Jeden Tag werden weltweit Kinder von ihren Eltern getrennt, sei es durch Flucht, Krieg, Tod, Trennung der Eltern, gerichtliche oder behördliche Maßnahmen. Die Erfassung von Folgen solcher Traumata und ihre Bedeutung für die medizinische Versorgung der Betroffenen werden immer wichtiger.
Ziel der vorliegenden Literaturanalyse war es, zu klären, ob Kinder, die in ihrer Kindheit und Jugend Kontaktverlust zu ihren lebenden Eltern erleiden, über das aktuelle Trauma hinaus länger anhaltende gesundheitliche Folgen zeigen.
Ergebnisse:
Es gibt nur wenige Studien, die sich mit der Frage gesundheitlicher Folgen von Kontaktabbruch zwischen Kindern und ihren lebenden leiblichen Eltern befassen. Die Studien ergeben:
Kontaktverlust zu leiblichen Eltern führt unabhängig vom Lebensalter des Kindes bei Beginn und der Dauer des Kontaktverlustes zu einem erhöhten Risiko für die Entwicklung von schweren Depressionen, Angststörungen, Panikstörungen, Alkoholabhängigkeit, Drogenmissbrauch, Drogenabhängigkeit und Phobien. Kontaktverlust zu Mutter bzw. Vater bewirken beide erhöhte Erkrankungsrisiken mit unterschiedlichen Risikokonstellationen.
Die Folgen können lebenslang anhalten. So führte z.B. Kontaktverlust zu einem Elternteil durch Trennung – nicht aber durch Tod – zu einem erhöhten Risiko, an einer Alkoholabhängigkeit zu erkranken. Am ausgeprägtesten war dies bei Kontaktverlust zur lebenden Mutter, hier war das Erkrankungsrisiko für Alkoholabhängigkeit signifikant erhöht (iHR = 4,70 mit p < 0,0001) mit einer errechneten Erholungszeit von 115,5 Jahren. Kontaktverlust zu lebenden Eltern wirkt sich nachweislich der wissenschaftlichen Studien deutlich stärker aus als Kontaktverlust aufgrund von Tod. Durch Kontaktverlust zu lebenden Eltern werden die betroffenen Kinder etwa doppelt so stark und dreimal so lang belastet, wie bei Kontaktverlust durch Tod.
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(Prinz A, Gresser U (2015) – NZFam 21/2015 vom 06.11.2015, 2: 989-995)
Prof. Dr. med. Ursula Gresser.de