Bruno Röthlisberger fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen – und seine Ex sehe ihn lediglich als Zahlvater.
Der Advent ist für Bruno Röthlisberger (44) keine Zeit der Vorfreude. Je länger die Tage werden, umso mehr vermisst er sein Söhnchen Nico (2). Wochenlang hat er den Buben nicht gesehen. Schlimmer noch: Ob er Nico je wieder begegnen wird, weiss der ledige Vater aus Chur nicht. «Seine Mutter unternimmt alles, damit ich ihn nicht in die Arme schliessen kann», sagt er.
Auch Ermahnungen der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Nordbünden brachten nichts, im Gegenteil. Die Mutter liess das Amt wissen: Sie sehe nicht ein, dass Nico Zeit mit seinem Vater verbringen soll. Anfang November dann der grosse Schock. Röthlisberger: «Ich erfuhr, dass sich meine Ex-Partnerin abgemeldet hatte – und mit Nico nach Spanien ausgewandert war. Den Hund und die Katzen hatte sie mitgenommen!»
Seither ist jeder Kontakt abgebrochen. Der Vater, Projektleiter in einer Firma für Schiebetüren und Garagentore, ist bedrückt und besorgt: «Meine Ex beantwortet keine E-Mails, Anrufe laufen ins Leere. Ich habe keine Ahnung, wo Nico lebt – und wie es ihm geht.»
Er fühlt sich ohnmächtig, von den Behörden im Stich gelassen. «Ich bin ein Zahlvater ohne jegliche Rechte», sagt er. «Meine Ex ist ganz offensichtlich ausgewandert, weil 2014 das neue Gesetz zum gemeinsamen Sorgerecht in Kraft tritt und ich Nico dann häufiger sehen kann. Das will sie verhindern.» Dank dem neuen Gesetz wird das gemeinsame Sorgerecht zum Regelfall – heute fällt dieses bei einer Trennung meist der Mutter zu. Weil sich die Kantone nicht in der Lage sehen, die Revision wie geplant ab 1. Januar zu realisieren, hat der Bundesrat die Inkraftsetzung um ein halbes Jahr verschoben (siehe Box).
Oliver Hunziker von der Schweizerischen Vereinigung für gemeinsame Elternschaft: «Hier wiehert der Amtsschimmel auf dem Buckel der Kinder!» Das Gesetz enthält eine Rückwirkungsklausel. Getrennte Väter können das gemeinsame Sorgerecht rückwirkend beantragen, falls die Trennung nicht weiter als fünf Jahre zurückliegt. Hunziker schätzt: «Durch die Verschiebung verfällt dieses Recht für rund 1000 Väter in der Schweiz.»
Beistand nützt nichts
Bruno Röthlisberger ist von der Verschiebung nicht betroffen. Das gemeinsame Sorgerecht steht ihm laut Gesetz zu, sobald es in Kraft tritt. «Endlich erhalten wir getrennten Väter mehr Rechte. Ich will doch nur meinen Sohn sehen!»
Der Bündner befürchtet, dass es Tausenden Vätern ergehen könnte wie ihm: dass sich Mütter keinen Deut um Besuchsregelungen kümmern. Seine Ex-Partnerin habe sich von Anfang an geweigert, das Sorgerecht zu teilen. Die festgelegten Besuchszeiten hielt sie selten ein. Ermahnungen nützten nichts.
Im Sommer entschied die Kindes- und Erwachsenenbehörde, Nico einen Beistand zur Seite zu Stellen, welcher die regelmässigen Kontakte zum Vater sicherstellen sollte. Seither konnte Röthlisberger seinen Sohn viermal besuchen – in der Wohnung der Mutter. Am 19. Oktober hätte er Nico zum ersten Mal zu sich nach Hause nehmen dürfen. Doch die Mutter erschien nicht zum Übergabetermin. «Es ist zum Verzweifeln. Auch die Behörden können mein Besuchsrecht nicht durchsetzen, obwohl es ihre Aufgabe wäre», sagt Röthlisberger. Als er sich an die Behörden wandte, nachdem seine Ex-Partnerin mit Nico ins Ausland verschwunden war, kam die nächste schlechte Nachricht. «Man sagte mir, das verfügte Besuchsrecht könne auch in Spanien vollstreckt werden. Dafür seien jetzt aber die spanischen Behörden zuständig.»
Die Mutter bestreitet, dass sie nach Spanien geflohen sei. Sie habe schon immer dort leben wollen. Sie bestätigt aber, dass sie zwischen Nico und seinem Vater «keinen Kontakt mehr dulden» werde.