Eine Mutter zog mit der Tochter nach Katar. Der von ihr getrennt lebende Vater wehrte sich dagegen, weshalb ihm die Mutter das Sorgerecht entziehen wollte. Nun hat das Bundesgericht entschieden.
An einer einzigen Stelle in der Urteilsschrift äusserte das Bundesgericht Verständnis sowohl für den Vater als auch für die Mutter. Es sei nachvollziehbar, dass die Mutter gemeinsam mit ihrer neunjährigen Tochter bei ihrem neuen Ehemann leben wolle, der in Katar arbeitet. Und es sei ebenso verständlich, dass der Vater deswegen um den Kontakt zu seiner Tochter fürchte. Doch dieser Konflikt ist nach Ansicht des Bundesgerichts kein Grund, der Mutter die alleinige Sorge für das Kind zu übertragen.
Kesb erteilte Eltern die gemeinsame Sorge
Die unverheirateten Eltern der neunjährigen Tochter haben praktisch nie zusammengewohnt, das Mädchen lebte stets bei der Mutter. Der Streit, den die Eltern schliesslich vor Bundesgericht austrugen, eskalierte im Frühjahr 2014. Nachdem ihm die Mutter offenbarte, mit der Tochter nach Katar umzuziehen, forderte der Vater die alleinige Sorge für sein Kind und versuchte, den Wegzug seiner Tochter auf dem Rechtsweg zu verhindern. Die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) erteilte den Eltern die gemeinsame Sorge, erlaubte aber der Mutter, den Wohnsitz der Tochter nach Katar zu verlegen. Die Mutter argumentierte darauf, die gemeinsame Sorge führe zwingend zu einer Ausweitung des Streits mit dem Vater. Im Interesse des Kindes sei ihr deshalb die alleinige Sorge zu übertragen.
Das Bundesgericht hält in seinem heute veröffentlichten Urteil fest, dass seit dem 1. Juli 2014 das Sorgerecht grundsätzlich beiden Elternteilen zusteht, unabhängig von ihrem Zivilstand. Ausnahmen seien nur möglich bei einem «erheblichen und chronischen» elterlichen Dauerkonflikt, der sich negativ auf das Kind auswirkt. Zwar hätten die Eltern seit dem Wegzug der Mutter «Defizite beim Kooperationswillen», doch daraus lasse sich kein Anspruch auf Alleinsorge ableiten. Dafür seien die Voraussetzungen «bei weitem nicht erreicht».
Mutter ist im Januar nach Katar gezogen
Vielmehr seien mit der elterlichen Sorge nicht nur Rechte verbunden, sondern auch Pflichten. Die Eltern hätten alles dafür «zu unternehmen, was zur gedeihlichen Entwicklung des Kindes erforderlich ist». Die Eltern hätten das Kind aus den eigenen Konflikten herauszuhalten und müssten mit einem kooperativen Verhalten dafür sorgen, dass das gemeinsame Sorgerecht «zum Vorteil des Kindes ausgeübt werden kann». Die Mutter hat im vorliegenden Fall demnach die Pflicht gehabt, auch auf Distanz eine gute Beziehung zum Vater zu fördern. Sonst drohe das Kind in einen Loyalitätskonflikt zu geraten.
Für das neunjährige Mädchen ist dieser Loyalitätskonflikt bereits Tatsache, wie aus dem Urteil hervorgeht. Die Mutter zog noch während des laufenden Rechtsstreits mit der Tochter nach Katar. Das Kind habe es anfänglich «peinlichst» vermieden, für einen Elternteil Stellung zu beziehen, heisst es im Gerichtsurteil. Im Verlauf des Konflikts habe sie «ihr Loyalitätsproblem» zu lösen versucht, in dem sie sich auf die Seite der Mutter schlug und den Kontakt zum Vater schliesslich weitgehend ablehnte.
Urteil 5A_202/2015 vom 26. November 2015
(fxs)