Die Kesb Birstal Muttenz steckt ein Mädchen bloss wegen Verhaltensauffälligkeiten ins Heim. Während die Mutter gerichtlich gegen den Eingriff vorgeht, versucht die Kesb die Medien vom Fall fern zu halten.
Reichen «familiäre Strukturprobleme» aus – etwa ein Leistungsabfall in der Schule und das gelegentliche Zuspätkommen –, um einer Mutter die Tochter wegzunehmen und sie in ein Heim zu stecken? Diese Frage berät derzeit das Kantonsgericht in Liestal. Den Obhutsentzug angeordnet hatte die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Birstal Muttenz, weil die Muttenzer Schulbehörde eine entsprechende Gefährungsmeldung abgesetzt hatte.
Nicht, weil Drogen, Gewalt und Schläge oder Vernachlässigung im Spiel sind, sondern bloss wegen Verhaltensauffälligkeiten. Über die Beanstandung hinaus, dass die Tochter von Habiba Mallem, eine Schweizerin mit algerischen Wurzeln, unpünktlich zur Schule gekommen sei und abends um 22 Uhr auf der Strasse gesehen wurde (mutmasslich am Nationalfeiertag) sowie Krach mit Schulkameraden habe, war nämlich die Gefährdungsmeldung nicht näher substanziert.
Kesb will sich nicht rechtfertigen
Es wäre also von öffentlichem Interesse gewesen, wie eine Behörde, die landesweit seit Monaten wegen umstrittenen Entscheiden und als überbordende Kostenverursacher in den Schlagzeilen steht, diesen folgeschwersten Eingriff in das familiäre Leben begründet und wie die Kesb die für Tochter Zuleika (Name geändert) ausgehende Gefahr näher beschreibt. Doch Johanna Schädel vom Kesb-Spruchkörper war daran gelegen, dass keine Medien über den Fall berichten. Sie eilte gestern zum Gerichtsweibel und intervenierte, damit die BaZ, die von der Mutter zur Verhandlung eingeladen worden war, aus dem Gerichtssaal ausgeschlossen werde.
Eine Geheimjustiz soll den Fall beurteilen, während sich die Kesb ebenso wenig erklären will. Jacqueline Frossrad, Präsidentin der Kesb Birstal Muttenz: «Wir dürfen nicht, wir sind ans Amtsgeheimnis gebunden.» Was folglich hinter verschlossenen Türen verhandelt wurde, stützt sich auf die Darstellung der Beschwerdeführer. Laut Habiba Mallem hat die Kesb die Gefährdungsmeldung auch im Gerichtssaal nicht näher begründet.
Weihnachtsgrüsse aus der Schule
«Man hat meinen Erziehungsstil kritisiert, ich sei zu lieb und würde zu wenig mit den Schulbehörden kooperieren», sagt Mallem. Für sie und ihren Rechtsberater sind das keine ausreichenden Begründungen. Man plädierte auf Aufhebung der Verfügung, womit die Tochter nach dem Gerichtsentscheid umgehend aus dem Heim zu entlassen wäre. Anderenfalls dürften die Abklärungen bis im Mai dauern. Und dann ist offen, was mit Zuleika passiert. Das Urteil wird frühestens am Freitag erwartet.
Obschon Zuleika laut Darstellung der Schulleitung immer wieder in Konflikte mit ihren Schulkameraden gerate, wünschen sich die Schulkameraden und einige Lehrer das Kind zurück: Auf einer selbst gemalten Weihnachtskarte schreiben sie: «Wir hoffen, dass du bald wieder in die Schule kommst und dass es dir gut geht und du in dieser Zeit viele Freunde findest.»
Widersprüche und Schuldgefühle
Indessen weilt die Zehnjährige seit Mitte November im Durchgangsheim Vogelsang in Basel. Die Leiter dort beschreiben sie als «nett, aber auch unfair». Die Schuldgefühle kommen in einem Brief der Tochter vor Weihnachten zum Ausdruck: «Liebe Mami, ich liebe dich sehr – hoffentlich gehts dir gut. Ich vermisse dich. Entschuldigung, dass du so viel Ärger wegen mir hast. Mir gehts hier nicht gut. Ich will nach Hause. Ich weiss, wie du dich fühlst. Aber sei nicht traurig, sonst bin ich auch traurig. Dein Heimkind.»
Auf die Frage, wie die Kesb diese Zeilen interpretiere, sagt Frossard: «Es ist so, dass Kinder immer in einem Loyalitätskonflikt sind und Harmonie herstellen wollen.» Aber das sei allgemein gemeint und nicht fallspezifisch. Im Gegensatz dazu hat Habiba Mallem die Zeilen ihrer Tochter nicht ohne Tränen bewältigt: «Jetzt fühlt sich Zuleika auch noch schuldig am Entscheid der Kesb; mir hat dies das Herz gebrochen.» Was die Behörden mit ihren Entscheiden bei Müttern auslösen, könne sie jetzt nachvollziehen, sagt sie mit Blick auf den Vorfall in Flaach im Kanton Zürich, wo eine Mutter ihre Kinder getötet hat. Auch sie habe Suizidgedanken herumgetragen, oder mit der Tochter durchbrennen wollen. «Nicht dass ich die abscheuliche Ermordung der beiden Kinder je gutheissen könnte, aber heute verstehe ich, wenn eine Mutter sagt: Die Behörden kriegen meine Kinder nicht.»
In Winterthur ist übrigens ein 48-jähriger Mann, der im Internet Morddrohungen gegen Kesb Winterthur-Andelfingen ausgestossen haben soll, verhaftet worden. Auch gegen andere Personen ermittelt dort die Polizei. (Basler Zeitung)