Die KESB Linth hat verfügt, dass eine Mutter ihr Baby bis am 1. März abgestillt haben muss. Dabei ignoriert sie einen Abklärungsbericht, den sie selber in Auftrag gegeben hat.
Die Beziehung stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Die Beziehung war noch sehr jung, da wurde Pia Gmür* (37) auch schon schwanger. Ihr Freund lebte damals nahe Chur, sie in Glarus. Mit der Geburt ihrer Tochter am 7. März 2014 zog das Paar in Benken in eine gemeinsame Wohnung. Schon nach einem Monat kam es zu einem heftigen Streit. Sie trennten sich. Er zog wieder ins Bündnerland, sie mit dem Baby zu einer Freundin nach Uetikon. Seither ringen sie mit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) Linth um das Besuchsrecht des Vaters. «Ich weiss nicht, ob ich bereit bin» Nach langem Hin und Her zwischen der KESB, den Eltern, deren Anwälten, des Regionalen Beratungszentrums und des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes in Uznach verfügt die KESB am 16. Dezember: Der Vater darf den Säugling ab sofort jeden Sonntag von 10 bis 19 Uhr zu sich ins Bündnerland holen. Und weil die insgesamt jeweils vierstündige Zugfahrt für das Baby zu stressig ist, darf er es ab 1. März jeweils schon am Samstagnachmittag holen. Also über Nacht. Damit stellt die Behörde der Mutter, die zurzeit noch abends und nachts stillt, ein zweimonatiges Ultimatum zum Abstillen. Gmür sagt: «Ich weiss doch nicht, ob ich dann bereit bin, abzustillen. Im Moment braucht mein Baby die Brust noch, das spüre ich.»
Empfehlung ist völlig veraltet
Der von der KESB zitierte Rat der Mütterberatungsstelle, wonach das Stillen in der Nacht ab sechs Monaten nicht mehr empfohlen sei, steht auf wackligen Füssen. Laut den Hebammen von swissmom.ch empfehlen Fachleute und viele Organisationen, wie etwa die WHO oder die Unicef, ausschliessliches Stillen während der ersten sechs Monate. Danach solle langsam Beikost eingeführt und zusätzlich gestillt werden, falls möglich bis zum vollendeten zweiten Lebens jahr oder sogar länger. «Den richtigen Zeitpunkt zum Abstillen können nur Sie und Ihr Baby bestimmen», so die Hebammen. «Hören Sie auf Ihr Gefühl und lassen Sie sich nicht von aussen beeinflussen.» Bei einem weltweiten Vergleich ergibt sich eine durchschnittliche Stillzeit von zwei bis vier Jahren. Die Empfehlung, ein Kind spätestens mit einem Jahr abzustillen, stammt aus dem 19. Jahrhundert und ist wissenschaftlich gesehen völlig veraltet. (on)
Behörde rät vom Stillen ab
Aber die KESB Linth sieht es anders. Gegenüber den ON darf die Behörde wegen des Persönlichkeitsschutzes keine Stellung nehmen. Aus der Verfügung geht aber hervor, dass sie das Ultimatum zum Abstillen als unproblematisch erachtet. Sie verweist darauf, dass der Säugling seit Längerem auch feste Nahrung zu sich nimmt und schreibt: «Das Stillen in der Nacht wird von der Mütterberatungsstelle ab zirka sechs Monaten, spätestens wenn das Kind Zähne hat, nicht mehr empfohlen.» Brisant: Mit ihrer Verfügung ignoriert die KESB einen sechsseitigen Abklärungsbericht, den sie selber beim Regionalen Beratungszentrum Uznach in Auftrag ge geben hat. In diesem rät eine Sozialarbeiterin, dem Vater nur ein restriktives Besuchsrecht zu gewähren. Und zwar nicht nur im Kleinkindalter. So solle das Kind erst ab viereinhalb Jahren beim Vater übernachten. Dabei stützt sie sich auch auf die Meinung einer Psychologin des Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienstes St. Gallen (siehe Box unten). Doch die KESB stellt sich quer. Diese Regelung widerspreche den neuen Vorstellungen der gemeinsamen elterlichen Sorge, begründet sie. (Adrian Huber)
* Name geändert
Psychiatrie kritisiert KESB
Mit deutlichen Worten erhebt sich der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst (KJPD) gegen die KESB. Auf Empfehlung der KESB Linth liess sich Pia Gmür auch bei der Uzner Regionalstelle des KJPD beraten. Kürzlich hat dieser mit einer Stellungnahme, die den ON vorliegt, gegen die Verfügung protestiert. Aus dem Brief, der von einer Psychologin und einer Oberärztin gezeichnet ist, geht hervor, dass die Verfügung und insbesondere der Zwang zum Abstillen aus kinderpsychiatrischer Sicht unprofessionell ist und man den KESB-Entscheid nicht nur als parteiisch erachtet, sondern dieser zu sehr die Interessen der Elternteile statt das Kindswohl ins Zentrum stelle. Es gebe «gewichtige Gründe, die für eine Überprüfung dieser Besuchskontaktregelung durch eine neutrale Stelle sprechen». Bei zerstrittenen Eltern, wie vorliegend der Fall, dürfe man Kleinkinder nicht lange von der Mutter trennen, und schon gar nicht über Nacht. Und im letzten Satz wird kritisiert: «Seitens des KJPD sehen wir uns in ihrem Bericht verschiedentlich nicht korrekt zitiert und würden dies gerne in einem separaten Gespräch klären.»