Das Zivilgesetzbuch sieht in Zukunft ausdrücklich vor, dass die Gerichte die Möglichkeit einer alternierenden Obhut bei einer Scheidung prüfen müssen.
Die regelmässige persönliche Beziehung zu beiden Elternteilen ist, besonders nach einer Trennung oder nach einer Scheidung der Eltern, nicht für alle Kinder der Normalfall. Dass dies jedoch zentral und wichtig ist, hat nun auch der Nationalrat erkannt und ist am Dienstag auf die Linie des Ständerats eingeschwenkt mit 103 zu 71 Stimmen bei 4 Enthaltungen: Demnach muss die Möglichkeit der alternierenden Obhut, also die geteilte Betreuung der Kinder, vom Gericht bzw. von den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden geprüft werden. Voraussetzung dafür ist die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge, die seit Juli 2014 der Regelfall ist.
Anders als der Ständerat sah der Nationalrat diese explizite Erwähnung der Prüfung der alternierenden Obhut in der ersten Sessionswoche noch als unnötig an: Die Behörden müssten von Amtes wegen sowieso die Option der alternierenden Obhut prüfen. Diese ins Gesetz zu schreiben, «bevorzugt ein bestimmtes Betreuungsmodell», mahnte Karl Vogler (cvp., Obwalden) für die vorberatende Kommission. Während Justizministerin Simonetta Sommaruga noch im Dezember sagte, dieser Passus sei nicht viel mehr als eine «Erinnerung» für die Gerichte, hielt sie ihn nun doch für sinnvoll, gerade um die Beziehung zu beiden Elternteilen sicherzustellen. Diesem Meinungswandel hat sich auch die Mehrheit des Nationalrats angeschlossen und folgte damit dem Minderheitsantrag von Daniel Vischer (gp., Zürich), Yves Nidegger (svp., Genf) und Alec von Graffenried (gp., Bern). Für Vischer ist der Passus deshalb nicht unnötig, weil die Gerichte heute noch immer eine andere Rechtspraxis verfolgten. Von Graffenried argumentierte wissenschaftlich: Es sei bewiesen, dass Kinder mit Kontakt zu beiden Elternteilen gesünder und weniger verhaltensauffällig seien. Die Vorlage ist nun bereit für die Schlussabstimmung.