Steueramt treibt Zürcher beinahe in den Ruin

Wegen psychischer Probleme hat ein Mann jahrelang keine Steuerunterlagen eingereicht. Das Zürcher Steueramt stufte ihn als Topverdiener ein, was ihn beinahe in den Ruin geführt hätte.

Ein 43-jähriger Wirtschaftsinformatiker hat während Jahren in der Stadt Zürich keine Steuererklärung eingereicht. «Die Hiobsbotschaften kamen in Form von grauen Briefen des Steueramts. Sie stürzten Remo Meier* – Name von der Redaktion geändert – in eine immer stärkere psychische Krise», schreibt nzz.ch. Es sei nichts, worauf er stolz sei. Er habe sich deswegen immer wieder Vorwürfe gemacht. «Es ist mir selbst ein Rätsel. Ich kann komplexe Systeme entwerfen und implementieren, bin aber nicht in der Lage, so etwas Einfaches wie einen Brief zu öffnen oder eine Steuererklärung abzuliefern», verriet Meier der Zeitung. Immer wieder habe er die Probleme mit den Steuern auf die lange Bank geschoben. Und aus Scham holte er sich keine Hilfe.

Zu den Bussen in der Höhe von mehreren tausend Franken seien höhere Einschätzungen des Jahreseinkommens dazu gekommen: zuerst 150’000 Franken, später 200’000 Franken und im letzten Jahr gar 250’000 Franken, berichtet die NZZ weiter. Für Meier habe das Steuerforderungen in der Höhe von rund 27’000 Franken bedeutet – statt 8000 Franken, wenn er eine Steuererklärung eingereicht hätte. Die Steuerschulden für das Jahr 2012 hätte er mit einer Lohnpfändung noch irgendwie abstottern können. Er habe sich aber dafür geschämt, als seine Firma einen Anruf vom Amt erhalten habe mit der Anweisung, den gepfändeten Betrag vom Lohn abzuziehen.

Die Optik der Behörden

Meier, der rund 40’000 Franken an Steuerschulden begleichen muss, fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen. Der Staat würde davon ausgehen, dass er sein Geld vor ihm verstecken würde. Er findet, dass das Steueramt einen willkürlich festgelegten Betrag bestimmt habe. «Für mich ist unbegreiflich, wie man aus einer erniedrigenden Lohnpfändung schliessen kann, dass die Person noch mehr Geld verdient.»

Bruno Fässler, Direktor des Stadtzürcher Steueramts, sieht das anders. Es gebe nicht wenige Fälle, in denen Personen ihre Steuererklärung absichtlich nicht ausfüllen würden, in der Hoffnung, weniger bezahlen zu müssen. In erkennbaren Fällen suche man das Gespräch mit Menschen, die ihre Steuerschulden wegen psychischen oder gesundheitlichen Problemen nicht mehr begleichen könnten. Überdies würde es mehrere Möglichkeiten geben, einen Entscheid anzufechten. Und man biete etwa bedürftigen Bürgerinnen und Bürgern beim Ausfüllen der Steuererklärung Unterstützung. Bedingung sei aber, dass diese Menschen auch Hilfe suchen würden. «Man weiss ja ohne Kontakt zu den Steuerpflichtigen nicht, ob die Leute die Steuererklärung absichtlich nicht einreichen oder ob sie dies einfach nicht können», erklärt Fässler.

30’000 Betroffene im Kanton

Meier ist kein Einzelfall. «Allein in der Stadt Zürich werden pro Jahr rund 12’800 Personen vom Steueramt nach Ermessen eingeschätzt, im ganzen Kanton sind es zirka 30’000 Betroffene», weiss die NZZ. «Einschätzungen ohne Steuererklärungen sind ein Massengeschäft», sagt Roger Keller, Sprecher der Finanzdirektion. Es sei für die Steuerkommissäre kaum erkennbar, weshalb jemand seine Steuererklärung nicht einreiche. In Fällen, in denen jemand seine Einkünfte nicht deklariere, seien die Steuerbehörden deshalb verpflichtet, selbst eine Einschätzung vorzunehmen. «Über die vorhandenen Akten hinaus haben die Behörden aber keine Verpflichtung und praktisch auch keine Möglichkeiten, einen Steuerpflichtigen in Bezug auf seine wirtschaftlichen Verhältnisse auszuforschen.» Wegen der grossen Zahl von nicht eingereichten Erklärungen sei das nicht praktikabel und vom Gesetz auch nicht vorgesehen.

Als Faustregel habe sich eine Erhöhung der Einschätzung im Folgejahr um rund 20 Prozent etabliert. Keller erwähnt, dass es auch darum gehe, die pflichtbewussten Steuerzahler zu schützen.

Das Steueramt Zürich hat sich übrigens einverstanden erklärt, dass Meier seine Schulden in monatlichen Raten von 2000 Franken begleichen kann. Und seine Angst, die Briefe zu öffnen, will er bekämpfen.

(fal)


20 Minuten.ch


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