Im Flüchtlingsbereich steigen Kosten für Sozialhilfe und für Kinderschutzmassnahmen.
Als Controllerin kann Martina Bircher mit Zahlen umgehen und sie weiss, was eine Vollkostenrechnung ist. Und weil das so ist, versucht die Aargauer SVP-Grossrätin herauszufinden, wie teuer die Flüchtlingspolitik des Bundes den Kanton und ihre Gemeinde unter Berücksichtigung aller Aufwendungen zu stehen kommt. Zwar erheben Bund, Kantone und Gemeinden jeweils Zahlen – eine Gesamtsicht gibt es jedoch nicht.
Deshalb reichte Bircher dieser Tage im Kantonsparlament einen Vorstoss ein, in dem sie von der Regierung eine Übersicht über die Auswirkungen des Asyl- und Flüchtlingswesens auf die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) fordert. Konkret will die SVP-Grossrätin wissen, wie viele Personen verbeiständet sind und wie viel die Kesb-Massnahmen kosten. Gestützt auf ihre Erfahrung als Sozialvorsteherin von Aarburg vermutet Bircher, dass die Kosten in diesem Bereich massiv gestiegen sind.
Wenige Flüchtlinge kosten viel
Aktuell gibt das 7796 Einwohnerinnen und Einwohner zählende Aarburg pro Jahr vier Millionen Franken für die Sozialhilfe aus – gut die Hälfte davon für anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene, deren Anteil an der Bevölkerung beträgt 2,6 Prozent. Die Gemeinde muss die Kosten übernehmen, weil der Bund nur während maximal sieben Jahren für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene zahlt. Und weil die Schutzquote des Bundes so hoch ist, dass jeder zweite Asylbewerber in der Schweiz bleiben kann, werden die Sozialkosten in den Gemeinden auch künftig steigen. Zumal die Mehrheit der Flüchtlinge und der vorläufig Aufgenommenen auch nach Jahren in der Schweiz von der Sozialhilfe lebt.
Allerdings ist laut Bircher nicht allein die tiefe Erwerbsquote Grund für hohe Sozialkosten. Mit der steigenden Zahl von Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen aus Eritrea hätten in ihrer Gemeinde auch die Kindes- und Erwachsenenschutzfälle zugenommen. Die Mehrheit der Kesb-Fälle im Flüchtlingsbereich besteht aus Eritreern, sagt Bircher.
«Bei uns leben derzeit 170 Personen aus Eritrea und 15 Prozent von ihnen sind verbeiständet.»
Das Beispiel Hagenbuch
In der Regel gehe es dabei um Massnahmen zum Schutze der Kinder wie Fremdplatzierungen oder das Einsetzen von Erziehungsbeiständen. Bircher schätzt die Kosten auf jährlich 290 000 Franken, wovon 130 000 Franken auf die Gemeinde entfielen – exklusive Sozialhilfe und Sonderschulen. Dass die Kesb-Fälle bei Flüchtlingen generell zugenommen haben, bestätigen auch Fachleute aus anderen Gemeinden. Zitieren lassen will sich allerdings niemand. Und auch hier gibt es keine Zahlen. Bei der nationalen Konferenz für Kindes und Erwachsenenschutz (Kokes) heisst es nur, man würde den Flüchtlingsbereich nicht gesondert erfassen.
Wie sehr Kesb-Fälle ins Geld gehen können, zeigte die Zürcher Gemeinde Hagenbuch, der wegen einer eritreischen Familie eine Steuererhöhung drohte. Die 1 100 Einwohner zählende Gemeinde zahlte monatlich etwa 30 000 Franken, weil drei der sieben Kinder in Heimen untergebracht sind. Die vierte Heimplatzierung zahlt der Kanton. Für Hagenbuch hat sich das Problem inzwischen gelöst: Die Familie ist in eine andere Gemeinde gezogen.
(Basler Zeitung)