«Warum Billag, aber keine Zeitungssteuer?»

Ein deutscher Bericht kritisiert die «Zwangsabgaben» für ein öffentliches TV-Programm. Die Studie birgt auch aus Schweizer Sicht Zündstoff.

Im Juni stimmt die Schweizer Bevölkerung darüber ab, ob künftig alle Haushalte und Firmen eine Radio- und TV-Gebühr entrichten müssen – auch solche, die keine entsprechenden Empfangsgeräte besitzen. Deutschland hat diesen Systemwechsel schon 2013 vollzogen. Doch wie in der Schweiz tobt auch bei unseren nördlichen Nachbarn ein Streit darüber, ob es richtig ist, dass auch Leute ohne Radio und TV die Mediengebühr bezahlen müssen.

Für zusätzliche Aufregung sorgt nun ein Gutachten einer Professorengruppe. Die wissenschaftlichen Berater des deutschen Bundesfinanzministerium gehen mit den neuen «Zwangsgebühren» hart ins Gericht. Für sie wäre es sinnvoller, wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk entweder direkt von den Steuern bezahlt würde – oder dann nur von jenen, die das Angebot tatsächlich nutzen.

Unterschiede zwischen Zeitungs- und TV-Markt

Im ersten Fall gehe davon aus, dass das Angebot der gebührenfinanzierten Sender für die Meinungsbildung wichtig ist und entsprechend allen Bürgern zur Verfügung stehen muss. Dann müsse das Leistungsspektrum jedoch auf jenen Bereich reduziert werden, der nicht durch die Privaten abgedeckt wird. Oder man betrachte die Radio- und Fernsehprogramme als «Clubgüter», die je nach Bedarf abonniert werden können oder nicht.

Grundsätzlich stellt das Gremium die Frage, ob es richtig sei, dass der Rundfunkmarkt durch «Zwangsabgaben» finanziert werde, während der Zeitungsmarkt privat funktioniere. Schliesslich hätten beide sehr ähnliche Grundlagen und Aufgaben. «Die technischen Gründe, mit denen einst das System des öffentlichen Rundfunks gerechtfertigt wurde, sind heutzutage weitgehend verblasst.»

«Rat stellte SRG unter Heimatschutz»

Billag-Kritikerin Natalie Rickli (SVP) fühlt sich vom Gutachten bestätigt. Sie betont, die SVP habe im Parlament gefordert, dass zuerst die Service-public-Definition festgelegt wird, bevor über das Finanzierungssystem abgestimmt wird. «Die Mehrheit des Rats wollte die SRG aber lieber unter Heimatschutz stellen, bevor über den Leistungsauftrag gesprochen werden kann.» Auch alternative Finanzierungsmodelle hätten im Parlament keine Chance gehabt.

Für Rickli ist klar: «Nun muss die Eidgenössische Medienkommission dem deutschen Vorbild folgen und ebenfalls einen solchen Bericht erstellen.» Die Kommission müsse analysieren, welche privaten Angebote es bereits heute gebe und welche erbracht werden könnten. Wären Sender wie 3+ zum Beispiel bereit, Formate wie «The Voice of Switzerland» oder «Schweizer Talente» zu produzieren? Dann könnten die Gebühren deutlich gesenkt werden, so Rickli. «Zudem darf man auch in der Schweiz die TV-Gebühren mit dem Verweis auf den Zeitungsmarkt kritisch hinterfragen.» Dieser funktioniere schliesslich auch «ohne allgemeine Zeitungssteuer».

«Es profitieren alle von den Leistungen des SRF»

Anders sieht dies der Zürcher SP-Nationalrat Thomas Hardegger. «Die Ergebnisse aus Deutschland können auf keinen Fall mit der Situation in der Schweiz verglichen werden.» Unser Land sei viel kleiner, zudem müssten alle Sprachregionen kompetent informiert werden. Hardegger macht darauf aufmerksam, dass die SRG einen klaren gesetzlichen Auftrag habe, den sie nur mit Hilfe von Gebührengelder erfüllen könne.

Dass neu alle Haushalte eine TV-Abgabe leisten sollen, findet er richtig. «Es profitieren indirekt ja auch diejenigen von den Leistungen des SRF, die tatsächlich nie eine Sendung konsumieren, indem das Verständnis zwischen den Landesteilen und der soziale Zusammenhalt gestärkt werden.» Die Frage, warum es eine TV-Abgabe, aber keine Zeitungsabgabe gebe, hält er für unberechtigt. «Die Printmedien werden durch die Presseförderung auch mit 50 Millionen jährlich unterstützt, beispielsweise dadurch, dass die Zustellung verbilligt wird.» Die Einnahmen der Billag belaufen sich derzeit auf rund 1,3 Milliarden Franken.

Schweizer Bericht geplant

Die Eidgenössische Medienkommission, die den Bundesrat und die Verwaltung in Medienfragen berät, will sich auf Anfrage nicht zum Gutachten der deutschen Kollegen äussern. Kommissionspräsident Otfried Jarren, Professor für Publizistikwissenschaft an der Universität Zürich, sagt auf Anfrage, man kommentiere oder bewerte fremde Gutachten grundsätzlich nicht. Bis Ende Jahr soll aber ein eigener Bericht zur Service-public-Thematik erscheinen. (Von J. Büchi/ F. Meier)

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