Das Krippenessen macht Kinder krank


Experten schlagen Alarm
BIEL/BIENNE – BE – Fertigmahlzeiten verderben den Kleinsten den Appetit. In vielen Kinderkrippen gibts nämlich nur noch Catering-Food. Aber der schmeckt nicht einmal den Angestellten.

Mittagessen in der Krippe: Mehrere Dutzend Kinder sitzen am Tisch, vor ihnen dampfen Cipollata und Rösti. Angeliefert wurde das Essen am Morgen, abgepackt in Plastik­boxen. Die Erzieherinnen mussten nur noch kurz in die Küche, um die Portionen aufzuwärmen.

Immer mehr Kitas und Horte bestellen ihr Essen bei Catering-Betrieben – weil es billiger ist, als selbst zu kochen. Das Gastrounternehmen SV Group liefert jedes Jahr allein in Biel BE 60 000 fertig ab­gepackte Mahlzeiten an Krippen, Horte, Mittagstische. Die Folge: Kinder kennen fast nur noch fertig zubereitete Nahrungsmittel, erleben immer seltener, dass gekocht wird.

Kinder kochen kaum mehr mit

Experten sind alarmiert. «Dass Kinder nicht mehr an der Essenszubereitung mitwirken können, ist ein Verlust für den gesunden Umgang mit Nahrung», so Erika Toman, Präsidentin vom Netzwerk Essstörungen. Kinder und Jugendliche würden nicht zu einem gesunden Essverhalten erzogen: «Es leiden immer mehr Kinder und Jugendliche unter Essstörungen und Übergewicht.»

Studien zeigen, dass jedes fünfte Kind in der Schweiz zu dick ist. Forscher der Uni Freiburg fanden sogar heraus: Jedes dritte Schulkind leidet an einer Essstörung!

Gegen den Boom des Zmittags aus Plastikboxen formiert sich Widerstand: In Biel fordern Eltern und Politiker mit einer Initiative, dass ihren Kindern nur noch frisch zubereitetes Essen aus regionalen Produkten angeboten wird.

Plötzlich nur noch Lust auf Fertigprodukte

«Kinder entwickeln eine Vorliebe für Fertigprodukte, die sie auch später behalten», sagt Mitinitiant Urs Scheuss (39), Präsident der Grünen Biel. So entwickelten Kinder kein gesundes Essverhalten, würden «anfälliger für Ess­störungen oder Übergewicht».

Dass sich in den Krippen etwas ändern muss, hat auch die Fachstelle Prävention Essstörungen Praxisnah (PEP) in Bern erkannt. Vor kurzem lancierte sie das Projekt «PEP – Gemeinsam Essen», um Essstörungen bei Kindern in Kitas zu verhindern.

Dabei sollen die Erzieher lernen, dass die Stimmung am Tisch mindestens genauso wichtig ist wie die ausgewogene Ernährung. «Wer ein lockeres, genuss- und respektvolles Essverhalten hat, kann Kindern ein gutes Vorbild sein. Das hilft Essstörungen vorzubeugen», erklärt Projektleiterin Thea Rytz (45).

Kinder müssen essen lernen

Auch die Ernährungswissenschaftlerin und achtfache Mutter Marianne Botta Diener (46) weiss, dass viele Kinder heute kein Interesse an ihrer Ernährung empfinden: «Sie müssten die Lust am Essen erst lernen.»

Die Betreuerinnen seien dabei ein ebenso wichtiges Vorbild wie die Eltern. «Oft schmecken die Catering-Menüs aber nicht mal den Betreuerinnen», sagt Botta Diener. Dann würden auch sie keine Lust am Essen vermitteln. «Dadurch entstehen Übergewicht oder Essstörungen.» Wer nicht geniesse, stopfe das Essen in sich hinein – oder verzichte ganz darauf.


Blick.ch


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Veröffentlicht unter Allgemein, Natur, Verantwortlichkeit, Widerstand