Stadt und KESB wollen Leserbriefe zensurieren

Stadt und KESB wol­len Le­ser­brie­fe zen­su­rie­ren

Die 16-seitige Klageschrift von Stadt und KESB richtet sich gegen die ON, gegen die Publikation von Lesermeinungen, gegen den Ex-Amtsarzt und gegen Betroffene. Wer die Klage bezahlt, ist (bis jetzt) unklar. So viel vorneweg: Die Klage von Rapperswil-Jona und KESB wegen der ON-Berichterstattung zur KESB steht rechtlich auf wackligen Füssen. Zwei Anwälte führen unabhängig voneinander aus, dass Rapperswil-Jona möglicherweise nicht klageberechtigt sei. Denn es gehe hier um die KESB und nicht um die Stadt. Wahrscheinlich interessiert die Steuerzahler auch, wer die Klagekosten bezahlt: die KESB oder die Stadt? Die Klageschrift gegen die ON-Redaktoren Bruno Hug und Mario Aldrovandi, ausgearbeitet von Bachmann Rechtsanwälte aus Zürich, ist immerhin 16 Seiten lang. Sie dürfte nach Schätzung eines Anwalts einiges über 10 000 Franken gekostet haben.

Keine Info über Kosten

Wissen möchte man auch, wer die Bachmann Rechtsanwälte bestimmt hat, und ob die Stadt geklärt habe, ob sie als Klägerin legitimiert sei. Zu all den Fragen schrieb Stadtpräsident Erich Zoller letzten Freitag: Laut Öffentlichkeits- gesetz müsse «über die inhaltliche Bearbeitung» von «hängigen Geschäften» nicht informiert werden. «Wahrscheinlich» aber werde am nächsten Stadtforum darüber informiert (Dieses fand gestern Abend nach Redaktionsschluss statt).

Zensur en masse

Erstaunlich ist, was der Stadtrat und Dr. Walter Grob von der KESB in ihrer Klageschrift verlangen: Sie wollen, dass sage und schreibe 146 Passagen aus dem ON-Archiv zu KESB-Berichten gestrichen werden. Das Wunsch-Streichkonzert allein erstreckt sich über volle elf Seiten. Zugleich machen sich Stadt und KESB an ein Novum in der Schweizer Medienlandschaft: Sie wollen Leserbriefe, und damit Bürgermeinungen, zensurieren. Konkret verlangen sie, dass aus 24 Leserbriefen insgesamt 32 Passagen aus dem ON-Archiv gelöscht werden. Stadt und KESB wollen also nicht nur den ON, sondern auch der Bürgerschaft verbieten, sich kritisch zur KESB zu äussern. Damit nicht genug: Es sollen auch Passagen aus dem Interview mit Dr. med. Bernd Lagemann, dem Ex-Amtsarzt von Rapperswil-Jona, eliminiert werden. Er hat sich in den ON zur unglablichen Aktion geäussert, dass die KESB in Jona Anfang 2014 einen achtjährigen Jungen mit der Polizei aus dem Schulzimmer holen liess. Unter anderem soll seine Aussage, es sei der KESB Linth «nur noch ums Rechthaben gegangen», zensuriert werden! Im Klartext: Die Stadt will ihrem Ex-Amtsarzt sein Recht auf freie Meinungsäusserung verbieten.

Zensur geht noch weiter

Zensuriert werden sollen auch die Aussagen von Theres Engeler, Präsidentin der «Stiftung Jugendrecht». Beispielsweise soll ihre im ON-Interview gemachte Aussage, das Jugendschiff sei «ein Gefängnis», gelöscht werden. Und das, obwohl das für die Schiffszulassung zuständige Berner Amt offiziell mitgeteilt hat, der Schiffsaufenthalt komme einem «Einschluss», also einem Gefängnis gleich. Auch Aussagen von Schriftstellerin Zoë Jenny und der Mutter von Marco H. sollen teilweise im ON-Archiv gelöscht werden.

Wie weiter?

Anfang März hat das Vermittlungsamt den ON einen Schlichtungstermin auf Ende April vorgeschlagen. Aufgrund von Ferienabwesenheiten ist nun der 26. Mai 2016 fixiert. Interessant wird sein, wie Stadt und KESB argumentieren, warum die einzelnen Passagen in Leserbriefen, Interviews, Artikeln und Kommentaren zensuriert werden sollen. Und vielleicht ist bis dann auch klar, ob die Stadt als Klägerin zugelassen ist, und wer die Kosten bezahlt: Die Stadt Rapperswil-Jona, respektive deren Steuerzahler, oder die KESB, und damit die Steuerzahler von Rapperswil bis Amden?

Bruno Hug, Mario Aldrovandi


Obersee Nachrichten.ch


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