Eltern kämpfen um Sohn

Eine Thurgauer Kesb hat einem kognitiv eingeschränkten Ehepaar das Kind entzogen und bei einer Pflegefamilie untergebracht. Das Paar wehrt sich.

Vor zwei Jahren wurde ein Ehepaar Eltern eines Sohnes. Infolge kognitiver Einschränkungen besteht sowohl beim Vater als auch bei der Mutter eine Vertretungsbeistandschaft. Vor mehr als einem Jahr entschied die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde einer Gemeinde im Kanton Thurgau, den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht über ihr Kind zu entziehen und den Knaben in einer sozialpädagogischen Pflegefamilie unterzubringen. Die Kesb verwies in diesem Zusammenhang auf die mangelnde Erziehungsfähigkeit der Eltern. Der Beistand des Kindes wurde damit beauftragt, die Eltern in ihrer Sorge um ihren Sohn mit Rat und Tat zu unterstützen und den persönlichen Verkehr zwischen den Eltern und ihrem Kind zu organisieren und zu überwachen.

Die Eltern erhoben gegen die Fremdplatzierung ihres Kindes Beschwerde beim Thurgauer Obergericht. Darin beantragten sie, die Unterbringung ihres Sohnes in der Pflegefamilie sei aufzuheben und das Kind sei stattdessen bei der Grossmutter mütterlicherseits unterzubringen.

Schwerwiegende Konflikte

Bereits vor Obergericht bestritten die Eltern nicht, dass sie derzeit nicht imstande sind, das Kind selbstständig zu betreuen. Sie hatten jedoch geltend gemacht, ihre Defizite in der Betreuungs- und Erziehungsfähigkeit erforderten keine Trennung von ihrem Sohn.

Die Grossmutter des Kindes verfüge über die persönlichen und räumlichen Verhältnisse, um die Pflege ihres Enkels zu übernehmen und ihre Tochter – und allenfalls auch ihren Schwiegersohn – samt Kind bei sich aufzunehmen. Die Grossmutter sei ausgebildete Fachfrau Gesundheit und habe ihr Arbeitspensum um 50 Prozent reduziert.

Das Obergericht wies die Beschwerde ab. Es verwies auf frühere Konflikte zwischen der Mutter und ihrer Tochter. Streitigkeiten seien programmiert, wenn die Grossmutter als Pflegemutter für ihren Enkel aktiv werde und im Rahmen der Betreuung und Erziehung des Kindes Entscheidungen treffe. Besonders dann, wenn der Schwiegersohn, der durch aggressive Verhaltensweisen und Drohungen aktenkundig sei, ebenfalls im Einfamilienhaus einziehe. Das Bundesgericht liess diese Argumentation nur bedingt gelten. Zwar räumt das Gericht ein, dass unter den Eltern, die beide an Intelligenzminderung leiden, eine schwierige Paar­dynamik besteht.

Fremdplatzierung als letzte Möglichkeit

Ferner kam ein kinderpsychiatrischer Gutachter zum Schluss, dass davon auszugehen ist, dass das Kind unter der alleinigen Obhut der Eltern besonders in seiner psychischen und physischen Gesundheit gefährdet wäre. Umgekehrt ist aber zu beachten, dass eine Fremdplatzierung nur als letzte Möglichkeit in Frage kommen kann.

Der Fall geht nun in den Thurgau zurück. Die Kesb muss untersuchen, ob die Gefährdungen des Kindes durch begleitende und entlastende Vorkehrungen mit einem zumutbaren Aufwand verhindert werden können. Sie muss prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Unterbringung des ­Knaben und seiner Eltern – allenfalls nur Mutter und Sohn – bei der Grossmutter möglich ist. Gegebenenfalls wird auch geprüft, welche nötigen zusätzlichen Massnahmen hierfür erforderlich sind.

(Von Urs-Peter Inderbitzin)


Urteil: BGE 5A_402/2016


Rheintaler.ch


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