Wera Fischer bezeichnet den Verlust eines Elternteils nach Trennung oder Scheidung als den „tragischsten Effekt“, den eine Trennung für ein Kind haben kann.
Elterntrennung bedeutet für das Kind, einen Vater und eine Mutter zu haben, die sich nicht mehr lieben. Dadurch geraten die meisten Kinder in einen Loyalitätskonflikt, weil sie nicht wissen, ob sie weiterhin beide Eltern gleich lieben dürfen. Kinder sind deshalb auf die Hilfe der Eltern angewiesen. Sie wirklich zu lieben heißt, ihnen in der Trennungssituation ausdrücklich die Erlaubnis zu geben, den anderen Elternteil auch weiterhin gleich lieben zu dürfen. Die Eltern müssen jetzt den Kindern vermitteln, dass die Liebe und Zuwendung gegenüber dem Kind eine andere ist, als dem anderen Elternteil gegenüber.
Wird der kindliche Loyalitätskonflikt von einem Elternteil jetzt missbraucht (bewusst oder unbewusst), um das Kind zu beeinflussen, dass es den anderen Elternteil ablehnt, entsteht PAS. Obwohl vorher eine normale Beziehung bestanden hat, beginnt das Kind den anderen Elternteil abzulehnen. Der erziehende Elternteil manipuliert das Kind aus Angst, es an den anderen zu verlieren. Es wird nicht mehr wahrgenommen, dass das Kind den anderen Elternteil für seine psychische Gesundheit braucht. Das Kind wird manipuliert und psychisch missbraucht den anderen Elternteil genauso zu hassen, wie der erziehende Elternteil ihn hasst. Die Manipulation geht zwar von einem Elternteil aus, das manipulierte Kind erfährt dabei, dass es unloyal gegenüber dem manipulierenden Elternteil ist, wenn es zum „Besuchselternteil“ hingeht und einen schönen Nachmittag mit ihm verbringt, es ist unloyal wenn es den anderen liebt.
Die Manipulation hat zum Ziel, das Bild des Kindes gegenüber dem anderen so zu verändern, dass er zur „Unperson“ wird. Entfremdende Mütter und Väter erwarten, dass das Kind die eigenen Empfindungen gegenüber dem anderen teilt. Das Kind nimmt diese Erwartung wahr und glaubt, nur dann weiterhin von Mutter oder Vater geliebt und versorgt zu werden, wenn es fühlt und handelt wie dieser Elternteil. Die eigenen kindlichen Bedürfnisse werden verleugnet. Auch wenn das Kind die Bedürfnisse nicht mehr äußert, heißt es nicht, dass es die Bedürfnisse nicht mehr hat. Dem Kind wurde lediglich die Freiheit genommen, den anderen Elternteil zu lieben. Es wurde missbraucht, die Gefühle des indoktrinierenden Elternteils zu leben, um „überleben“ zu können.
Um die Loyalität gegenüber dem entfremdenden Elternteil zu betonen, nimmt die Ablehnung des anderen eine Eigendynamik an: Die Manipulation geht zwar von einem Elternteil aus, die Kinder zeigen aber die Ablehnung durch eigene Handlungen – sie zerreißen z. Bsp. die Post vom anderen Elternteil oder weigern sich das Päckchen zu öffnen und bestehen auf den Rückversand.
PAS basiert aus der Verbindung einer programmierten elterlichen Indoktrination (Gehirnwäsche) und der daraus resultierenden kindlichen Verteufelung des abwesenden Elternteils. Es setzt voraus, dass ein Elternteil die alleinige Betreuung zugesprochen bekommt, während der andere Elternteil den kindlichen (familiären) Bereich verlässt. Wird diesem vom betreuenden Elternteil voran getriebenen Prozess nicht durch gezielte und wirksame Maßnahmen gegen gesteuert, kommt es schnell einem Abbruch der Beziehungen zum entfremdeten Elternteil. Es geht auch nicht darum, was der entfremdende Elternteil macht, sondern wie erfolgreich er bei der Entfremdung ist. Bei dieser Arbeit wird in erster Linie auf die Bedeutung der Kind – Vater Beziehung hingewiesen, weil 90% der entfremdenden Elternteile Frauen sind und somit Väter und Kinder in einem wesentlich höheren Ausmaß vom PAS betroffen sind. PAS hat immer zwei Opfer: Zum einen das betroffene Kind, aber auch, zum anderen, den oft vergessenen entfremdeten Elternteil.
Nach wie vor ist kaum bekannt, dass PAS eine pathologische Störung ist, die vor allem auch den entfremdenden Elternteil betrifft. Eine Intervention, die sich nur auf das Kind bezieht, ist deshalb keineswegs ausreichend und führt auch nicht zum Ziel.
Selbst wenn erkannt wird, dass ein Kind an PAS leidet, so stehen meist nur das Kind und der entfremdende Elternteil im Mittelpunkt und im Interesse der Forschung von Therapeuten und Richtern. Der von der Entfremdung betroffene Elternteil findet bis heute, trotz seiner katastrophalen Lage, nur selten Anerkennung, Unterstützung und Hilfe, die er dringend benötigen würde. Viele dieser zur Seite geschobenen (left be–behind) Eltern (meist sind Väter betroffen) leiden unter schweren psychischen Traumata, die vielfach zu einer Berufsunfähigkeit führen und/oder letztendlich zum finanziellen Ruin des Vaters führen.
Obwohl das elterliche Entfremdungssyndrom in Amerika längst anerkannt ist, können bei uns aufgrund fehlender gesetzlicher Grundlagen, die Interventionsmaßnahmen nicht umgesetzt werden. So wird als Intervention zum einen eine „court-ordered Family“ Therapie angeraten, zum anderen ist die Kindesabnahme aus dem Machtbereich der entfremdenden Person (Betreuungsperson) eine notwendige schützende Maßnahme für das Kind, was bei der derzeitigen gesetzlichen Situation einen schweren und unzulässigen Eingriff in das „Recht auf Familie“ bedeuten würde…