justizdepartement noch die Staatsanwaltschaft in Uznach hätten sich verantwortlich gefühlt. «Die Kesb hat eine ungeheure Macht. Und wenn sie inkompetent agiert, kann man unmittelbar nichts dagegen tun.»
Als Marco an einem Wochenende an Masern litt, reichte es Lagemann. «Ich stellte eine amtsärztliche Verfügung aus, damit er an dem Wochenende nicht zum Vater konnte.» Die Kesb-Leiterin habe noch behauptet, der Knabe hätte gar keine Masern. «Jeder weiss, wie das aussieht», sagt Lagemann. Die Kesb habe seinen Entscheid akzeptieren müssen. Beschwert hätte sie sich trotzdem – und zwar bei seinem Vorgesetzten, dem Kantonsarzt Markus Betschart. Dieser habe ihm gesagt, dass er die Kesb nicht mehr in Frage stellen solle.
«Es ist faktisch eine Entführung»
Für den 67-Jährigen ist klar, dass es nur ums Rechthaben ging. «Die Kesb konnte nicht akzeptieren, dass Fehler begangen wurden, und wollte ihren Macht auf schikanöse Art durchsetzen.» So habe die damalige Kesb-Leiterin nach einem Gespräch mit dem Kind behauptet, es wolle den Vater besuchen. «Gegenüber mir sagte der Junge aber, dass er das Gegenteil gesagt habe», so der ehemalige Arzt. Als er die Kesb-Leiterin darauf ansprach, soll diese gesagt haben, dass man kleine Kinder nicht ernst nehmen könne. Für Lagemann ein weiteres Zeichen, dass die wahre Bedrohung für das Kind die Kesb gewesen sein soll. Da er die Eskalation kommen sah, kontaktierte er fünf Wochen, bevor Marco in der Schule abgeholt wurde, die Polizei. «Ich bat darum, mir sofort Bescheid zu geben, falls sich die Kesb an die Polizei wendet», sagt er. Die Polizei sei nicht gross darauf eingegangen. Deshalb trägt sie für Lagemann eine Mitschuld am Verschwinden des Achtjährigen. «Es ist auch als Staatsangestellter nicht verboten, Zivilcourage zu zeigen.» Er habe der Polizei gesagt, dass der Junge bei der Mutter nicht gefährdet sei. «Das ist faktisch eine Entführung, welche die Kesb angeordnet hat», sagt Lagemann. Wie für die Mutter heisst es nun auch für ihn abwarten, denn der Fall liegt bei der Verwaltungsrekurskommission.
Die ehemalige, sowie die aktuelle Kesb-Führung wollte keine Stellung nehmen.
*Name geändert