Bundesgerichtsurteil 5A_457/2009



Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal
5A_457/2009

Urteil vom 9. Dezember 2009
II. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin,
Bundesrichterin Escher,
Bundesrichter L. Meyer, Marazzi, von Werdt,
Gerichtsschreiber Schett.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Persönlicher Verkehr,

Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom
20. Mai 2009.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ (geb. 1957) und Y.________ (geb. 1949) sind nicht verheiratet
und haben vier gemeinsame Kinder: A.________ (geb. 1993), B.________ (geb.
1995), C.________ (geb. 1997), und D.________ (geb. 1998). Am 8. Februar 2001
genehmigte die Vormundschaftsbehörde Z.________ eine zwischen X.________
(nachfolgend Beschwerdeführerin) und Y.________ (nachfolgend Beschwerdegegner)
abgeschlossene Vereinbarung, mit welcher der persönliche Verkehr zwischen dem
Beschwerdegegner und den vier Kindern geregelt wurde.
A.b Nachdem der Beschwerdegegner am 17. Juli 2005 bei der Vormundschaftsbehörde
Z.________ ein Begehren um Errichtung einer Beistandschaft zur Überwachung des
persönlichen Verkehrs gestellt und am 27. März 2007 wieder zurückgezogen hatte,
reichte er am 22. November 2007 erneut ein solches Gesuch ein und beantragte
zusätzlich die Durchführung einer Zwangsmediation. Die Vormundschaftsbehörde
lehnte mit Beschluss vom 21. Januar 2008 den Antrag um Errichtung einer
Besuchsrechtsbeistandschaft ab. Hingegen wies sie die Beschwerdeführerin an,
die am 8. Februar 2001 genehmigte Vereinbarung betreffend den persönlichen
Verkehr einzuhalten, die Daten für das Besuchs- und Ferienrecht 2008 mit dem
Beschwerdegegner festzulegen und sich zusammen mit ihm in eine Mediation zu
regelmässigen Gesprächen zu begeben. Ausserdem wurde die Beschwerdeführerin
ermahnt, ihre elterliche Verantwortung gegenüber ihren vier Kindern
wahrzunehmen und auf die Ermöglichung des väterlichen Besuchs- und Ferienrechts
aller vier Kinder hinzuwirken.
A.c Den von beiden Parteien beim Departement für Justiz und Sicherheit des
Kantons Thurgau (DJS) geführten Beschwerden war kein Erfolg beschieden.
Am 12. November 2008 fällte das DJS folgenden Entscheid:
“1. Die Beschwerde (79/2008) des Beschwerdeführers wird abgewiesen. Auf die
Errichtung einer Erziehungsbeistandschaft wird verzichtet.
2. Der Beschwerdeführer wird ermahnt, im Zusammenhang mit der Ausübung seines
Besuchsrecht alles zu unterlassen, was das Verhältnis der Kinder zu ihrer
Mutter negativ beeinflussen könnte.
3. Die Beschwerde (75/2008) der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.
4. Beschwerdeführerin und Beschwerdeführer werden angewiesen, sich bezüglich
der bestehenden Konflikte in regelmässige Mediationsgespräche unter fachlicher
Leitung zu begeben. Dabei ist auch zu prüfen, inwieweit die Kinder in solche
Gespräche einzubeziehen sind. Die Beschwerdeführerin wird diesbezüglich
angewiesen, die von Fachpersonen empfohlenen Beteiligungsformen gegenüber ihren
Kindern durchzusetzen.
5. Die Beschwerdeführerin wird ferner angewiesen, sich an die mit Beschluss vom
8. Februar 2001 durch die Vormundschaftsbehörde Z.________ genehmigte
Vereinbarung betreffend Regelung des persönlichen Verkehrs zwischen dem
Beschwerdeführer und allen vier Kinder zu halten.
6. Die Beschwerdeführerin wird dringend ermahnt, ihre elterliche Verantwortung
gegenüber ihren vier Kindern künftig konsequent und ernsthaft wahrzunehmen,
insbesondere die ihr als obhutsberechtigtem Elternteil zufallende Pflicht,
aktiv und unter Einsetzung ihrer Erziehungsgewalt und den ihr zustehenden
Erziehungsmitteln auf die Ermöglichung des Besuchs- und Ferienrechts aller vier
Kinder hinzuwirken und alles zu unterlassen, was das Verhältnis der Kinder zu
ihrem Vater negativ beeinflussen kann.
7. Bei Ungehorsam gegen Ziff. 4 oder 5 dieses Dispositivs wird der
Beschwerdeführerin eine Bestrafung nach Art. 292 StGB angedroht. Diese
Bestimmung lautet: Wer der von einer zuständigen Behörde oder einem zuständigen
Beamten unter Hinweis auf die Strafdrohung dieses Artikels an ihn erlassenen
Verfügung nicht Folge leistet, wird mit Busse bestraft.

(…)”

B.
Gegen diesen Entscheid erhoben beide Parteien beim Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau Beschwerde. Am 26. Februar 2009 hat der Präsident des
Verwaltungsgerichts die vier Kinder A.________, B.________, C.________ und
D.________ angehört. Mit Urteil vom 20. Mai 2009 wurden die Beschwerden
abgewiesen, namentlich auch das Begehren des Beschwerdegegners, eine
Erziehungs- bzw. Besuchsrechtsbeistandschaft zur Überwachung des persönlichen
Verkehrs gemäss Art. 308 ZGB zu errichten.

C.
Mit Eingabe vom 6. Juli 2009 hat die Beschwerdeführerin die Sache an das
Bundesgericht weitergezogen und beantragt, der angefochtene Entscheid und die
gegenüber ihr ausgesprochenen Weisungen wie auch die Ermahnung seien
aufzuheben.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.
Erwägungen:

1.
1.1 Gegenstand des kantonalen Verfahrens bildeten Anweisungen an die Mutter im
Zusammenhang mit der Durchführung des persönlichen Verkehrs zwischen den
Kindern und ihrem nicht sorgeberechtigten Elternteil (Art. 273 Abs. 2 ZGB).
Angefochten ist ein Beschluss der Vormundschaftsbehörde, mithin ein
öffentlich-rechtlicher Entscheid, der in unmittelbarem Zusammenhang mit
Zivilrecht steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 5 und 7 BGG). Beim angefochtenen
Entscheid handelt es sich um einen letztinstanzlichen Endentscheid (Art. 75
Abs. 1 und Art. 90 BGG), so dass auf die von der im kantonalen Verfahren
unterlegenen Partei (Art. 76 Abs. 1 BGG) rechtzeitig eingereichte Beschwerde
(Art. 100 Abs. 1 BGG) aus formeller Sicht ohne Weiteres einzutreten ist.

1.2 Mit der Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht,
Völkerrecht und kantonaler verfassungsmässiger Rechte geltend gemacht werden
(Art. 95 BGG). Die Feststellung des Sachverhaltes kann nur gerügt werden, wenn
sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von
Art. 95 BGG beruht und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens
entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine “offensichtlich unrichtige
Feststellung des Sachverhalts” entspricht der willkürlichen
Sachverhaltsfeststellung (BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252; 133 III 393 E. 7.1 S.
398). Dabei genügt es aber nicht, einen von den tatsächlichen Feststellungen
der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr ist in der
Beschwerdeschrift im Einzelnen darzulegen, inwiefern diese willkürlich bzw.
unter Verletzung einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande
gekommen sein sollen (BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 255).

1.3 Die Beschwerdeführerin hat dem Bundesgericht zahlreiche Unterlagen, unter
anderem Eingaben aus früheren Verfahren und Schulzeugnisse eingereicht. Gemäss
Art. 99 Abs. 1 BGG dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nur soweit
vorgebracht werden, als erst der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt. In
der Beschwerde ist darzutun, inwiefern die erwähnte Voraussetzung für eine
nachträgliche Einreichung von Beweismitteln erfüllt sein soll (BGE 133 III 393
E. 3 S. 395). Dieser Pflicht kommt die Beschwerdeführerin in keiner Weise nach.
Die neu ins Recht gelegten Schriftstücke sind daher unbeachtlich.

1.4 Da die Feststellungen der Vorinstanz für das Bundesgericht grundsätzlich
verbindlich sind (Art. 105 Abs. 1 BGG), können sämtliche Vorbringen der
Beschwerdeführerin, die im angefochtenen Urteil keine Stütze finden und auch
keine willkürliche Sachverhaltsfeststellung zu begründen vermögen, nicht gehört
werden.

2.
Die Beschwerdeführerin rügt, tatsachen- und aktenwidrig sei die Feststellung im
angefochtenen Entscheid, dass sie die Töchter A.________ und B.________
manipuliert haben soll, denn in den Gesprächsprotokollen der Anhörung der
Kinder vom 26. Februar 2009 fänden sich keine entsprechenden Hinweise. Aus
diesem grundsätzlich zutreffenden Umstand kann die Beschwerdeführerin indes
nichts zu ihren Gunsten ableiten, denn sie setzt sich nicht mit den
ausführlichen Erwägungen der Vorinstanz auseinander, aus welchen diese auf ein
manipulatives Verhalten der Beschwerdeführerin geschlossen hat. Insofern kommt
sie ihrer Begründungspflicht nicht nach (s. E. 1.2 hiervor), sodass auf die
Rüge der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung nicht einzutreten ist.

3.
3.1 Sodann trägt die Beschwerdeführerin vor, der persönliche Verkehr sei aus
Gründen des Kindeswohls auszuschliessen, wenn ein urteilsfähiges Kind diesen
kategorisch ablehne, weil ein gegen den starken Widerstand erzwungener
Besuchskontakt mit dem Zweck des Umgangsrechts im Allgemeinen ebenso
unvereinbar sei wie mit dem Persönlichkeitsrecht des Kindes. Solange ein Kind
sich ernsthaft weigere, mit dem anderen Elternteil zusammenzukommen, sei eine
mit dem Kindeswohl zu vereinbarende Durchführung der Kontakte ausgeschlossen.
Die von der Vorinstanz zitierte Rechtsprechung aus dem Jahr 1974 (BGE 106 II 76
ff.) stehe im Widerspruch zur aktuellen Rechtsprechung.

3.2 Mit dieser Argumentation übersieht die Beschwerdeführerin, dass sich die
Anordnungen und Weisungen – wie dies bereits die Vorinstanz betont hat – an sie
richten, nicht an die Kinder. Es obliegt ihr, die zumutbaren Vorkehren für die
Einhaltung der ursprünglichen Besuchsrechtsregelung zu treffen bzw. nichts zu
unternehmen, was die Ausübung des Besuchsrechts durch den Beschwerdegegner
vereiteln könnte.
Der zumindest sinngemässe Einwand der Beschwerdeführerin, die Kinder lehnten
jeden Kontakt zu ihrem Vater ab, weshalb sie selber nicht gezwungen werden
könne, das vereinbarte Besuchsrecht durchzusetzen, verfängt nicht. Nach den für
das Bundesgericht verbindlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts (Art.
105 Abs. 1 BGG) hat sie die Kinder manipuliert und deren ablehnende Einstellung
zum Vater zu verantworten (s. E. 2). Es wäre geradezu stossend, wenn sich die
Beschwerdeführerin nach “erfolgreicher” Manipulation auf das Verhalten und die
Meinung der Kinder berufen könnte. Dies gilt umso mehr, als gerade wegen der
Beeinflussung durch die Beschwerdeführerin die wahre Meinung der Kinder nicht
wirklich feststeht.
Dem Elternteil, dem die elterliche Sorge oder Obhut nicht zusteht, und das
unmündige Kind haben gegenseitig Anspruch auf angemessenen persönlichen Verkehr
(Art. 273 Abs. 1 ZGB). Dieses Recht steht dem Betroffenen um seiner
Persönlichkeit willen zu. Es ist allgemein anerkannt, dass aufgrund des
schicksalhaften Eltern-Kind-Verhältnisses die Beziehung des Kindes zu beiden
Elternteilen sehr wichtig ist und bei dessen Identitätsfindung eine
entscheidende Rolle spielen kann (BGE 130 III 585 E. 2.2.2 S. 590). Dies ist
mit ein Grund, weshalb selbst dem urteilsfähigen Kind mit Bezug auf den
persönlichen Verkehr mit seinen Eltern kein Selbstbestimmungsrecht zusteht
(vgl. BGE 100 II 76 E. 4.b S. 82 ff.). Freilich ist auf die Meinung des
(urteilsfähigen) Kindes angemessen Rücksicht zu nehmen (Art. 301 Abs. 2 ZGB).
Selbst wenn dieses sog. “Pflichtrecht” in erster Linie dem Interesse des Kindes
dient, steht es dem sorge- bzw. obhutsberechtigten Elternteil (hier: der
Beschwerdeführerin) nicht zu, eigenmächtig zu entscheiden, ob der persönliche
Verkehr der Kinder mit dem anderen Elternteil notwendig ist oder nicht.
Namentlich sollen allfällige Differenzen zwischen den Eltern nicht zum Abbruch
der Beziehungen der Kinder zum nicht sorge- bzw. obhutsberechtigten Elternteil
führen.

3.3 Soweit die Beschwerdeführerin behauptet, die Durchführung des Besuchsrechts
gefährde das Kindeswohl, ist eine solche Gefährdung im konkreten Fall nicht
auszumachen. Allein die Tatsache, dass die Kinder nicht freiwillig zum Vater
Kontakt unterhalten, vermag jedenfalls keine Gefährdung des Kindeswohls zu
begründen.
Falls die Beschwerdeführerin bzw. die Kinder der Meinung sind, die seinerzeit
vereinbarte Besuchsrechtsregelung sei aufgrund veränderter Verhältnisse nicht
(mehr) angemessen, steht es ihr bzw. ihnen frei, formell eine Änderung
derselben anzustreben; solange dies nicht geschehen ist, behält die
Vereinbarung vom 8. Februar 2001 ihre Gültigkeit.

3.4 Es ist nicht zu übersehen, dass ein zerrüttetes Beziehungsnetz vorliegt.
Den Aussagen der ältesten Tochter ist indes zu entnehmen, dass sie sich eine
bessere Beziehung zu ihrem Vater gewünscht hätte. Trotz der ablehnenden Haltung
der beiden älteren Kinder ist darauf hinzuweisen, dass eine – wenn auch nur
minimale – Vater-Kind-Beziehung von grosser Wichtigkeit ist (E. 3.2 hiervor).
Es ist ihnen deshalb zuzumuten, sich mit der Frage einer Kontaktaufnahme
nochmals zu befassen. Nur so kann die Chance gewahrt bleiben, dass sich das
negative Vaterbild im Laufe der Adoleszenz ändert und sich die Kinder dem Vater
wieder freiwillig annähern können. Dass dies gelingt, hängt jedoch in
überwiegendem Masse von einer Besserung der Elternbeziehung ab (E. 4
nachfolgend). Die Vorinstanz hat somit kein Bundesrecht verletzt, indem sie die
Beschwerdeführerin ermahnt hat, ihre elterliche Verantwortung auch gegenüber
den zwei älteren Töchtern künftig konsequent und ernsthaft wahrzunehmen und die
zwischen den Eltern beschlossene Vereinbarung betreffend den persönlichen
Verkehr einzuhalten.
Dasselbe gilt sinngemäss mit Bezug auf die beiden jüngeren Kinder. Die
Beschwerdeführerin hat – wie in E. 3.2 hiervor ausgeführt – zur Kenntnis zu
nehmen, dass die Beziehung jedes Kindes zu beiden Elternteilen sehr wichtig ist
und Interessen der Eltern dabei zurück zu stehen haben. Diese von
Rechtsprechung und Lehre einhellig als massgeblich anerkannten Faktoren für die
Persönlichkeitsentwicklung kann die Beschwerdeführerin nicht bloss mit der
Bemerkung entkräften, beide Kinder hätten erklärt, bei freier Wahl würden sie
keinen Kontakt mehr mit dem Vater pflegen, und dass sie noch keinen Schaden
erlitten hätten, sei ihrem tadellosen Verhalten zu verdanken (umfassende
Betreuung, sauberes Haus, gesunde Nahrung). Insoweit die Beschwerdeführerin auf
Grund der hervorragenden schulischen Leistungen der beiden Kinder darauf
hinweist, es liege keine Gefährdung des Kindeswohls vor, weshalb die gegenüber
ihr erhobenen Weisungen und die Mahnung mit Bezug auf die Kinder C.________ und
D.________ sich klar als rechtswidrig erwiesen, kann darauf nicht eingetreten
werden. Einerseits fusst das Vorbringen auf unzulässigen neuen Tatsachen (E.
1.4 hiervor), und andererseits legt die Beschwerdeführerin nicht dar, weshalb
der Schluss der Vorinstanz, es habe eine erhebliche Entfremdung zwischen den
Kindern und dem Beschwerdegegner stattgefunden, willkürlich sein soll (E. 1.2
hiervor).

4.
4.1 Die Vorinstanz hat die Beschwerdeführerin und den Beschwerdegegner
angewiesen, sich bezüglich der bestehenden Konflikte in regelmässige
Mediationsgespräche unter fachlicher Leitung zu begeben. Dabei sei auch zu
prüfen, inwieweit die Kinder in solche Gespräche einzubeziehen seien. Das
Verwaltungsgericht hat sich dabei auf Art. 307 Abs.1 ZGB abgestützt, wonach die
Vormundschaftsbehörde die geeigneten Massnahmen zum Schutz des Kindes treffe,
wenn das Wohl des Kindes gefährdet sei und die Eltern nicht von sich aus für
Abhilfe sorgten oder dazu ausserstande seien. Die Vormundschaftsbehörde könne
insbesondere Eltern ermahnen, ihnen bestimmte Weisungen für die Pflege,
Erziehung oder Ausbildung erteilen und eine geeignete Person oder Stelle
bestimmen, der Einblick und Auskunft zu geben sei (Art. 307 Abs. 3 ZGB). Eine
Mediation könne – auch gegen den Willen eines Elternteiles – gestützt auf Art.
307 Abs. 3 ZGB angeordnet werden (Entscheid des Obergerichts des Kantons Zürich
vom 19. Juni 2008, in: FamPra.ch 1/2009 Nr. 27, S. 256 ff.).
Ein zentrales Problem liege vorliegend offensichtlich in der mangelnden bzw.
mangelhaften Kommunikation zwischen den beiden Elternteilen und der
offensichtlich negativen Einstellung der Beschwerdeführerin zum
Beschwerdegegner. Vor diesem Hintergrund mache eine Mediation – entgegen der
Auffassung der Beschwerdeführerin – sehr wohl Sinn: Die Eltern seien
aufgefordert, ihre Kontakte konfliktfrei zu gestalten, ein Ziel, dessen
Erreichung mit diesem Institut unterstützt werde. Unter den gegeben Umständen
sei die Anordnung einer Mediation und die Pflicht zur Teilnahme an einer
solchen – auch gegen den Willen des einen Elternteils – gestützt auf Art. 307
Abs. 3 ZGB durchaus zulässig.

4.2 Die Strafandrohung nach Art. 292 StGB wird von der Beschwerdeführerin nicht
angefochten. Sie trägt im Wesentlichen vor, seit der Trennung im Jahre 2001
seien acht Jahre vergangen und ihre Gefühle für den Beschwerdegegner seien
immer kleiner geworden. Seit Ende 2007 stehe sie in einer festen Beziehung,
weshalb die Anordnung einer Mediation (sinngemäss) unnötig sei. Soweit sie
damit sagen will, sie benötige keine Paartherapie, geht das Argument an der
Sache vorbei. Hier steht nicht die Beziehung der Eltern im Zentrum; vielmehr
geht es darum, Lösungen im Hinblick auf das Zusammenwirken der Eltern mit Bezug
auf die Kinderbelange zu suchen.

4.3 Die Vormundschaftsbehörde ist befugt, unter anderem auch eine Weisung zur
Durchführung einer Therapie zu erlassen (Peter Breitschmid, Basler Kommentar,
ZGB I, 3. Aufl., N. 22 zu Art. 307 ZGB, S. 1609; Cyril Hegnauer, Grundriss des
Kindesrechts, 5. Aufl., N. 27.14 S. 206 f. mit Hinweis auf die Familienberatung
und desgleichen Ingeborg Schwenzer, Basler Kommentar, ZGB I, 3. Aufl., N. 24 zu
Art. 273 ZGB, S. 1466; sowie Philippe Meier/Martin Stettler, Droit de la
filiation, 4. Aufl., N. 1132 S. 654, welche zur Verbesserung der Kommunikation
die Gesprächstherapie anführen; nach Peter Liatowitsch ist eine Mediation unter
Zwang nicht denkbar, in: FamKommentar Scheidung, Hrsg. Ingeborg Schwenzer, Bern
2005, Anh. M, N.46 S.1252). Art. 307 Abs. 3 ZGB bildet somit eine
rechtsgenügliche Grundlage für die von der Vorinstanz gebilligte Anordnung
einer Mediation. Diese Kann-Vorschrift räumt dabei dem Richter und der Behörde
einen grossen Ermessensspielraum ein (Heinrich Honsell, Basler Kommentar, ZGB
I, 3. Aufl., N. 6 und 7 zu Art. 4 ZGB, S. 82). Das Bundesgericht überprüft die
Ausübung richterlichen Ermessens durch die letzte kantonale Instanz mit
Zurückhaltung; es schreitet nur dann ein, wenn grundlos von den in Lehre und
Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abgegangen wird, wenn Tatsachen
berücksichtigt werden, die keine Rolle hätten spielen dürfen, oder wenn
umgekehrt Umstände ausser Betracht geblieben sind, die zwingend hätten beachtet
werden müssen (BGE 132 III 49 E. 2.1 S. 50/51; 126 III 223 E. 4a S. 227/228).
Die angeordnete Mediation unterscheidet sich von der freiwilligen in der
konsequenten Orientierung an den Interessen und Rechten der Kinder. Dabei
werden hochstrittige Eltern, die sich erfahrungsgemäss zumeist von ihren
Ängsten, Verletzungen und hauptsächlich von ihren Erwachseneninteressen leiten
lassen, mit den Interessen und Bedürfnissen ihrer Kinder konfrontiert. Eltern
erfahren, wie sich ihr Konflikt auf die Befindlichkeit ihrer Kinder auswirkt
und was sie für ihre Kinder tun können (Max Peter, Hochstrittige Eltern im
Besuchsrechtskonflikt, Zeitschrift für Vormundschaftswesen 60 [2005], S. 196).
Im Zusammenhang mit dem Begriff “Pflicht”-Mediation bemerkt Liselotte Staub zu
Recht, würden die Eltern zu einem Gutachter überwiesen, werde die Bereitschaft
zur Mitwirkung der Eltern vorausgesetzt oder allenfalls gesetzlich
durchgesetzt. Wenn der Gutachter im Sinne eines verlässlichen und
durchsetzbaren Vorschlags mit den Eltern getrennt oder gemeinsam eine Lösung
ausarbeite, sei dies nichts anderes als Pflichtmediation (Zeitschrift für
Vormundschaftswesen 61 [2006], S. 125). Diese Überlegungen haben – wie erwähnt
– Eingang in die kantonale Rechtsprechung gefunden (E. 4.1 hiervor). So ist
Ziel einer von der Abteilung Scheidungsberatung/Mediation des
Bezirksjugendsekretariates Bülach angeordneten Mediation, nach vier bis fünf
Mediationssitzungen eine einvernehmliche Elternvereinbarung zum Besuchsrecht zu
erarbeiten; nach einem Vierteljahr soll in einer weiteren Sitzung die
Entwicklung überprüft werden (Max Peter, Kindesinteressen in Zeiten familiärer
Veränderungen, FamPra.ch 1/2005, S. 33/34).
Die Vormundschaftsbehörde hätte im vorliegenden Fall auch einen Gutachter mit
der Aufgabe betreuen können, die Entfremdung der Kinder gegenüber ihrem Vater
aufzulösen und den Kontakt wieder in normale Bahnen zu lenken. Dass seitens der
Behörde und des Gerichts gehandelt wurde, ist nicht zu beanstanden, denn die
Nichteinhaltung des Besuchsrechts ist der Anfang des Entfremdungsprozesses, und
die sanktionslose Hinnahme dieses Verhaltens für den manipulierenden Elternteil
Rechtfertigung für weitere Übertretungen mit der Folge weiteren Machtgewinns
(Liselotte Staub/Wilhelm Felder, Probleme im Zusammenhang mit dem Besuchsrecht,
in: Kind und Scheidung, Hrsg. Alexandra Rumo-Jungo/Pascal Pichonnaz, S. 141).
Mit der angeordneten Mediation wird den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, zu
erkennen, dass der Mensch ein Beziehungswesen ist und die Wiederaufnahme des
Dialogs hauptsächlich im Interesse der Kinder liegt. Eine Verletzung von Art.
307 Abs. 3 ZGB durch das Verwaltungsgericht ist nicht gegeben, denn die
Beschwerdeführerin zeigt nicht auf, inwiefern eine Mediation unverhältnismässig
oder anderweitig bundesrechtswidrig sein könnte.

5.
Nach dem Ausgeführten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann, und die Beschwerdeführerin wird damit kostenpflichtig (Art. 66
Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung an den Beschwerdegegner entfällt, da er
nicht zur Vernehmlassung aufgefordert wurde (vgl. Art. 68 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2’000.– werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Dezember 2009
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Hohl Schett


Bundesgerichtsurteil 5A_457/2009


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Veröffentlicht unter Bundesgerichts Urteile, Entfremdung, Gesetz, Kanton Thurgau, KESB - Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden, Widerstand