«Väter sollten nicht klein beigeben»

Wenn sich getrennte Eltern nicht einigen können: Fabian Voegtlin, Anwalt für Familienrecht in Zürich, empfiehlt Vätern nur als ultima ratio den Gang vor die KESB.

Herr Voegtlin, was können Väter tun, wenn sie nach einer Trennung oder Scheidung mehr Kontakt zu ihrem Kind möchten?

Sind die Eltern geschieden, lässt sich in der Scheidungskonvention oder im Scheidungsurteil zwingend eine Betreuungsregelung finden. Diese soll gelten, wenn sich die Eltern nicht einigen können. Dasselbe gilt für die gerichtliche Trennung im Eheschutzverfahren. Möchte der nicht obhutsinhabende Elternteil ein grosszügigeres Besuchsrecht bekommen, sollte in einem ersten Schritt stets eine einvernehmliche Absprache mit dem anderen Elternteil das Ziel sein. Führt das nicht weiter, bleibt neben einer Mediation nur noch der Weg zur Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB). Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, legt im Streitfall ebenfalls die KESB auf Antrag eines Elternteils eine Besuchsregelung fest. Der Vollständigkeit halber: Die KESB ist in der letztgenannten Situation nur zuständig, wenn ausschliesslich die Betreuungsregelung umstritten ist.

Welche rechtlichen Voraussetzungen gibt es?

Entscheidender Faktor – sowohl bei der Festlegung als auch bei Abänderung einer Regelung – ist das Kindeswohl. Die beantragte Erhöhung der Besuchsregelung muss zwingend mit dem Kindeswohl im Einklang stehen. Je nach Alter des Kindes wird das Gericht oder die KESB das Kind selbst anhören. Ob eine Anhörung stattfindet, wird aufgrund der Umstände und des Gesprächs mit den Eltern entschieden. Laut Bundesgericht ist eine Anhörung ab dem sechsten Altersjahr eines Kindes grundsätzlich möglich. Eine funktionierende Kommunikation ist – anders wie bei der gemeinsamen elterlichen Sorge – nicht Voraussetzung für mehr Betreuung. Denn sollten die Eltern nicht mehr im Stande sein miteinander zu kommunizieren, wird eine Besuchsrechtsbeistandschaft bestellt, die den Eltern mit Rat und Tat zur Seite stehen soll. So zumindest die Theorie.

Und der Unterschied zwischen Theorie und Praxis? Was kann ein Vater auf juristischem Wege tatsächlich erreichen, wenn die Mutter den Umgang so weit wie möglich einschränken möchte?

Dazu ein Beispiel aus meiner Praxis als Anwalt. Die Eltern haben im Jahr 2007 geheiratet, knapp ein Jahr später kam die Tochter zur Welt. Nach drei Jahren Ehe beantragte die Mutter im Eheschutzverfahren ein begleitetes Besuchsrecht, was sowohl erst-als auch zweitinstanzlich abgewiesen. Dem Vater wurde stattdessen ein unbegleitetes Besuchsrecht eingeräumt. Die Mutter hielt sich nicht an die im Eheschutzentscheid festgehaltene Regelung, weshalb der Vater ein Vollstreckungsbegehren stellte, was die Mutter wiederum erfolglos angefochten hat. Im Scheidungsverfahren 2013 konnten sich die Eltern dann auf eine Besuchsrechtsregelung einigen. Ein Jahr später stellte die Mutter ein Änderungsbegehren, eventuell die Anordnung eines begleiteten Besuchsrechts. Die KESB setzte einstweilen das Besuchsrecht aus, ordnete im Endentscheid aber ein begleitetes Besuchsrecht an. Auch dieser Entscheid wurde von der Mutter einmal mehr erfolglos angefochten. Trotz dieser nun seit Ende 2015 bestehenden Regelung fanden bis anhin keinerlei Besuche statt. Die KESB prüft momentan, ob die Mutter das Kind instrumentalisiert hat oder ob es auch dem tatsächlichen Willen des Kindes entspricht, den Vater nicht zu sehen.

Der juristische Weg kann also ganz schön lang sein.

In der Tat, besonders, wenn sich die Mutter immer und immer wieder gegen die beantragte Ausweitung des Besuchsrechts stellt. Festzuhalten ist aber, dass die Mutter durch Querstellen das Besuchsrecht des Vaters nicht erfolgreich verhindern kann – sofern nicht kindeswohlgefährdende Umstände vorliegen, die dem Vater angelastet werden. Die Mutter wird in der Regel auch die Besuchsregelung durch haltlose Beschuldigungen nicht boykottieren können.

«Das Kind hat ein Recht darauf, den Vater zu sehen»

Welchen Wert hat Ihrer Einschätzung nach das gemeinsame Sorgerecht?

Seit dem 1. Juli 2014 sieht das Zivilgesetzbuch die gemeinsame elterliche Sorge als Standard vor. Die Voraussetzungen für ein Abwenden von diesem Grundsatz bzw. die nachträgliche Änderung auf die alleinige elterliche Sorge ist an hohe Hürden geknüpft. So sieht das Gesetz vor, dass die elterliche Sorge nur in bestimmten Fällen entzogen werden kann, wenn andere Kindesschutzmassnahmen erfolglos geblieben sind oder von vornherein als ungenügend erscheinen. Daran lässt sich erkennen, dass der Gesetzgeber den Wert der gemeinsamen elterlichen Sorge als sehr hoch erachtet.

Spiegelt sich das auch in der Praxis wieder?

Die meisten Väter und Mütter wollen in die Entscheidungsfindung mit einbezogen werden, wenn es um medizinische Eingriffe, Berufswahl oder dergleichen des Kindes geht. In der Realität ist es so, dass wenn der obhutsinhabende Elternteil den anderen Elternteil nicht vorgängig mit einbezieht, die Entscheidung oftmals bereits getroffen und nicht oder nur sehr schwer rückgängig zu machen ist. Das gemeinsame Sorgerecht verkommt in solchen Situation zu einer inhaltslosen Hülle. Für zukünftige Entscheidungen kann eine Beistandschaft Abhilfe leisten, wobei in eine solche nicht zu viel Hoffnung gesteckt werden sollte.

Was können Sie Vätern grundsätzlich raten, die bei Ihnen vorstellig werden?

Ich bin der festen Überzeugung, dass Väter nicht einfach klein beigeben, sondern sich wehren sollten. Das Besuchsrecht ist – wie das Wort bereits vermuten lässt – ein Recht, das dem Vater zusteht. Zugleich hat auch das Kind ein Recht darauf, den Vater zu sehen. Je nach Ausgangssituation schlage ich folgendes Vorgehen vor:

  1. Versuch einer bilateralen Lösung
  2. Mediationsversuch bei einer qualifizierten öffentlichen Beratungsstelle oder durch einen geschulten Mediator
  3. Einleitung eines KESB-Verfahrens als ultima ratio

Wo können Väter Hilfe finden, wenn Juristen ihnen nicht weiterhelfen können?

Ein Mediationsversuch durch einen ausgebildeten Mediator kann je nach Situation die Wogen glätten und zielführend sein.

(Interview: Andreas Schönberg)

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Fritz und Fränzi.ch


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