Wie viel bekommt ein Asylant?

Die meisten abgelehnten Asylbewerber dürfen als vorläufig Aufgenommene bleiben. Mit Zugang zu Sozialhilfe ab dem 
ersten Tag. Oft fahren sie besser als AHV-Rentner.

Vergleich AHV und Sozialhilfe

Infografik: TNT – Graphics AG

Gewisse Leistungen für Asylanten gehen über die Ansprüche der AHV-Rentner hinaus.

Sozialvorsteher in mehreren Schweizer Gemeinden sind alarmiert. Sie sehen durch die Flüchtlingsströme ein finanzielles «Fass ohne Boden» auf sich zukommen, wie es in vertraulichen Gesprächen heisst. Erste Politiker prangern im Wahlkampf an, es könne nicht sein, dass abgewiesene Asylbewerber am Ende des Monats mehr staatliche Leistungen beziehen als ein Pensionär, der sein Leben lang in die AHV einbezahlt hat. Ist es tatsächlich so, dass ein abgewiesener Asyl­bewerber, beispielsweise aus Eritrea, finanziell besser gestellt ist als ein AHV-Rentner?

Eine allgemeingültige Antwort auf diese Frage gibt es nicht – die kantonale Behandlung abgewiesener Asylbewerber unterscheidet sich ebenso wie die geltenden Ansätze, beispielsweise die maximal zulässigen Wohnkosten. Wir wollen uns also mit einem realistischen Vergleich für die Stadt Zürich begnügen: drei Einzelpersonen, drei unterschiedliche sozialstaatliche Modelle. Die obige Tabelle illustriert diesen Vergleich: Die linke Spalte stellt die Leistungen an einen AHV-Rentner dar, der ausschliesslich von einer (maximalen) AHV-Rente lebt, die mittlere Spalte die an einen abgewiesenen Asylbewerber und die rechte Spalte jene an einen AHV-Rentner, der seine Rente mit Ergänzungsleistungen aufbessert. Der Übersicht halber betrachten wir nur Einzelpersonen im Einpersonenhaushalt und blenden die umfangreichen Leistungen an Familien aus.


Zunächst zum reinen AHV-Rentner (linke Spalte). Eine Einzelperson, die vierzig Jahre lang ihre Beiträge entrichtet hat, erhält pro Jahr eine maximale Rente von 28 200 Franken. Gemäss einer Studie des Bundesamts für Statistik (BfS) aus dem Jahr 2014 sind mehr als fünfzehn Prozent der Personen im AHV-Alter ganz auf die AHV angewiesen – sie stellt deren einzige Einkommensquelle dar. AHV-Renten, so bescheiden sie auch ausfallen, müssen allerdings als Einkommen versteuert werden. Geht man von steuerlichen Abzügen von 5000 Franken aus, so bleiben nach Steuern 27 000 Franken im Jahr zum Leben. Ist das überhaupt realistisch? Ja, denn laut BfS gibt es schweizweit zwischen 70 000 und 80 000 Personen, die ausschliesslich von einer AHV-Rente leben, keine weiteren Einkommensquellen haben und keine Ergänzungsleistungen bekommen.


Im Vergleich dazu – mittlere Spalte – hat ein vorläufig aufgenommener Asylant, dessen Asylgesuch abgewiesen wurde, in der Stadt Zürich Anrecht auf Sozialhilfe. Es gelten dieselben Regeln wie für einheimische Bezüger. Wichtigster Bestandteil der Sozialhilfe ist eine sogenannte «materielle Grundsicherung». Diese umfasst jährlich einen Beitrag für den Grundbedarf in der Höhe von 11 832 Franken, ausbezahlt an den Unterstützungsberechtigten in monatlichen Raten. Dazu kommen Wohnkosten von maximal 13 200 Franken im Jahr und die Bezahlung der Krankenkassenprämien von rund 4300 Franken jährlich. Alles zusammengezählt, kommt der Asylant somit auf 29 352 Franken im Jahr, die er nicht versteuern muss. In einem Nach-Steuer-Vergleich steht er somit jährlich um 2352 Franken besser da als der AHV-Rentner.


Ein AHV-Rentner in bescheidenen Verhältnissen (rechte Spalte) kann zusätzlich zu seiner normalen Rente Ergänzungsleistungen beantragen, sofern die AHV-Rente nicht zur Deckung seiner Ausgaben genügt und sofern er kein grösseres Vermögen besitzt, etwa ein selbstbewohntes Haus. Auch bei den Ergänzungsleistungen gibt es Maximalwerte für den Grundbedarf, die Wohnkosten und die Krankenkassenprämien. Der Maximalbeitrag für die Wohnkosten unterscheidet sich nicht von dem des Asylanten, ebenso sind die Krankenkassenprämien gedeckt. Allerdings übersteigt der erlaubte Grundbedarf mit 19 290 Franken jährlich denjenigen des Asylanten um den Faktor 1,7. Der AHV-Rentner mit Ergänzungsleistungen «überholt» damit den abgewiesenen Asylbewerber auf der Stufe der materiellen Grundsicherung, also bei den Ansprüchen auf einen in bar bezahlten Grundbedarf, Wohn- und Krankheitskosten. Er liegt (nach Steuern) um gut 6000 Franken vorne.


In den drei Beispielen hat der AHV-Rentner ohne Ergänzungsleistungen netto am wenigsten zur Verfügung. Nach Steuern (Annahme: Abzüge von 5000 Fr.) bleiben ihm 27 000 Franken. Bei Rente plus Ergänzungsleistungen kommt ein AHV-Rentner maximal auf 
35 610 Franken nach Steuern. Dazwischen liegen die finanziellen Ansprüche des Asylanten. Betrachtet man nur die Unterstützungsleistungen in der materiellen Grundsicherung, so steht der AHV-Rentner mit Ergänzungsleistungen etwas besser da als ein Sozialhilfeempfänger im Asylbereich. Doch in beiden Fällen kommen zusätzlich zur materiellen Grund­sicherung noch weitere bedarfs- und situ­ationsabhängigen Beiträge dazu. Beiden gemeinsam ist die Übernahme von krankheits- und behinderungsbedingten Kosten, die nicht durch eine andere Versicherung abgedeckt sind: insbesondere, aber nicht ausschliesslich Kosten für Zahnbehandlungen und Selbstbehalte. Diese Beiträge sind im Bereich der Ergänzungsleistungen bei 90 000 Franken gedeckelt, in der Sozialhilfe (theoretisch) nach oben unbegrenzt.

Hier enden die Ansprüche im Bereich der Ergänzungsleistungen. Nicht so jene in der Sozialhilfe, die der abgewiesene Asylbewerber erhält. Zahlenmässig bestimmbare weitere Beiträge, die bei der Sozialhilfe im Gegensatz zu den EL vergütet werden können, sind:

1 —Sprachkurse in Deutsch als Fremdsprache. Die Asyl-Organisation Zürich (AOZ), ein mit der Asylantenbetreuung befasstes Unternehmen der Stadt, gibt die monatlichen Kosten eines solchen Kurses auf seiner Website mit 880 Franken pro Person an – ergibt 10 560 Franken im Jahr. Einwanderer ohne ­Sozialhilfe müssen solche Ausbildungen selbst berappen.

2 — Zeigt ein Sozialhilfeempfänger Engagement bei der Eingliederung in den ­Arbeitsmarkt, so erhält er eine Integrationszulage von maximal 300 Franken pro Monat ausbezahlt.

3 — Für Nichterwerbstätige übernimmt das Sozialamt den jährlichen Minimalbeitrag an die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) in der Höhe von 480 Franken. Anders als bei Schweizern, die nach Beitragszahlungen an die AHV über 10 Jahre hinweg das Recht auf eine Altersrente erhalten, beträgt die Mindestbeitragsdauer für Personen im Asylbereich nur fünf Jahre. Ein heute sechzigjähriger Asylant kann also in fünf Jahren in die AHV wechseln, mit Anspruch auf Ergänzungsleistungen. 


4 —Die Kosten für eine Hausrat- und Privathaftpflichtversicherung werden übernommen (ca. 200 Fr. im Jahr).

Die Kosten dieser vier Leistungen summieren sich auf 14 840 Franken – zählt man sie zu den 29 352 Franken aus dem Bereich der materiellen Grundsicherung hinzu, so übertreffen die finanziellen Beiträge an den Asylanten bei weitem das, was ein Bezüger von Ergänzungsleistungen normalerweise geltend machen kann (es sei denn, er sei schwerkrank und pflegebedürftig).

Dazu kommen beim Asylanten individuell verschiedene und daher nur schwer zu beziffernde Bestandteile der Sozialhilfe. Bezahlt wird etwa die Wohnungseinrichtung. Zieht ein Sozialhilfeempfänger um, so bezahlt ihm die bisherige Wohngemeinde den Umzug, eine Monatsmiete am neuen Wohnort sowie die Mietkaution.

Im Ermessen der Sozialbehörde können weitere «situationsbedingte Leistungen» ausgerichtet werden. Diese ­weitläufige und schwer fassbare Kategorie liegt im Ermessen der Sozialbehörde und umfasst etwa die Übernahme von Reisekosten bei Arztbesuchen oder besondere Telekommunikationskosten zur Pflege «persönlicher oder verwandtschaftlicher Beziehungen». Solche All-inclusive-Pakete finanzieren auch AHV-Rentner in bescheideneren Verhältnissen mit ihren Steuern.

(Von Florian Schwab)


Weltwoche.ch


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