Kaum einer will für Kesb arbeiten

PERSONALSUCHE ⋅ Lange mussten die Verantwortlichen für genug Stellen in der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) im Thurgau kämpfen. Nun zeigt sich ein anderes Problem: Mitarbeiter zu finden, wird immer schwieriger.

Wer will bei einem Arbeitgeber anheuern, über den immer wieder negativ berichtet wird? Eben. Die wiederholte öffentliche ­Kritik an den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) habe der Einrichtung geschadet, bilanziert das Obergericht, das im Kanton Thurgau die Kesb beaufsichtigt. Und diagnostiziert im Rechenschaftsbericht 2016 ein «Imageproblem». Das wiederum führe zu ganz praktischen Problemen: «Es ist zunehmend schwierig, Mitglieder für die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden zu finden.»

Für die Verantwortlichen im Thurgau ist das besonders bitter. Nachdem der Grosse Rat vor dem Start der Kesb den Stellenplan nach unten korrigiert hatte, musste man sich auch mit befristeten Stellen über Wasser halten. Mit dem Budget 2017 konnten diese dann weitgehend in ordentliche umgewandelt werden. Und jetzt hat der Arbeitgeber Kesb schon das nächste Problem auf dem Tisch und muss gegen ein ramponiertes Image ankämpfen.

Komposch: «Nicht dramatisch schwierig»

Angesichts des Kesb-Bashings in der Öffentlichkeit überlege es sich jeder gut, bevor er sich bewerbe, räumt die zuständige Regierungsrätin Cornelia Komposch auf Anfrage ein. Dazu komme, dass angesichts von politischen Vorstössen in Bern die weitere Entwicklung, etwa bei den Kompetenzen der Kesb, unsicher sei.

Gleichzeitig findet Komposch die Lage aber nicht alarmierend. «Sie ist nach meinen Erfahrungen nicht dramatisch schwierig.» Die Regierungsrätin verweist auf das Beispiel des Kesb-Präsidiums im Bezirk Arbon, das es wieder zu besetzen galt. «Es gab rund zehn Bewerbungen.» Darunter aber solche, die aufgrund des jugendlichen Alters nicht in Frage gekommen seien. «Deshalb wurde es relativ schnell etwas eng.» Schliesslich aber kamen drei Kandidaten in die engere Wahl – «alles gute Bewerbungen». Gleiches gilt für die vakante Stelle in der Kesb Kreuzlingen, die auf den 1. August wieder besetzt werden konnte. Auch dort seien einige Bewerbungen eingegangen, so Komposch, «darunter eine Handvoll gute».

«Wir haben noch keinen Notstand», sagt auch der Matzinger Kantonsrat Christian Koch mit Blick auf die Schwierigkeiten bei der Besetzung von Kesb-Stellen. Laut dem Präsidenten der Justizkommission des Grossen Rates gelingt es immer noch – «wenn auch mit grossem Aufwand» – die benötigten Leute zu finden. «Es brennt noch nicht», sagt Koch, aber ebenso: «Jetzt müsste gehandelt werden, damit es nicht zu brennen beginnt.»

Nur Problemfälle werden wahrgenommen

Allerdings ist guter Rat hier teuer und gegen ein Negativimage bekanntlich kaum ein Kraut gewachsen. Zwar hat im Thurgau noch kein Kesb-Fall Negativschlagzeilen gemacht. Doch in der Wahrnehmung der Menschen spielten Kantonsgrenzen keine Rolle, glaubt Koch. Hier gelte: «Kesb ist Kesb. Punkt.» Regierungsrätin Komposch sieht ebenfalls ein Problem darin, dass nur über die schwierigen Fälle berichtet werde. Dass es viele gebe, die gut liefen, komme in der Wahrnehmung zu kurz.

«Die Kesb leistet in einem schwierigen Umfeld insgesamt eine sehr gute Arbeit», betont Thomas Soliva von der Medienstelle des Obergerichts. Damit diese in der Öffentlichkeit wahrgenommen werde, habe das Obergericht im aktuellen Rechenschaftsbericht etliche Entscheide aufgenommen, welche Fälle und Probleme der Kesb ­behandelten. «Erfreulich wäre natürlich, wenn die Medien vermehrt auch über die Erfolge und Leistungen der Kesb berichteten», so Soliva.

Anfangslöhne wurden zurückgestuft

Die Attraktivität von Kesb-Stellen unmittelbar erhöhen könnte man auf dem Weg der Entlöhnung. Hier hat der Thurgau seine Karten selber verschlechtert. Mit dem Sparprogramm LÜP wurden auch die Anfangslöhne der Kesb tiefer eingestuft als früher. Der Lohn sei immer noch gut, findet Regierungsrätin Komposch, «aber eine Zurückstufung tut immer weh». Vor allem jedoch liege man unter den Niveau der Nachbarkantone Zürich und St. Gallen. Das sei bei Bewerbungsgesprächen durchs Band ein Thema und ein Handicap. Eine weitere Hürde kommt hinzu: Kesb-Angestellte müssen im Thurgau wohnen. Für ausserkantonale Bewerber immer wieder ein Grund abzuwinken.

Kantonsrat Christian Koch ist überzeugt, dass bessere Anstellungsbedingungen die Suche nach Kesb-Personal erleichtern könnten. Zumal der Thurgau bei den Rahmenbedingungen heute eher hinter anderen Kantonen zurückstehe. Hinter der politischen Durchsetzbarkeit solcher Verbesserungen macht aber auch Koch ein dickes Fragezeichen: «Als Präsident der Justizkommission gehe ich davon aus, dass das im Parlament sehr umstritten wäre.»

(Von Christian Kamm)


Tagblatt.ch


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