Die Kesb war 2015 unter Dauerbeschuss. Der Fall eines verzweifelten Vaters zeigt: Die Behörde hat ihre Probleme längst nicht im Griff.
Ein Lokal mitten in Zürich. Auf den Tischen brennen Kerzen, im Hintergrund klingt ein Weihnachtslied. Thomas* bestellt den zweiten Cappuccino und sagt: «Ich hielt die Kritik an der Kesb für übertrieben. Doch jetzt vermute ich: Es ist alles viel schlimmer.»
Unaufgeregt erzählt er seine Geschichte, die ihn sehr bedrückt. Mit Krisen hat er Erfahrung: Als Kommunikationsspezialist berät er öfter Personen oder Unternehmen in scheinbar ausweglosen Situationen. Jetzt weiss er selbst nicht mehr weiter.
Im Winter 2012 ist seine Welt noch im Lot. Thomas lernt Nadia* kennen, er ist 43, sie 35.
Anfang November 2013 kommt Lara* zur Welt – ein Wunschkind. Die Familie hat in der Nähe von Zürich eine Wohnung bezogen. Doch das Glück währt nur kurz; wenige Monate nach der Geburt trennt sich das Paar, die Mutter zieht im November 2014 aus.
Von nun an betreuen die Eltern Lara abwechselnd – die Hälfte der Zeit ist sie beim Papi, die andere Hälfte bei der Mutter – darauf hatten sich die Eltern noch vor der Geburt für den Fall einer Trennung geeinigt. Die beiden beantragen bei der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) Dübendorf das gemeinsame Sorgerecht – dem stimmt das Amt wenig später zu.
Doch dann beginnen die Schwierigkeiten. Ab August habe sich die Mutter nicht mehr an zentrale Betreuungsvereinbarungen halten wollen, erzählt Thomas. Ende September wendet er sich via Anwalt an die zuständige Kesb – in der Hoffnung, diese würde schlichtend eingreifen und die Obhut nun verbindlich regeln.
Doch dazu kommt es nicht – und Ende Oktober weigert sich die Mutter ganz, Lara dem Vater zu überlassen. Sie begründet das später mit «immer mehr Forderungen», die der Kindsvater aufgestellt habe; er habe sie unter «massiven Druck gesetzt», ja sogar «bedroht und genötigt» – Vorwürfe, die Thomas klar zurückweist: «Ich habe nie mehr verlangt, als dass sie sich wieder an die gemeinsame Abmachung hält.» Klärung soll eine Aussprache bei der Kesb bringen. Die Behörde lädt ihn und seine Ex-Partnerin am 10. November zu einem Treffen ein. Doch die Frau lässt den Termin platzen.
Der Kesb-Leiter entlässt den Vater und dessen Anwalt mit der Hoffnung, man werde rasch eine Lösung finden, wenn er die Mutter noch einzeln vorgeladen habe.
Mehr als sieben Wochen ist das nun her – passiert ist nichts. Die Kesb stellt sich tot. Mehrere Schreiben des Anwalts von Thomas K. lässt sie ebenso unbeantwortet wie Anrufe und Mails. Was den Vater besonders ärgert: «Die Kesb hat es nicht einmal geschafft, eine Regelung für die Weihnachtstage zu verfügen.» Den Baum, den er für seine kleine Maus geschmückt hat, wird diese wohl nie sehen. Die Geschenke für Lara liegen ungeöffnet da. «Die Kesb verweigert mir, was mir nie jemand wird zurückgeben können: Zeit mit meiner Tochter.» Er befürchtet, dass Lara glaubt, Papi wolle sie gar nicht sehen. «Weihnachten ohne Lara waren die traurigsten Weihnachten meines Lebens», sagt Thomas, der seine Tochter nun seit über 80 Tagen nicht mehr in den Arm nehmen durfte.
Hinnehmen will er die erzwungene Trennung von Lara nicht. Gegen die Mutter hat er Strafanzeige eingereicht – «Entziehen von Minderjährigen» lautet der Vorwurf in der Juristensprache. Und vor ein paar Tagen hat er bei der Zürcher Justizdirektion eine Aufsichtsbeschwerde eingereicht, um der Kesb Dübendorf «Beine zu machen». Anders als die Nachfragen des Vaters hat Kesb-Präsident Corsin Hofmann ein Mail von SonntagsBlick beantwortet. Der Kesb-Leiter erklärt allerdings nur wortreich, dass man nichts sagen könne – und wünscht noch «viel Glück mit Ihrem Artikel».
(Von Philippe Pfister)
*Namen geändert