«Als lediger Vater hatte man keine Chance»

Seit dem 1. Juli dürfen auch ledige Väter das gemeinsame Sorgerecht beantragen. Rémy Hubschmid (39), Vater einer kleinen Tochter, macht von diesem Recht jetzt Gebrauch.

Herr Hubschmid, Sie sind Vater einer kleinen Tochter, leben aber von ihr getrennt. Warum?
Ihre Mutter und ich haben uns einen Monat nach der Geburt getrennt. Verheiratet waren wir nicht.

Als lediger Vater hatten Sie bis jetzt kein Sorgerecht. Was bedeutete das konkret?
Als meine Tochter in der Notfallaufnahme landete, war ich beispielsweise nicht als Ansprechpartner aufgelistet. Meine Koordinaten mussten separat aufgenommen werden. Auch auf der Notfallnummer des Kindergartens wäre ich nicht automatisch registriert. Informationen über den Kindergarten gehen direkt an die Mutter. Inzwischen bekomme ich diese nachgeschickt. Als lediger Vater hatte man bisher kaum Rechte und stand abseits vom System.

Das ändert sich jetzt. Seit dem 1. Juli gilt das gemeinsame Sorgerecht.
Ja, meine Ex-Partnerin und ich haben den entsprechenden Antrag eingereicht. Endlich hat ein Umdenken stattgefunden. Es ist doch einfach die Pflicht eines Vaters, seine Erziehungsverantwortung wahrzunehmen! Als lediger Vater hatte man einfach keine Chance. Der Vater wurde bis zum heutigen Tag als nicht erziehungsmotiviert angeschaut.

Der Vater war der, der einfach sein Leben geniessen wollte, sich eine neue Freundin und dann einen neuen Töff besorgte. Und er ist natürlich immer derjenige, der seiner Ex eins auswischen will. Wenn der Vater seiner Unterhaltspflicht nicht nachkam, war der Staat aber der Erste, der intervenierte. Es gibt sicher solche Väter, aber es sind doch nicht alle so! Alle zu bestrafen, nur weil es schwarze Schafe gibt, ist doch absurd.

Was für eine Beziehung haben Sie zu ihrer Tochter?
Für mich ist es wichtig, dass ich nicht nur ein Wochenend-Vater bin, sondern aktiv an ihrem Alltag teilnehmen kann. Ich arbeite 90 Prozent und kümmere mich auch unter der Woche um sie. So werde ich sie auch mal in den Kindergarten bringen und abholen und helfe ihr bei den Schulaufgaben. Das Modell funktioniert gut, da ich nur eine Viertelstunde mit dem Velo von meiner Tochter entfernt wohne. Für die Zukunft wünsche ich, dass das Doppelresidenzmodell zum Normalfall wird.

Was für ein Modell ist das?
Das ist ein Modell, auf das mich der Verein «Verantwortungsvoll erziehende Väter und Mütter» (Vev) aufmerksam gemacht hat. Es hat zum Ziel, dass sich Väter vermehrt um ihr Kind kümmern können.
Ich könnte mir gut vorstellen, dafür mein Arbeitspensum zu reduzieren.

Wie geht ihre Tochter mit der Situation um?
Meiner Tochter geht es gut. Aber sie kennt auch die Geschichte vom Mami-Entlein und Papi-Entlein aus Kinderbüchern und hat das Bild der klassischen Familie im Kopf. Doch die Situation hat auch ihre guten Seiten: Sie feiert zweimal Geburtstag und Weihnachten, darf öfter in die Ferien und geniesst ein grösseres soziales Umfeld. Zum Glück stehen wir Eltern uns wohlwollend gegenüber. Manchmal essen wir gemeinsam. Inzwischen fordert die Kleine auch Familienausflüge. Diesem Wunsch werden wir bald nachkommen. Denn nicht wir, sondern die Interessen unseres Kindes stehen im Vordergrund.


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